Der bisherige Winter verlief in Europa sehr mild, insbesondere im nördlichen und östlichen Mitteleuropa beträgt der Wärmeüberschuss der ersten Winterhälfte (Dezember und erste Januarhälfte) bis zu 5 Grad. Selbst der Süden Skandinaviens, das Baltikum und weite Teile Westrusslands bis zum Ural wiesen bisher kaum eine Schneedecke auf. Verantwortlich für diese Situation waren die lang anhaltenden West- bis Südwestlagen, wobei Luftmassen aus dem subtropischen Atlantik und vom Mittelmeer weite Teile Europas beherrscht hatten. Dies ändert sich nun in diesen Tagen, der Winter hat mittlerweile Nordosteuropa fest im Griff und versucht einen Vorstoss nach Mitteleuropa – mit ungewissem Ausgang.
Abweichung der Durchschnittstemperatur vom 01.12.2013 bis 18.01.2014 zum Klimamittel 1981-2010
Die Karte der Schneebedeckung vom 20. Januar zeigt ein abseits der Alpen schneefreies Mittel- und Westeuropa, auch ist die Ostsee bis auf die äussersten nördlichen und östlichsten Buchten noch völlig eisfrei. Von Südschweden über das Baltikum und Polen bis zur nördlichen Ukraine ist in den letzten Tagen erstmals nennenswerter Schnee gefallen, diese Neuschneedecke ist ein wichtiger Bestandteil für den weiteren Verlauf des Winters. Denn über einer Schneedecke ist die Kaltluftproduktion am Boden durch die nächtliche Auskühlung um ein Vielfaches effizienter als über aperen Flächen. Somit kann sich erstmals in diesem Winter über Osteuropa ein Kaltluftreservoir bilden, womit auch die Möglichkeit einer winterlichen Witterungsphase in Mitteleuropa ansteigt.
Die Vogelwelt hat bereits auf diese Änderung reagiert: Kurz- und Teilstreckenzieher, welche im bisher milden Winter keinen Grund für ein Ausweichen nach Süden vorfanden, sind nun auf dem Weg in wärmere Regionen. Grund dafür ist das bei Dauerfrost nun rasche Zufrieren von seichten Binnengewässern und die erschwerte Nahrungssuche durch die neue Schneedecke. Besonders auffällig war in den letzten Tagen eine weitere Welle ziehender Kraniche. Doch wie sieht es für die Vogelwelt in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus? Hier waren in den letzten Tagen ja vermehrt Singvögel in Balzlaune anzutreffen, und es harrten immer noch Zugvögel wie Zilpzalp und Mönchsgrasmücke der Dinge, die da kommen mögen. Auch sie werden in den nächsten Tagen wohl etwas ausweichen müssen, die Frage ist nur, wie weit?
Die aktuelle Wetterlage ist geprägt von vier mächtigen Druckzentren: Das Azorenhoch und das Islandtief sind in diesem Winter sehr kräftig ausgeprägt und zeigen nach wie vor keine Schwäche, womit die Westströmung über dem Atlantik auch mittelfristig erhalten bleiben dürfte. Die Gegenspieler im Osten rüsten jedoch derzeit mächtig auf: Einerseits das Kältehoch über Nordwestrussland und Skandinavien, das sich in den nächsten Tagen bis zu einem Kerndruck von über 1040 hPa aufplustert, andererseits ein Tiefdruckgebiet über dem Mittelmeer. Zwischen diesen beiden Druckgebilden hat sich eine Ostströmung eingestellt, welche nun kontinentale Polarluft in Richtung Mitteleuropa verfrachtet. Wir geraten somit in die Kampfzone zwischen milder West- und kalter Ostströmung, wie die folgende Prognosekarte für den kommenden Sonntag aufzeigt:
Mitteleuropa befindet sich dabei in einer so genannten Sattellage. Eingeklemmt zwischen den vier steuernden Druckzentren prallen hier die unterschiedlichen Luftmassen am Boden aufeinander. Durch das Auseinanderfliessen der Luftströmungen am Boden entsteht hier ein leichter Unterdruck und Luft aus der Höhe sinkt ab, was die Auflösung von allfälligen Fronten zur Folge hat. Dieser “Frontenfriedhof” in Mitteleuropa ist für den Winter nicht untypisch und bewirkt relativ unspektakuläres “Gammelwetter” mit knappen Plusgraden tagsüber, leichten Nachtfrösten und viel Feuchtigkeit in Form von Nebel, Wolken und gelegentlich schwachem Niederschlag, der bei gleichbleibender Situation allerdings nur oberhalb von rund 500 m zur Ausbildung einer dünnen Schneedecke führen dürfte. Spannend kann es bezüglich ergiebigeren Schneefällen einzig im Südosten Europas bis ungefähr zum Alpenostrand werden, wo warm-feuchte Mittelmeerluft des südlichen Tiefs auf die kalte Kontinentalluft am Boden aufgleitet.
Fraglich ist bei dieser Konstellation, wie lange die Situation erhalten bleibt. Bei ungefährem Gleichstand der Gegenspieler kann diese Pattsituation mit kalter Luft im Osten (die Dauerfrostgrenze bildet ungefähr die Elbe) und milder Luft im Westen lange Bestand haben. Verstärkt sich aber nur einer der vier Druckzentren oder schwächt sich bedeutend ab, gerät dieses Gleichgewicht aus den Fugen. Mal kann sich die kalte, mal die milde Luft etwas besser durchsetzen. Die Erfahrung zeigt dabei, dass da wo sich die schwerere Kaltluft am Boden mal festgesetzt hat, sie sich nur sehr schwer wieder verdrängen lässt, Warmluft gleitet dann häufig darüber auf und erst mit deutlich steigendem Sonnenstand erwärmt sich eine solche Kaltluftblase sehr zögerlich (das Frühjahr 2013 lässt grüssen!).
Entsprechend tun sich die Wettermodelle derzeit bereits für den Zeitraum ab dem kommenden Wochenende (25./26. Januar) schwer, die weitere Entwicklung abzubilden. In allen Regionen Europas (sowohl NW, NE, SW und SE) zeigen die Temperaturprognosen für die Luftmasse in rund 1400 m Höhe in den verschiedenen Läufen für den Monatswechsel eine Spanne von 15 bis 20 Grad, wobei die grösste Unsicherheit gerade im derzeit kalten Osten besteht. Es ist daher zum jetzigen Zeitpunkt müssig, sich über den weiteren Winterverlauf in Mitteleuropa den Kopf zerbrechen zu wollen. Wetterportalen und Medien, die bereits jetzt zu wissen vorgeben, wie der Februar wird, darf man getrost mit einer gesunden Portion Skepsis begegnen. Beim Wetterlagenkalender von orniwetter.info werden Sie aber garantiert aufdatiert, sobald eine halbwegs verlässliche Aussage möglich erscheint.