Es gab mal eine Zeit, da lieferte der Februar regelmässig die kälteste Phase des Winters und stellte alle paar Jahrzehnte einen neuen Kälterekord auf. Zuletzt ist er hingegen häufig zum ersten Frühlingsmonat avanciert. Eine wahre Wundertüte ist er geworden, der Monat mit der grössten Spanne möglicher Ausschläge nach oben und unten und wie 2021 gezeigt hat, kriegt er das mitunter sogar innerhalb einer Woche hin. Man darf also gespannt sein, was das 2023er Exemplar aus dem Hut zaubert.

Ein Kiebitz begleitet von zwei Goldregenpfeifern als Frühlingsvorboten (Westschweiz, Ende Februar 2019)
Vor zwei Tagen wäre nach dem Blick in die Rechnungen des Langfristmodells CFS der Fall klar gewesen: Das wird ein super-Mildfebruar, insbesondere in erhöhten Lagen. Eigentlich gab es nur eine kleine Auswahl: Nach Nordwest zu Monatsbeginn nur noch Hochdruck und West- bis Südwestlagen, zuverlässig in fast jedem Lauf über mehrere Tage hinweg gerechnet. Gestern wackelte das Modell plötzlich und tischte Kaltlösungen auf, doch heute in den letzten zwei Läufen wurde die Mild- und Hochdruckvariante wieder aufgenommen, wenn auch weniger extrem als zuvor. Der Verdacht einer kompletten Zonalwindumkehr von der Stratosphäre getriggert ist inzwischen auch vom Tisch – der Polarwirbel ist zwar geschwächt, aber er hält sich wacker insbesondere auf unserer Seite des Nordpols.
Der neueste zur Verfügung stehende Modelllauf ist somit eine plausible Variante und soll somit unser Wegweiser sein: Gezeigt wird eine kräftige, aber nicht extreme Hochdruckanomalie über fast ganz Europa mit einem Schwerpunkt, der sich von den Britischen Inseln bis nach Italien erstreckt. Flankiert wird diese durch sehr schwache negative Druckanomalien von der Südspitze Grönlands und Neufundland bis zur marokkanischen Küste einerseits und über Nordwestrussland andererseits. Kurzum: Der atlantische Einfluss wird über weite Strecken des Monats abgeriegelt, etwas spekulativ könnte man sagen: Nach der Nordwestlage in den ersten 5-7 Tagen des Monats ist Schluss damit bis auf unbestimmte Zeit. Für den Rest dominieren Hochdruck über Mittel- und Westeuropa, was auch mal eine Nordlage beinhaltet, und wenn sich das Hoch zwischenzeitlich mal etwas nach Norden verschiebt, ist mit einer Ostlage zu rechnen (die für einige Tage um den 10. herum in den aktuellen Mittelfristmodellen gezeigt wird). Die Westwindzone (sofern man sie noch so nennen darf) verläuft im Mittel in einem hohen Bogen von Neufundland über Island und Nordskandinavien und biegt dann über Osteuropa in Richtung Schwarzmeer-Region ab.
Mangels echter Kaltluft über dem Nordosten Kontinentaleuropas (die Luftmasse ist dort aktuell 8 bis 15 Grad wärmer als zu dieser Jahreszeit üblich!) müssen wir keinen Strengwinter mehr fürchten: Gerät diese von dort herangeführte “Kaltluft” bei uns unter Hochdruckeinfluss, erwärmt sie sich bei uns, was eine in Mitteleuropa liegende Schneedecke zumindest bodennah verhindern könnte, doch eine solche ist nach der relativ milden Nordwestlage zu Monatsbeginn keine vorhanden. Das reicht dann zwar bei uns für einen winterlichen Witterungsabschnitt, aber weit davon entfernt, aussergewöhnlich genannt zu werden. Da es sich um eine kontinentale Luftmasse handelt, wird der Tagesgang zwischen frostigen Nächten und von der Sonne erwärmten Tagen recht gross sein. Diese schätzungsweise 5-7 kalten Tage ziehen den Monatsschnitt der Temperatur etwas runter, trotzdem rechnet das Modell in Mitteleuropa mit positiven Abweichungen von 2-4 Grad zur Norm 1991-2020. Man kann sich also vorstellen, wie der Rest des Monats aussehen dürfte… Die negativen Anomalien, die von der Türkei bis Nordafrika gerechnet werden, machen deutlich wohin die kalten Luftmassen aus Osten die meiste Zeit hingesteuert werden.
Unter dem dominierenden Hochdruckwetter fällt in West- und Südeuropa nur sehr wenig Niederschlag. In einem Streifen von der Nordsee bis zu den Ostalpen sollen nahezu normale Werte erreicht werden, das ist das Ergebnis der Nordwestlage in den ersten Februartagen (Anmerkung: Der Nordstau an den Ostalpen wird vom Modell wahrscheinlich etwas unterschätzt), das heisst der Rest des Monats könnte in Mitteleuropa komplett trocken verlaufen. Überdurchschnittliche Niederschläge werden von Island bis Norwegen erwartet und stellenweise in Osteuropa. Vertraut man auf diesen Modell-Lauf, wäre Urlaub auf den Kanaren in diesem Monat nicht unbedingt zu empfehlen.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Besonders die zweite Monatshälfte dürfte sich aus aktueller Sicht bereits recht frühlingshaft in weiten Teilen Europas präsentieren, was Kurzstreckenzieher in grosser Zahl frühzeitig zurückkehren lässt. Damit zerschlägt sich auch die Hoffnung, dass nordische Wintergäste noch weiter nach Süden vorstossen könnten. Wenig erfreulich sind die Aussichten in Bezug auf die flachen Gewässer, die vor allem im östlichen Mitteleuropa dringend auf Niederschläge angwiesen wären, damit sie zur Brutzeit wieder gefüllt sind. Immerhin wird die zukünftige Wasserbilanz durch die Schneefälle in den Ostalpen etwas verbessert, im westlichen und vor allem südlichen Alpenraum sieht es diesbezüglich aber düster aus, sind doch dort die aktuellen Schneehöhen schon weit unter der Norm.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur 2 Meter über Boden gegenüber der Klimanorm 1991-2020

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1991-2020
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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