Bereits seit 2014 gibt es die Birderwetter-Monatsprognose, zunächst ein Jahr lang als Pilotversuch nur auf dem (heute nicht mehr aktiven) Facebook-Account, ab März 2015 ununterbrochen auf diesem Blog veröffentlicht. Obwohl stets deutlich als experimentelles Projekt deklariert, erfreute sich die Monatsprognose stets einer beachtlichen Leserzahl, was eine Fortführung eigentlich wünschenswert macht. Leider ist uns im März die einzige Quelle für die Einzelläufe des Langfrist-Modells CFS abhanden gekommen und es lässt sich kein adäquater Ersatz finden. Unter diesen Umständen ist die Qualität der Prognosen derart beeinträchtigt, dass eine Fortsetzung dieser Arbeit in Frage gestellt ist.
Die Prognosen des amerikanischen Langfristmodells CFS werden vier Mal täglich gerechnet und zwar für die kommenden sechs Monate – wobei uns nur der erste Monat interessiert, der Rest ist wahrhaftige Glaskugel-Leserei. Die letzten Jahre waren für unsere Prognosen stets diese Karten im Einsatz:
Gezeigt wird die gerechnete Abweichung vom langjährigen Mittel als Einzellauf. Für unsere Monatsprognose haben wir jeweils die aktuellsten zehn Läufe (bei grosser Unsicherheit auch noch mehr) zu Rate gezogen und uns für den plausibelsten entschieden. Dabei wurden Erfahrungen aus Witterungsverläufen früherer Jahre in Kombination mit Meerwasser-Temperaturen, Schneebedeckung, Bodenfeuchte und somit Vegetetationszustand, statistischer Häufigkeit von Grosswetterlagen in besagtem Monat und Konsistenz der einzelnen Modellrechnungen berücksichtigt. Diese Einzellauf-Karten gibt es nicht mehr, seit das Datencenter in Strassburg, in dem der Anbieter meteociel.fr seine Server stehen hatte, Mitte März abgebrannt ist. Besonders fatal: Weder das Datencenter noch meteociel selbst hatten ihr Datenarchiv an einem separaten Ort gesichert, womit viele Daten unwiederbringlich verloren sind. Dies gilt offensichtlich auch für das Programm, das diese Karten erstellt hat. Ob sie jeweils wieder angeboten werden, ist auch nach vier Monaten immer noch nicht klar.
Wir haben uns seit April mit diesen Karten beholfen, hier der aktuellste Lauf für Juli 2021:
Auch diese Karten werden vier Mal täglich gerechnet, zeigen aber nicht den Einzellauf, sondern das Mittel der aktuellsten zwölf Einzelläufe, also der letzten drei Tage. Von einem Lauf zum nächsten sind jeweils nur kleine Veränderungen ersichtlich, weil der aktuellste Einzellauf nur ein Gewicht von 8.33 % hat. Man kann somit nur vage Trends bei den Veränderungen der einfliessenden Einzelläufe erahnen. Ob das Modell seit vielleicht drei oder vier Läufen konsequent eine neue Situation rechnet oder einfach nur wild herumhüpft, ist nicht ersichtlich. Damit kann man nicht wirklich seriös arbeiten – ein Vergleich mit Prognosen für die Mittelfrist drängt sich auf:
Um die Zuverlässigkeit eines Modells in der Mittelfrist einschätzen zu können, bedienen wir Meteorologen uns dieser Ensemble-Rauchfahnen. In der oberen Diagrammhälfte ist der zu erwartende Verlauf der Temperatur in rund 1500 m Höhe dargestellt (Skala am linken Rand), in der unteren Hälfte die prognostizierten 6-stündigen Regenmengen (Skala am rechten Rand). Die Ausgangslage wird 32 Mal leicht verändert und deren Auswirkung auf die nächsten zwei Wochen gerechnet, das sind die bunten Linien. Die dicke rote Linie zeigt das Klimamittel 1981-2010, die dicke weisse Linie ist das Mittel aller Member. In einer Woche, also am 7. Juli, werden die Temperaturen in einem Bereich von 4 bis 27 Grad gerechnet, das Mittel liegt bei 13 Grad. In diesem Fall sagt uns das Mittel überhaupt nichts, wenn wir uns alle bunten Linien wegdenken. Niemand würde auf dieser Basis eine Prognose von 13 Grad (am Boden in Bern bei Sonnenschein ca. 25 Grad Tageshöchsttemperatur) als sicher verkaufen wollen, denn die Mehrheit der Einzelmember liegt in einem Cluster unterhalb des Mittels. Genau so verhält es sich aber derzeit mit unseren Monatsprognosen: Wir sehen statt des Gesamtbildes nur die dicke weisse Linie und ihr Verhältnis zur dicken roten Linie. Wir haben keine Möglichkeit einzuordnen, ob es eine Clusterung zu wärmeren oder kühleren Lösungen gibt und wie viele Ausreisser unter den Einzelläufen dabei sind.
