Tropische Wirbelstürme sind nicht nur für Menschen gefährlich, auch die Natur wird arg gebeutelt. Eine treue Blogleserin hat mich auf einen Artikel in amerikanischen Medien aufmerksam gemacht, wonach Vögel im Auge von Hurrikan “Matthew” gefangen sein sollen und gefragt, ob dies möglich sei. In der Tat kommt das gelegentlich vor und die Daten von Radarbildern lassen keinen anderen Schluss zu. Die Recherchen haben ergeben, dass es sich hierbei bereits um den zweiten dokumentierten Fall in der aktuellen Hurrikan-Saison handelt.

Satelliten-Komposit vom 06.10.2016 mit den Hurricanes Matthew (links) und Nicole (Quelle und interaktive Karte: NASA)
Die mittlerweile recht gute Radartechnik zur Überwachung von Niederschlagsereignissen zeigt mitunter auch Signale, die von Meteorologen als “Störechos” bezeichnet werden, für Ornithologen aber von höchstem Interesse sein können. Nicht nur der Niederschlag in Form von Regen, Schnee und Hagel reflektiert nämlich die Radarstrahlen, sondern auch grössere Vogel- und sogar Insektenschwärme werden je nach Einstellung der Instrumente sichtbar. In den USA sind – anders als in Europa, wo nur die von den Wetterdiensten bereinigten Daten an die Öffentlichkeit gelangen – die Rohdaten des Niederschlagsradars frei empfänglich und können entsprechend ausgewertet werden. Ein solches Rohbild zeigt die Vogelschwärme im sonst wolken- und niederschlagsfreien Auge von Hurrikan Matthew am Freitagmorgen, 7. Oktober 2016 vor der Küste Floridas:

Das Radar-Rohbild ermöglicht die Visualisierung nicht-meteorologischer Signale (Quelle: weather.com)
Glenn Burns, ein Meteorologe des Fernsehkanals WSB-TV in Atlanta hat das anhand eines Radarloops erklärt:
Hier wird der riesige Vogelschwarm am Rand des Auges besonders gut sichtbar. Die Vögel suchen sich im Sturm eine ruhigere Zone und gelangen so zwangsläufig ins Auge des Hurrikans, wo nicht nur der Himmel frei von Wolken ist, sondern auch eine nahezu windstille Zone vorherrscht. Jeglicher Versuch, die Mauer, die sogenannte Eyewall mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 230 km/h zu durchbrechen, ist zum Scheitern verurteilt. Einmal im Auge des Hurrikans eingeschlossen, bleibt den Vögeln nichts anderes übrig als abzuwarten, bis sich der Sturm so weit abgeschwächt hat, dass sich das Auge schliesst und der Weg nach draussen frei wird. Im günstigsten Fall geschieht dies relativ rasch wie am 1. September 2016 beim Hurrikan der Kategorie 1 “Hermine”, der vom Golf von Mexiko in Nordflorida an Land ging und sich rasch in ein aussertropisches Tief umwandelte. Damals wurden weit im Landesinneren viele Seevögel, insbesondere Seeschwalben aller Art gesichtet.
Bei Matthew ist der Verlauf des Sturms leider nicht so günstig, da er zwar der Küste entlang zieht, sein Zentrum jedoch über dem offenen Meer verbleibt:

Quelle: wunderground.com
Für Zugvögel, insbesondere Singvögel die über der Karibik in den Sturm geraten sind, endet diese Odyssee wahrscheinlich fatal. Die Energiereserven dürften kaum für einen mehrtägigen Flug im Auge des Sturms ohne Landemöglichkeiten und Nahrungsaufnahme ausreichen. Ausdauernde und kräftige Flieger wie Möwen, Fregattvögel und Seeschwalben, die sich auch auf hoher See ernähren können, dürften hingegen die unfreiwillige Verfrachtung nach Norden grösstenteils überstehen und den Weg nach Hause wieder finden. Dass diese Vögel durch den Sturm auf seinem möglichen Weg über den Atlantik gar in Europa landen, ist eher unwahrscheinlich, zeigen doch die meisten Modelle, dass er sich mitten über dem Atlantik auflösen soll:
Aufpassen müssen die verfrachteten Vögel allerdings, dass sie auf ihrem Weg zurück in ihre angestammten Gebiete nicht gleich in den nächsten Hurrikan geraten: Auf dem Weg lauert nämlich der immer noch gesunde Tropensturm “Nicole”, der sich in den nächsten Stunden zu einem Hurrikan der Kategorie 2 (Windgeschwindigkeiten bis 160 km/h) verstärken dürfte.
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