Nach dem doppelten April und ausgefallenen Wonnemonat geht es nun also direkt in den Sommer. Wie schon öfters in letzter Zeit stellt sich die Grosswetterlage mal wieder zum Monatswechsel um – sehr praktisch für die Monatsprognose. Könnten wir wählen, würden wir es genau so einrichten: jeder Monat ein eigenes Wetter. Doch Vorsicht: Nach langjährigen Statistiken (bei denen man sich allerdings fragen muss, welchen Wert sie im rasch wandelnden Klima noch haben) ist der Juni jener Monat, in dem die meridionale Frühlingszirkulation mit starkem Nord-Süd-Ausgleich allmählich auf sommerliche Westwindzirkulation umstellt. Man kann also schon mal vorausschicken: Hitzewellen, wie jetzt Anfang Juni eine bevorsteht, sind selten nachhaltig und werden meist mit viel Getöse beendet, um einer gemässigteren, oft nassen Westwindphase (vielen noch als Schafskälte bekannt) Platz zu machen. Auch in diesem Jahr?

In mittleren Lagen können Gebirgsvögel nun endlich zur Brut schreiten (Bild: Steinschmätzer im frz. Jura auf 1400 m, Juni 2018), weiter oben ist je nach Exposition noch Geduld gefragt.
Die Herausforderung in diesem Monat besteht also darin, abzuschätzen, wann und wie weit sich eine Westlage durchsetzen kann. Vorerst haben wir es noch mit einer blockierten Lage mit Hoch über Osteuropa zu tun, der Druck auf Westeuropa von kälteren Luftmassen auf dem Atlantik nimmt allerdings zu. Ob sich eine Pattsituation einstellt (kühler Westen, heisser Osten mit Unwettern in der Mitte), oder sich der Westwind durchsetzt, hängt davon ab, ob sich in der ersten Junihälfte der Jetstream auf unserer Seite der Nordhalbkugel erholt. In diesem Punkt sind die Modelle leider sehr widersprüchlich.
Aus den mehrheitlich der oben geschilderten Blockadesituation folgenden Modellläufe wurde ein Kompromiss-Lauf gewählt: Also keine Dauerblockade, aber auch kein sehr rasches Durchgreifen der Westlage. Dominant ist eine Hochdruckanomalie mit Zentrum über dem Baltikum, das nahezu den ganzen Kontinent mit Ausnahme des äussersten Westens und Südostens abdeckt. Gegenspieler ist eine Tiefdruckanomalie über dem Ostatlantik, die Britischen Inseln, Westfrankreich und die Iberische Halbinsel umfassend. Entsprechend liegt das Azorenhoch etwas nach Nordwesten verschoben. Diese Druckkonstellation bedeutet Grosswettertyp Süd, die recht gesichert das erste Monatsdrittel dominiert. Wir gehen davon aus, dass diese Südlage am Pfingstwochenende, möglicherweise auch ein paar Tage später, von einer Westlage abgelöst wird. Dabei ist noch nicht sicher, wie rasch und wie weit nach Osten der kühlere Westwind durchgreifen kann, denkbar ist im Übergang auch eine mehrtägige Winkelwest-Lage mit heftigen Gewittern entlang der nahezu stationären Luftmassengrenze irgendwo über Mitteleuropa. Die zweite Monatshälfte böte demzufolge einen munteren Wechsel aus Wetterlagen des Sektors West, Tiefs und Zwischenhochs.
Die Hitzewelle des ersten Monatsdrittels sorgt für einen kaum mehr abzubauenden Temperaturüberschuss, der in einem Monatsmittel resultiert, das in Osteuropa noch ein Plus von etwa vier Grad, in Mitteleuropa und Skandinavien zwei Grad zur Klimanorm 1981-2010 aufweist. Deutlich unter dem langjährigen Mittel wird der Juni in West- und Südosteuropa landen.
Die Niederschlagsverteilung sieht so aus, dass es ein deutliches Gefälle zwischen nassem Westeuropa und trockenem Osteuropa geben dürfte. Die unten abgebildete Karte bietet nur eine grobe Orientierung: Unwetter entlang einer scharfen Luftmassengrenze können innerhalb weniger Stunden das ganze Monatssoll oder mehr über eine Region ausgiessen, während es unweit davon nahezu trocken bleiben kann.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
In diesen Tagen hoffen viele Bauern im Flachland auf eine mehrtägige trockene Phase, damit das erste Heu eingebracht werden kann. Der Bergbauer meint dazu nur trocken, dass zuerst mal der Schnee weg müsse… Ähnlich ergeht es den Vögeln: Der nass-kalte Mai hat viele Bruten verzögert oder gar getötet – sei es wegen Nahrungsmangel, oder wegen Durchnässung und Kälte. Viele Arten dürften nun eine Zweitbrut in Angriff nehmen, für andere ist die Saison leider gelaufen. Auch im höheren Bergland ist es schwierig: Je nach Exposition liegen oberhalb von 2000 m rekordverdächtige Schneemengen (Zugspitze und Säntis um 6 Meter, Rudolfshütte 3.5 Meter). Es dürfte sich in mittleren Lagen lohnen, nach Arten Ausschau zu halten, die normalerweise im Gebirge brüten, aber flexibel auf die Schneelage reagieren können und für die Brut etwas nach unten ausweichen. Was die Brutsaison im Hochgebirge verzögert, macht den Vögeln entlang von Flüssen in den Niederungen Probleme: Mit den nun schlagartig hochsommerlichen Temperaturen kommt viel Schmelzwasser runter, was durch lokale Gewitter noch zusätzlich verschärft wird. Bleibt zu hoffen, dass nicht auch noch eine mehrtägige Dauerregenlage mit hoher Schneefallgrenze hinzu kommt, was man leider bei der bevorstehenden Wetterlagenkonstellation nicht ausschliessen kann. Was die Alpenabflüsse mitunter zu viel an Wasser haben, fehlt nach wie vor im Flachland abseits der Alpen, denn hier hat der Mai vielerorts immer noch nicht die ersehnten Regenmengen gebracht.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = trockener, blau = nasser als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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