Und schon wieder gilt es Abschied zu nehmen… Wer in einem Gebiet mit Mauersegler-Kolonien wohnt, kennt diese alljährlich Ende Juli bis Anfang August von einem Abend auf den nächsten auftretende gespenstische Stille nur allzu gut. Wo noch am Abend zuvor quirliges Leben der Flugakrobaten vorherrschte und die schrillen Rufe der vorbeiflitzenden Vögel die Luft erfüllte, ist schlagartig Ruhe. Als ob alle Mauersegler wie auf Kommando ihr Revier geräumt hätten. Tatsächlich ist dies sehr häufig der Fall, im südlichen Mitteleuropa meist um den 25. Juli (plus/minus zwei Tage) herum. Zurück bleiben in der Regel nur noch einzelne Brutpaare, die Nachzügler zu füttern haben. Werden in den ersten Augustwochen grössere Schwärme von Mauerseglern gesehen, sind dies meist Vögel auf dem Zug aus den Brutgebieten weiter nördlich, wo aufgrund des späteren Eintreffens im Frühling die Brutzeit etwas verschoben ist und die Jungen ein wenig später flügge werden.

Mauersegler zu Beginn der Brutzeit am 23.05.2017
Diese auffällige Räumung der Brutgebiete auf einen Schlag findet mit verblüffender Regelmässigkeit zu denselben Kalendertagen statt. Fast alle eigenen Beobachtungen in Wien und Bern zeigen eine Häufung des Wegzugs um den 25. Juli. Ein derart verlässliches Datum lässt auf genetische Steuerung des Wegzugs schliessen, doch es gibt Jahre mit Auffälligkeiten, die anhand der Witterung erklärt werden können. Meist sind es markante Schlechtwettereinbrüche, welche einen Teil der Mauersegler bereits vor dem 25. Juli aufbrechen lassen. Oder aber es gibt im Sommer längere Kälte- und Schlechtwetterphasen mit geringem Insektenangebot, was die Entwicklung der Jungvögel verzögert. In solchen Jahren kann der Wegzug der Mauersegler über mehrere Wochen hinweg bis in den August hinein gestaffelt erfolgen. Diese Zusammenhänge wollen wir anhand der Meldedaten von ornitho.ch und dem orniwetter.info-Wetterlagenkalender aufzeigen.
Widmen wir uns zuerst den “Normaljahren” 2013 bis 2015 mit pünktlichem Wegzug:
2013
Der rekordkalte und nasse Frühling 2013 hatte auf die Mauersegler anders als auf früher eintreffende Zugvögel keinen Einfluss, das Brutgeschäft begann normal in der zweiten Maihälfte, die Jungen schlüpfen erst nach der Schlechtwetterphase von Ende Mai bis Anfang Juni bei günstigen Witterungsbedingungen. Die einwöchige Kältephase Ende Juni bleibt die einzige während der Nestlingszeit, der Hochsommer zeigt sich danach von der sehr stabilen Seite mit nur vereinzelten Regentagen. Die ersten grossen Ansammlungen zugbereiter Vögel werden pünktlich am 25. Juli gemeldet, eine zweite Welle folgt am 30. Juli.
2014
Nach einem sehr heissen Junistart zeigt sich der Hochsommer 2014 im südlichen Mitteleuropa ausgesprochen wechselhaft und sehr nass. Längere kalte Phasen, in denen die Jungvögel in die Kältestarre verfallen, gibt es allerdings kaum. Somit dürfte die Entwicklung der Brut zwar unter zeitweiligem Nahrungsmangel gestanden haben, über die gesamte Zeit gesehen aber ungefähr normal verlaufen sein. Erste auffällige Ansammlungen zugbereiter Schwärme werden am 24. Juli gemeldet, eine zweite Welle folgt am 3. August. Man erkennt auch sehr gut, wie ein Wettersturz am 14. August eine weitere Zugwelle aus dem Norden vor sich hertreibt.
