Nach dem rekordwarmen Februar, der sich in eine endlose Reihe von Rekorden seit dem letzten Jahr einordnet, stellt sich heute nur die Frage: Und was kommt als nächstes? Zurück zur Normalität wird es kaum sein, denn dafür ist das Klima schon zu sehr aus den Fugen geraten. Mit irgend einer Überraschung ist also wieder zu rechnen, die Modelle haben längst nicht mehr alles auf dem Schirm, was möglich ist – der Februar hat es soeben wieder bewiesen. Kommt hinzu, dass der Frühling generell eine prognosetechnisch schwierige Jahreszeit ist, wobei der März von den drei Monaten noch am besten abschneidet.
Erfreulich ist in diesem Fall, dass sich die Langfristmodelle einig sind, was die grossräumige Zirkulation betrifft. Hochdruckanomalie im Norden und Tiefdruckanomalie von den Azoren bis ins Mittelmeer zeigen durchgehend alle Läufe des CFS der letzten drei Tage und auch das europäische Modell zieht mit. Unterschiede gibt es einzig bei der Gewichtung und Persistenz der Druckgebilde, was sich ausgerechnet in grösseren Unsicherheiten für Mitteleuropa manifestiert. Von einem extrem milden März bis zu einem leicht unterkühlten liegt alles drin – aufgrund der Vorgeschichte und der Wärme der uns umgebenden Meere tut man allerdings gut daran, die kältesten Szenarien auszusortieren.
Der ausgewählte Lauf zeigt eine starke Hochdruckanomalie in einem Bogen von Neufundland über das Nordmeer bis nach Nordrussland, wobei die Zentren der stärksten Abweichung zwischen Grönland und Island sowie über der Barantssee zu liegen kommen sollen. Gegenpart ist eine ebenfalls starke negative Druckanomalie zwischen den Azoren und Westeuropa, die bis Mittel- und Südeuropa ausstrahlt. Damit werden Nordwest- bis Nordlagen weitgehend ausgeschlossen, Ostlagen dürften dominieren, wobei die zyklonalen Varianten für Mitteleuropa überwiegen. Auch die südliche Westlage sitzt dabei prominent mit am Tisch, die Möglichkeit umfasst also sämtliche Gruselwetterlagen, die man sich vorstellen kann. Aufgrund der Positionierung der Tiefdruckanomalie sind aber auch zeitweilige Vorderseiten mit Anströmung aus Südwest bis Südost enthalten, was die milden Rechnungen für weite Teile Europas erklärt.
Trotz häufiger Anströmung aus Ost kann man einen Märzwinter so gut wie ausschliessen, denn in Osteuropa war der Februar relativ zur Klimanorm noch wärmer als bei uns – sprich: Da liegt kein Schnee und somit auch kein ernstzunehmendes Kaltluftreservoir, das angezapft werden kann. Das Potenzial beschränkt sich somit auf kleinräumige und unberechenbare Kaltlufttropfen, die von Skandinavien über Osteuropa zu uns gelangen und für ein paar Tage unterkühlte Verhältnisse sorgen können. Ernster nehmen muss man hingegen Kaltluftausbrüche von Grönland her über den Nordatlantik, die dann mit südlicher Westlage oder Tief Britische Inseln nass-kühle Verhältnisse nach Westeuropa bringen können, entsprechend ist hier das Potenzial für einen leicht zu kühlen März am höchsten, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich – vermutlich wird die negative Abweichung auf der Iberischen Halbinsel zu übertrieben gerechnet.
Beim Niederschlag zeichnet sich ein deutliches Süd-Nord-Gefälle ab: Unter permanentem Hochdruck wird in weiten Teilen Nordeuropas und wahrscheinlich auch im nördlichen Mitteleuropa nur wenig Niederschlag fallen. Das Gegenstück dazu findet man auf der Alpensüdseite und in weiten Teilen Südeuropas, hier werden allerdings die genauen Zugbahnen der südlich verlaufenden Tiefs die Verteilung bestimmen – die unten gezeigte Karte ist also nur als sehr grobe Tendenz zu verstehen. Insbesondere was die Niederschläge in den Alpen und im nördlichen Alpenvorland betrifft, gibt es extreme Differenzen zwischen den einzelnen Modellläufen, der hier gezeigte Rechnung wird vermutlich zu trocken sein.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Nach dem rekordwarmen Februar ist der Vogelzug der Kurzstrecken- und Teilzieher bereits in vollem Gang: Nordische Wintergäste räumen Mitteleuropa seit einigen Wochen nach und nach, und das Brutgeschäft der Standvögel ist bereits angelaufen. Anpassungsfähige Standvögel und Teilzieher profitieren von der frühen Vegetationsentwicklung und somit auch vom frühen Insektenangebot, während die Langstreckenzieher, die derzeit noch in Afrika verweilen und nichts von unserem vorgezogenen Frühling ahnen, wahrscheinlich bei ihrer Ankunft im April und Mai das Nachsehen haben werden, weil ihre Futterquellen dann bereits den Höhepunkt überschritten haben werden. Diese Entwicklung hat die Forschung bereits seit längerem auf dem Schirm, in diesem Jahr dürfte sie aber besonders extrem ausfallen. Interessant wird zu beobachten sein, wie sich das prognostizierte Schmuddelwetter auf der Iberischen Halbinsel auf den Vogelzug auswirken wird. Unsere Vermutung: Kurzstreckenzieher könnten früher bei uns eintreffen als normal, während südwestliche Langstreckenzieher aufgehalten werden. Wesentlich günstiger sieht die Prognose für die Südostzieher aus.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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