Die letzten Monate waren von Extremen geprägt: Auf den nass-kühlen Mai folgte ein rekordwarmer, vielerorts zu trockener und der sonnigste Juni seit Messbeginn. Überhaupt bekommt man als Naturbeobachter den Eindruck, es gäbe in letzter Zeit nur noch extreme Witterungsphasen. Und wenn sich jemand an der Siebenschläfer-Wetterregel orientiert, schrillen wahrscheinlich angesichts der extremen Hitzewelle in der letzten Juniwoche die Alarmglocken. Doch wir können beruhigen: Die Siebenschläfer-Regel muss anders ausgelegt werden, als gemeinhin bekannt. Wer mehr darüber wissen möchte, ist herzlich eingeladen, den entsprechenden Blogbeitrag der Mutterseite fotometeo.ch zu lesen. Wir wollen uns hier aber nicht gleich mit dem ganzen Hochsommer beschäftigen, sondern nehmen erst mal den Juli unter die Lupe.

Ein normaler Juli käme der “gebeutelten” Natur sehr gelegen. Junge Beutelmeise, Nordwestungarn, Juli 2009
Juli-Prognosen sind erfahrungsgemäss recht zuverlässig, da sich das zu Monatsbeginn einstellende Zirkulationsmuster in der Regel den ganzen Hochsommer über hält. Da kann man als erfahrene Meteorologin ganz gut mal sämtliche Phantasien der Langfristmodelle beiseite schieben und sich jenen Lauf herauspflücken, der die aktuelle Situation in die kommenden Wochen interpoliert. Kurioserweise haben wir unter den letzten zwölf Modell-Läufen genau einen gefunden, der sich daran hält. Risiko? Wir werden sehen…
Nach den stark meridional geprägten Vormonaten (Nordlagen im Mai, Südlagen im Juni), stellt sich nun recht zuverlässig eine der Jahreszeit entsprechende zonale Zirkulation ein, will heissen: Die Westlagen und ihre Verwandtschaft kehren zurück. So erreichen sowohl Nordwest- wie Westlagen im Hochsommer ihr statistisches Maximum im Jahresverlauf, was den typischen, in Mitteleuropa wechselhaften Sommer ausmacht. Dass die warmen und trockenen Phasen im südlichen Mitteleuropa häufiger sind als im Norden, ist der Nähe des sommerlichen Mittelmeerhochs zu verdanken. Im Norden ziehen hingegen häufiger die atlantischen Störungen durch, während der Süden davon oft nur schwach betroffen ist. Entsprechend zeigt der von uns bevorzugte Modelllauf eine Dominanz von West- bis Nordwestlagen, hervorgerufen durch eine gemässigte Tiefdruckanomalie über Skandinavien sowie einem leicht nach Nordosten verschobenen Azorenhoch, was sich in einer leichten Hochdruckanomalie im Seegebiet vor den Westküsten Europas manifestiert, die ihre Fühler sanft in Richtung Mitteleuropa ausstreckt. Eine schwach ausgeprägte Tiefdruckanomalie wird über dem südlichen Mittelmeerraum gezeigt, was auf eine leicht nach Norden verschobene Hochdruckzone schliessen lässt.
Die regelmässige Zufuhr atlantischer Luftmassen hat zur Folge, dass in weiten Teilen Europas nur eine geringfügige Temperaturabweichung zum langjährigen Mittel gerechnet wird. Im Südwesten Europas ist die Abweichung tendenziell positiv, die Iberische Halbinsel wird wohl einen sehr trockenen und heissen Juli erleben, ebenso die Westhälfte Frankreichs. Für Mittel- und Osteuropa zeigt die Abweichungskarte in der freien Atmosphäre tendenziell etwas unterdurchschnittliche Temperaturen an, man kann aber annehmen, dass diese am Boden durch häufigen Sonnenschein zumindest kompensiert wird. Wir gehen daher für Mitteleuropa von einem normalen bis leicht wärmeren Juli gegenüber der Klimanorm 1981-2010 von ungefähr +1 Grad aus, was allerdings auch einen Wechsel zwischen kühlen Phasen und Hitzewellen mit einschliesst.
Bis auf eine nasse Zone im Westwindgürtel, der sich ungefähr von Schottland über das südliche Skandinavien bis ins Baltikum erstreckt, wird in fast ganz Europa ein tendenziell zu trockener Juli gerechnet, was mit der bereits erwähnten, nach Norden verschobenen Hochdruckzone zu erklären ist. Entsprechend ist der Mittelmeerraum – entgegen der Klimanorm – etwas anfälliger auf Gewitter. Die Niederschlagskarte sollte man allerdings nicht allzu genau nehmen, denn wo und wie heftig Gewitter entstehen können, ist zufällig und kann schlussendlich zu einer ganz anderen Verteilung der zu nassen und trockenen Gebiete führen. Der etwas zu nass gerechnete Alpenhauptkamm könnte mit häufigeren Gewittern aufgrund Hitze und der nassen Vorgeschichte mit dem schneereichen Frühling zusammenhängen. Ob sich das auch wirklich so einstellt, wird sich weisen müssen.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Für all jene Vögel, die nach dem Verlust ihrer Brut im nass-kalten Mai jetzt eine Ersatzbrut aufziehen, sind die Prognosen für einen normalen Juli eine gute Nachricht. Auch hat die markante Hitzewelle mit Rekordtemperaturen im Gebirge die Schneeschmelze in den letzten zwei Wochen derart beschleunigt, dass wir auch in den höchsten Lagen bald normale Verhältnisse haben und die Gebirgsvögel erfolgreich zur Brut schreiten können. Bleibt also zu hoffen, dass sich die Prognose bewahrheitet, dann kann der Schaden nach dem desaströsen Frühling zumindest etwas gemindert werden.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = trockener, blau = nasser als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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