Wäre der Monat April ein Vogel, so wäre er wahrscheinlich ein Wendehals. Zwar gab es in jüngster Vergangenheit immer wieder Exemplare, die den Wonnemonat voraus nahmen, wie etwa 2007, 2009, 2011 und 2014. Kein anderer Monat hat gegenüber dem langjährigen Klimamittel in letzter Zeit eine so starke Erwärmung hingelegt wie der April. Und dennoch bleibt er der unberechenbarste, sprich launigste Monat im Jahresverlauf, wie das Beispiel 2013 eindrücklich gezeigt hat. Spätwinterliche Phasen können sich sehr rasch mit den ersten frühsommerlichen Tagen abwechseln. Der Trend für den April 2015 zeigt in eine ähnliche Richtung.

Auch in einem garstigen April wie hier 2013 bei Familie Haubenmeise im Berner Jura wird fleissig gezimmert
Wie im Frühjahr üblich, zeigen die Langfristmodelle auch jetzt eine breite Spanne an Möglichkeiten für den kommenden Monat. Alle 6 Stunden wird eine neue Variante gerechnet und unsere Aufgabe ist es auch diesmal, mithilfe einer gesunden Mischung aus Erfahrung und Bauchgefühl die richtige Lösung zu erraten. Wie schon im März muss man daher auch diesmal vorausschicken, dass mit Überraschungen im Monatsverlauf zu rechnen ist.
Zunächst einmal schauen wir uns die steuernden Druckgebilde in rund 5500 m Höhe über den Monat gemittelt an: Das in den letzten Monaten kräftige Azorenhoch wird durch häufige Austrogungen vor der US-Ostküste nach Nordosten abgedrängt und kommt somit häufig im Bereich Britische Inseln bis Nordsee zu liegen. Eine starke positive Druckanomalie von Grönland bis Spitzbergen verrät uns, dass die Westwinddrift so gut wie zum Erliegen kommt. Dem gegenüber steht eine negative Druckanomalie über Osteuropa. Bei dieser Konstellation überwiegen in Mitteleuropa die Grosswettertypen Nord und Nordwest, wobei zwischenzeitlich das Hoch auch mal bis zu uns rutschen kann. Westlagen sind selten, ebenso dürften Ost- und Südlagen jeweils nur kurze Gastspiele geben und allenfalls in der zweiten Monatshälfte eine Rolle spielen. Es kann somit nicht verwundern, dass der April 2015 gegenüber dem Klimamittel 1981-2010 in weiten Teilen Europas zu kühl ausfallen soll. Der Kältepol wird mit einer Abweichung von bis zu -2 Grad im östlichen Mitteleuropa gerechnet, im Westen sind es -0.5 bis -1 Grad. Positive Temperaturabweichungen sind nur in Skandinavien sowie im äussersten Süden Europas zu erwarten. Bedingt durch die Hochdrucklage im Westen und Tiefdruck im Osten entsteht auch beim Niederschlag ein deutliches West-Ost-Gefälle: Während Westeuropa einen eher trockenen Monat erwarten kann, fällt im Osten etwas mehr Niederschlag als üblich, insbesondere in den Ostalpen. Der Mittelmeerraum wird mit Ausnahme der Iberischen Halbinsel sehr trocken gerechnet.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Der häufige Gegenwind dürfte dazu beitragen, dass einige Arten etwas verspätet in Mittel- und Nordeuropa eintreffen. Die Heimkehr der Vögel dürfte zudem in starken Wellen erfolgen, da jeweils die wenigen günstigen Tage stark genutzt werden, während es dazwischen mit Kaltlufteinbrüchen immer wieder zu Zugstau kommt. Dies dürfte im Osten ausgeprägter der Fall sein als im Westen. Die nass-kalten Verhältnisse sorgen vor allem in den Ostalpen für eine lang anhaltende Schneedecke, somit werden viele Alpenbewohner eher später zur Brut schreiten als üblich.

Abweichung der Monatsmitteltemperatur gegenüber dem Klimamittel 1981-2010 am Boden

Abweichung der Niederschlagssumme gegenüber dem Klimamittel 1981-2010 (rot = nasser, blau = trockener als im Schnitt)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.