Das Schlagwort “Märzwinter” hat seit einigen Tagen Hochkonjunktur – höchst willkommen bei allen Anbietern, die zwecks Werbeeinnahmen auf möglichst viele Klicks angwiesen sind. “März alter Schule” halte ich entgegen, wobei ich das schon mal auf die erste Monatshälfte einzuschränken wage. Schuld daran hat – wie so oft zu dieser Jahreszeit und in Zeiten sich stetig erwärmendem Klimas – eine massive Störung des stratosphärischen Polarwirbels, die sich in diesen Tagen allmählich nach unten durchsetzt und den März prägen wird. Das mögen die Wettermodelle gar nicht, sie reagieren mit extrem sprunghaften Prognosen und ausbaden dürfen es wir Meteorologinnen.

Den Rotmilanen ist es egal, ob der März warm oder kalt wird: Sie verlassen sich darauf, dass unsere Äcker so oder so gepflügt werden (Gürbetal, März 2021)
Man muss also wieder mal vorausschicken, dass die folgende Prognose nur eine Einschätzung dessen ist, was die Modelle in den letzten zwei Tagen gerechnet haben, und das ist so ziemlich unterschiedlich zu dem, was noch ein paar Tage zuvor gezeigt wurde – steht also ein bisschen auf wackligen Beinen. Im Grunde genommen stehen wir vor demselben Problem wie Anfang Dezember: Eine Zonalwindumkehr rund um den Nordpol mit erheblich geschwächter bzw. fast komplett zusammengebrochener Westwindzirkulation verursacht in Europa vorerst kalte Nord- bis Ostströmungen. Doch die physikalischen Gesetze sind im März nicht anders als im Dezember: Bläst es zu stark kalte Luft auf den warmen Atlantik und auf die Nordsee, wird die Tiefdrucktätigkeit dort bald wieder angekurbelt und dann stellt sich nur die Frage, wie diese Tiefs genau ziehen werden. Damit haben die Modelle mangels Antrieb in den höheren Luftschichten derzeit ihre liebe Mühe, doch genau dieser Punkt ist entscheidend dafür, ob sich die kalten Luftmassen länger oder nur vorübergehend in Europa halten können. Nach derzeitigem Stand vollzieht sich ein Wechsel um das Wochenende vom 11./12. März, somit kann man heute von einem weiteren zweigeteilten Monat ausgehen.
Somit wurde ein Modelllauf ausgewählt, der all diese Überlegungen in sich zu vereinen scheint, ein gut schweizerischer Kompromiss also wieder mal, damit fährt man in der Regel nicht schlecht ;-) Die Hochdruckanomalie im Norden ist in allen Läufen gegeben, sie erstreckt sich in unserem Fall von Ostgrönland bis Nordwestrussland und hat nur eine mässige Ausprägung, weil sie sich im Lauf des Monats auflösen soll. Dem gegenüber steht eine Tiefdruckanomalie, welche die gesamten mittleren Breiten vom Nordatlantik bis Mittel- und Südeuropa umfasst, ebenfalls gemässigt, weil nicht für den gesamten Monat vorgesehen. Die Mittelfristmodelle zeigen derzeit den typischen Ablauf: Das aktuell blockierende Hoch zieht sich von der Nordsee allmählich in Richtung Island zurück, aus der Ost- wird eine Nordlage, was bei den aktuellen Voraussetzungen mit zu warmer Nord- und Ostsee in den Niederungen nasskalter Schmuddel bedeutet. In der Folge sind zwei Entwicklungen wahrscheinlich: Entweder Tief Mitteleuropa oder eine südliche Westlage, wenn das Islandhoch südlich umlaufen wird. Mit der Auflösung des Islandhochs kann die Frontalzone dann allmählich in ihre ursprüngliche Position zurück und die Zirkulation normalisiert sich. Da wir bis dahin allerdings in der zweiten Märzhälfte stecken und der Frühling nicht für beständige Westlagen bekannt ist, kann es recht schnell in eine erneute Blockierungslage münden. Und da stellt sich die aktuell noch nicht geklärte Frage, wo das neue Blockadehoch zu liegen kommt. Da die Langfristmodelle sowohl Lösungen zeigen, die zum Schluss einen überdurchschnittlich warmen wie auch kalten März bilanzieren, ist alles möglich: Nord-, Süd- oder Ostlagen. Wer sich die unterschiedlichen Möglichkeiten nach ähnlicher Ausgangslage wie heute zu Gemüte führen möchte, schaue sich die Jahrgänge 2005, 2006 und 2018 im Wetterlagenkalender an.
Da wir uns für die Variante zweigeteilter Monat nach dem Vorbild Dezember 2022 bzw. März 2005 entschieden haben, gehen wir derzeit nach einem in Mitteleuropa ungefähr augeglichenen Monatsmittel zur Klimanorm 1991-2020 aus mit einigen Zehnteln Abweichung nach oben oder unten je nach Region. Spielt noch eine mehrtägige Südföhnphase rein, kann es inneralpin bzw. im nördlichen Alpenvorland lokal auch noch etwas weiter nach oben gehen. Kälter als die Norm werden Nord- und Nordosteuropa gerechnet, deutlich über Norm Südosteuropa und besonders der Nahe Osten sowie unter dem lange bestehenden Hoch der Raum Island-Grönland.
Beim Niederschlag ist die Sache komplexer: Die regional gezeigten Abweichungen in der Karte sollte man nicht allzu genau nehmen, vielmehr soll sie andeuten, dass in Mitteleuropa im Grossen und Ganzen ein durchschnittlich nasser März zu erwarten sein darf. Die Details hängen dann stark von der Entwicklung der zweiten Märzhälfte ab: Da unser Lauf eher die milde Variante und somit südwestliche bis südliche Anströmungen bevorzugt, soll auch die Alpensüdseite nach einer trockenen ersten Monatshälfte noch ordentlich zum Zug kommen. Relativ sicher ist eigentlich nur die trockene Region unter dem Hoch in Nordeuropa. Viele Modellläufe zeigen auch deutlich höhere Niederschläge in Südosteuropa als unser Lauf.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Zwar deutet einiges auf einen normal nassen März hin, was allerdings angesichts der vielerorts herrschenden Trockenheit und dem Schneemangel in der Westhälfte der Alpen höchstens eine Linderung bedeutet als eine Normalisierung – dafür müssten erheblich grössere Niederschlagsmengen modelliert werden. Die Gewässerstände dürften also verbreitet unter ihrer Norm bleiben, was schlechte Rastmöglichkeiten der Rückkehrer an seichten Gewässern bedeutet. Limikolen müssen also auch diesmal wieder auf Schlickflächen und Uferzonen grösserer Seen ausweichen. Was die Rückkehr der Kurzstreckenzieher betrifft, so sind die Südostzieher in der ersten Märzhälfte bevorteilt – ob sich die erhoffte günstige Lage für Südwestzieher in der zweiten Monatshälfte einstellt, muss sich angesichts der unsicheren Prognose erst zeigen.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur 2 Meter über Boden gegenüber der Klimanorm 1991-2020

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1991-2020
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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