Der Dezember ist ein typischer Übergangsmonat geworden, der den Wandel zwischen herbstlicher meridionaler Zirkulation zu winterlicher zonaler Zirkulation vollzieht – eine Rolle, die im letzten Jahrhundert noch der November inne hatte. Wobei das ein Widerspruch ist, denn wenn die anfangs meridionale Zirkulation in Europa auf nördliche Strömungen gepolt ist wie aktuell, dann vollzieht sich in der Wahrnehmung im Dezember ein Wandel von winterlichem zu herbstlichem Wetter: Westlagen bringen vermehrt milde Luftmassen, steigende Schneefallgrenzen und viel Wind. In den letzten Jahren hat es nicht selten gleich auf Südwest gedreht, diesmal stehen die Zeichen eher auf Nordwest: Schneefreunde dürfen sich vor allem in erhöhten Lagen der Alpennordseite freuen, im Flachland bleibt das eher eine schmuddelige Sache und die Südseite geht nahezu leer aus.
Wenn das CFS-Modell wie ein Kuhschwanz von einem Extrem ins andere pendelt und das EZ-Modell die positive Nordatlantische Oszillation immer wieder nach hinten verschiebt, dann ist 2021 und die Meteorologin besonders gefordert. Man kann sich in einem solchen Fall anhand der Ausgangslage und der statistischen Entwicklung der letzten Jahre ein Szenario zusammenbasteln – und sich dann auf die Suche nach jenem CFS-Lauf machen, der dieser Vorstellung am nähesten kommt. Warum sollte es nicht so laufen, wie im letzten Jahrzehnt so oft? Der Winter startet in Skandinavien fulminant und schickt erste Grüsse nach Mitteleuropa, doch dann verlagert sich die arktische Kaltluftmasse zunehmend nach Nordamerika und wirft die Atlantikdüse an. Im Verlauf des Dezembers ist die Kaltluft in Skandinavien dann weggepustet und alles geht seinen gewohnten Gang in Richtung Mildwinter – fragt sich nur, wie stark der Block des Russlandhochs dagegen halten kann. Mitteleuropa wird zur Kampfzone zwischen milder Atlantikluft aus Westen und kontinentaler Polarluft aus Osten.
Der zu unserer Idealvorstellung zwar nicht perfekt, aber zumindest annähernd passende Lauf zeigt eine Hochdruckanomalie über dem Ostatlantik mit Aufbuckelungstendenzen nach Norden. Ein blockierendes Hoch liegt über Westrussland, dazwischen eine sich von Island über Mittel- nach Südosteuropa erstreckende Rinne, wo die Tiefdruckanomalie am stärksten ausgeprägt ist. Dieses Muster kommt durch eine starke Austrogung über Mittel- und Osteuropa zu Beginn des Monats zustande, während sich die Verhältnisse über dem Nordatlantik (starkes Islandtief und starkes Azorenhoch) zur Monatsmitte normalisieren sollen und eine etwas mildere Westwindphase bringen (vorgezogenes Weihnachtstauwetter). Das letzte Monatsdrittel soll laut dem europäischen Modell eher hochdruckbestimmt verlaufen, also entweder Hoch Mitteleuropa oder eine Hochdruckbrücke mit einem Schwerpunkt eher über dem nördlichen Mitteleuropa auf der Achse Britische Inseln bis Ostsee, die Alpen somit wahrscheinlich in einer östlichen Anströmung. Das Problem dabei, und daher wohl das Gewackel der Modelle: Rutscht das Hoch zu sehr nach Norden, ist einem markanten Kaltlufteinbruch aus Nordost Tür und Tor geöffnet, diese Option ist also durchaus auf der Menükarte enthalten.
Die Karte mit der Temperaturabweichung zeigt den Kampf zwischen mildem Westen und kalten Osten recht eindrücklich – wer gewinnen wird bleibt offen. Im Idealfall kommt für Mitteleuropa ungefähr ein normal temperierter Monat heraus, in dem sich kältere und mildere Phasen in etwa ausgleichen. Das Schwarze Meer liegt auf der Vorderseite des Troges im ersten Monatsdrittel und somit für längere Zeit in einer milden Südströmung, was die hohen Abweichungen nach oben in dieser Region erklärt. Die tiefrote Zone am nördlichen Rand der Karte bringen wir nicht mehr weg, die ist inzwischen mehr oder weniger fix und eine Folge des arg geschrumpfen Arktis-Eises.
Mitteleuropa erlebt nördlich des Alpenbogens einen nassen Dezember, wobei der Grossteil des Niederschlags im ersten Monatsdrittel unter dem Einfluss der Nordwestlage fallen soll. Das bedeutet eine ordentliche Ladung Schnee in höheren Lagen, der für eine Weile reichen dürfte: Jahreszeitliche Höchststände liegen hier durchaus drin. Ganz anders südlich des Alpenhauptkamms: Mangels Südwest- und Südlagen bleibt es hier weitgehend trocken.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Der ausserordentliche Neuschneezuwachs in den Nordalpen bringt uns die Gebirgsvögel in die Täler, wo sie auch eine Weile bleiben dürften. Die Entwicklung in Skandinavien ist spannend: Ist die Einwinterung hier nachhaltig genug, um grössere Winterfluchten nach Mitteleuropa auszulösen, oder kommt die Milderung zur Monatsmitte gerade rechtzeitig, damit sich die Vögel dort doch noch wohlfühlen? Entscheidend wird für die Wasservögel sein, ob die Kälte ausreicht um Teile der Ostsee bereits jetzt zufrieren zu lassen. Bei den Singvögeln ist hingegen weniger das aktuelle Wetter als die Nahrungsverfügbarkeit aus der vergangenen Vegetationsperiode entscheidend.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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