Unter diesen Umständen ist es wenig sinnvoll, die Monatsprognosen auf dieser Basis weiterzuführen. Weder liegt es in unserem Interesse, uns zum Affen zu machen noch unsere Leserschaft zu veräppeln. Wie also weiter? In den nächsten Tagen geht von uns eine Anfrage an meteociel.fr, ob eine Wiederaufnahme der Karten auf Basis der Einzelläufe geplant ist. Falls nicht, stehen folgende Optionen zur Verfügung: Wir lassen das Projekt in Ruhe sterben (schlechteste Variante). Oder aber, wir versuchen meteociel mit finanziellen Anreizen dazu zu bewegen, die Karten noch mal neu zu programmieren. Oder es findet sich unter unserer Leserschaft ein fähiger Programmierer, der uns die Karten zu einem Freundschaftspreis wie im gewohnten Rahmen bastelt (die Rohdaten sind bei der NOAA frei erhältlich) und jemand, der einen Server zur Verfügung stellt, um das täglich vier Mal rechnen zu lassen. Da dies alles nicht kostenlos zu haben ist, werden wir einen grossen Teil der uns in den letzten Jahren zugekommenen Spenden dafür aufwenden müssen, aber wir denken, dass es dies wert sein dürfte.
Als Ersatz für die übliche Monatsprognose für den Juli (und die erste Augusthälfte) empfehlen wir die Lektüre der Hochsommer-Prognose auf Basis der Siebenschläfer-Regel auf unserem Partnerblog fotometeo.ch. Und dann hoffen wir, dass wir bis zum Herbstzug eine neue Lösung gefunden haben…
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Microwave am 2. Juli 2021 um 12:51 Uhr
Hoi Fabienne, mühsam/schade das mit den fehlenden Karten.
Ich hoffe echt noch auf ein Happy End hier!
Johannes am 4. Juli 2021 um 10:05 Uhr
Hi Fabienne,
Deine Monatsprognosen sind ein echtes Highlight und dürfen auf keinen Fall „sterben“. Schade, dass es keine praktikable Übergangslösung für den Sommer gibt (z.B. EZ-Clustering). Ich fände Updates zur weiteren Entwicklung in der warmen Jahreszeit hochinteressant!
Kurt Nadler am 3. November 2021 um 22:42 Uhr
Liebe Fabienne!
Ich komme in einem außerordentlich arbeitsreichen Jahr langsam wieder in den “Wintermodus” und staune nach einer (meiner!) ausnahmsweisen mehrmonatigen Abwesenheit von Deiner Internetseite nicht schlecht, dass ich quasi nix versäumt habe! Umso schöner, dass Dein super Projekt wieder weitergeführt werden kann!! … und ich mich schon auf den anstehenden Oktoberbericht freuen kann.
Mit besten Grüßen
Kurt
Kurt Nadler am 6. November 2021 um 22:42 Uhr
(mit nix meine ich natürlich die monatsprognosen!)