November, wie jeder Herbstmonat eine Wundertüte. Oft finden erste Versuche statt, eine Winterzirkulation mit strammer Westströmung auf dem Nordatlantik zu installieren. Dies gelingt aber aufgrund der abnehmenden Arktis-Eisausdehnung immer seltener, die Temperaturgegensätze sind zu schwach für den Antrieb starker Tiefdruckbildung. Und so stellen sich immer häufiger kaum enden wollende Blockadelagen über Europa ein – statistisch inzwischen eindeutig nachweisbar. In diesem Sommer ist etwas weniger Arktis-Eis weggeschmolzen als in den letzten Jahren: Mal schauen, ob das was ändert…

Je länger der November mild bleibt, umso wahrscheinlicher werden die Versuche von Kurzstreckenziehern, bei uns zu überwintern (Hausrotschwanz in den Waadtländer Alpen auf 1400 m.ü.M., Mitte November 2012)
Die Auswahl an verschiedenen möglichen Szenarien anhand des Langfristmodells CFS für den November ist derzeit abenteuerlich. Somit sei vorweggenommen, dass die Prognose für den Gesamtmonat äusserst unsicher ist – keine aussergewöhnliche Situation im Herbst. Klar ist der Verlauf für das erste Monatsdrittel mit Trog Mitteleuropa zu Beginn und anschliessender Hochdruckbrücke zum ersten Wochenende, was einen nass-kühlen Start bedeutet. Danach ist vieles möglich: Teils werden von Lauf zu Lauf, also alle 6 Stunden, genau gegensätzliche Szenarien gerechnet. Eine Blockadelage ist nahezu sicher, fraglich ist nur, wo das blockierende Hoch zu liegen kommt: Östlich oder westlich von uns oder genau über Mitteleuropa? Da ist es sinnvoll, den aktuellsten Lauf zu verwenden, zumal dieser eine Variante aufgreift, die bereits vor einigen Tagen mehrmals gezeigt wurde.
Der von uns präferierte Lauf zeigt über den gesamten Monat gemittelt ein Viererdruckfeld: Eine starke Tiefdruckanomalie über Island steht einer starken Hochdruckanomalie über Nordosteuropa gegenüber. Genau andersrum ist es im Süden: Das Azorenhoch wird stärker gerechnet als normal, über dem Mittelmeer wird hingegen eine schwache Tiefdruckanomalie gezeigt. Aus dieser Konstellation resultiert eine starke Westströmung über dem Atlantik, die jedoch über Europa häufig geblockt wird und entweder nach Norden ausweichen muss (Winkelwestlage oder Südlage), oder ins Mittelmeer austrogt (Trog West- bis Mitteleuropa, also je nach Position für uns Süd- oder Nordlage, woraus sich die eingangs erwähnte Unsicherheit ergibt). Nach dem Abtropfen von Tiefs ins Mittelmeer kann sich leicht eine Brücke zwischen Azoren- und Russlandhoch schliessen und für einige Tage stabiles Hochdruckwetter in Mitteleuropa sorgen – die Frage ist wie oft und für wie lange.
Die Temperaturabweichung ist für Nord- und Nordosteuropa eindeutig: Hier wird der November durchs Band deutlich zu mild gerechnet mit Abweichungen von 3-6 Grad. Für Mitteleuropa dürfte irgendwas bei +1 bis +2 Grad gegenüber dem langjährigen Mittel herauskommen, wahrscheinlich abhängig davon ob eher Hochdrucklagen mit Inversionen dominieren oder doch hin und wieder eine milde Westströmung durchgreift. In der Höhe ist eine deutlich positive Abweichung aber sehr wahrscheinlich. Zu kühl wird der November wahrscheinlich in Südwesteuropa als Folge der abtropfenden Tiefs, logisch ist bei dieser Konstellation auch ein deutlich zu kaltes Grönland auf der Rückseite des kräftigen Islandtiefs.
Niederschlag fällt in weiten Teilen Mitteleuropas wahrscheinlich spärlich mit Ausnahme des erweiterten Alpenraums, wozu auch der Schwarzwald und das nördliche Alpenvorland gehören. Hier geht der gerechnete Niederschlagsüberschuss wahrscheinlich fast vollständig auf die Rechung der Nordstaulage in der ersten Novemberwoche. Gut möglich also, dass es für den Rest des Monats auch im nördlichen Alpenraum über weite Strecken trocken bleibt. Hingegen zeichnet sich auf der Alpensüdseite ein deutlicher Niederschlagsüberschuss ab, was wiederum auf öfters auftretende Südföhnlagen im zweiten und dritten Monatsdrittel hinweist.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Ein frühzeitiger und nachhaltiger Wintereinbruch ist weit und breit nicht in Sicht. Zwar schneit es in der ersten Novemberwoche die höheren Mittelgebirgslagen mal kurz ein – ob danach aber noch was folgt, ist fraglich. Fluchten von Gebirgsvögeln in die Täler dürften also nur ein vorübergehendes Phänomen sein. Kein Grund zur Eile, uns zu besuchen, haben hingegen nordische Arten. Keine Entspannung ist in den Trockenheitsgebieten im Flachland des östlichen Mitteleuropa in Sicht: Flache Gewässer bleiben trocken und fallen als Rastplätze für ziehende Vögel weg. Diese tauchen dafür vermehrt an den Flachwasserzonen grösserer Seen auf.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur 2 m über Boden gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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