2015
Der Sommer 2015 war nach dem Hitzesommer 2003 im südlichen Mitteleuropa der zweitheisseste seit Beginn der modernen Wetteraufzeichnungen. Einzig um den 20. Juni herum gab es eine Woche mit nass-kühler Witterung, danach war es ausserordentlich trocken mit wiederkehrenden, sehr heissen Tagen von über 35 Grad. Das Nahrungsangebot dürfte gut gewesen sein, bei extrem heisser Witterung suchen allerdings viele Jungvögel Abkühlung und fallen aus dem Nest. Die insgesamt tieferen Beobachtungszahlen gegenüber den beiden Vorjahren könnten auf diese Verluste zurückzuführen sein. Erneut sammelten sich die Kolonien am 25. Juli für den Wegzug. Der Spitzenzugtag am 10. August dürfte auf Vögel aus dem nördlichen Mitteleuropa zurückgehen, wo der Sommer weitaus wechselhafter mit nur kurzen Hitzewellen verlief.
Besonders interessant sind Jahre, in welchen der Wegzug vom üblichen Termin um den 25. Juli abweicht. Hier muss nach witterungsbedingten Ursachen geforscht werden:
2012
Der Sommer 2012 war durch ein temperaturmässig starkes Südost-Nordwest-Gefälle geprägt, was zu häufigen Unwettern führte. Einzig Ende Juni gab es eine Serie trocken-warmer Tage, sonst war es ausserordentlich nass. Die häufigen Regenfälle führten zu einem reduzierten Angebot an Fluginsekten, was die Entwicklung der Jungvögel gebremst haben dürfte. Die aussergewöhnlich frühe Beobachtung grosser Mauersegler-Schwärme am 15. Juli sind aufgrund der in den nächsten Tagen immer noch normalen Sichtungen nicht auf den Wegzug zurückzuführen, sondern die Folge einer Wetterflucht: Vom 14. auf den 15. Juli zog ein kräftiges Tief über Mitteleuropa mit Sturm, Gewittern und starken Regenfällen sowie Schnee in den Alpen bis teils unter 2000 Meter. Der Wegzug der meisten Vögel erfolgte dann bei einer weiteren markanten Gewitterfront vom 28. auf den 29. Juli:

Modellierter Wind in rund 1500 m Höhe am 15.07.2012
2016
Anfang Juni 2016 herrschte über Mitteleuropa eine extrem feuchte, aber warme Tiefdrucklage. In diese Zeit fiel das Ausbrüten der Eier, der Schlupf erfolgte wahrscheinlich kurz bevor sich nach Mitte Juni die Witterung markant verbesserte. Aufgrund der feucht-warmen Vorgeschichte muss eine sehr hohe Nahrungsverfügbarkeit geherrscht haben, was für die Entwicklung der Jungvögel wohl nahezu optimal war. Bei solchen Verhältnissen können die Jungvögel bereits nach fünf Wochen, also Mitte Juli, flügge sein. Die Beobachtung grösserer Ansammlungen von Mauerseglern am 15. Juli nach dem markanten Wettersturz vom 13./14. könnte somit sowohl Rückkehr aus einer Wetterflucht als auch Sammlung für den Wegzug der Familien mit früh flügge gewordenen Jungvögeln gewesen sein. Die nachfolgenden Beobachtungszahlen lassen diesbezüglich keine klare Aussage zu, denn es gab bis Ende Juli keinen weiteren Spitzenbeobachtungstag wie in anderen Jahren üblich. Möglicherweise erfolgte der Wegzug gestaffelt, da sich vom 21. bis 31. Juli eine hochsommerliche Lage mit täglichen Gewittern, aber keiner Fronteinwirkung, somit keinem deutlichen Wetterwechsel oder starkem Wind einstellte. Die hohe Beobachtungszahl am 7. August entspricht einem üblichen Spitzenzugtag von Vögeln aus nördlicheren Regionen:
Der Wegzug der Mauersegler 2017 ist derzeit in vollem Gange. Hier in Bern konnte man am 21. Juli kurz vor Eintreffen eines heftigen Gewitters grössere Schwärme in der Höhe sehen, seither sind die meisten Brutkästen verlassen und es werden nur noch wenige Vögel gesichtet. Am 23. und 25. Juli wurden teils riesige Schwärme auf dem Zug gemeldet. Da die Witterung im südlichen Mitteleuropa bereits im Juni sehr günstig war, ist ein früherer Wegzug als Flucht vor der aktuellen nass-kühlen Phase durchaus logisch. In der Nordhälfte Deutschlands verlief der Sommer (insbesondere der Juli) weniger günstig, hier steht der Wegzug also noch bevor. Achten Sie zum Ende der nächsten Wärmephase in der ersten Augustwoche also besonders auf grössere Schwärme – am Tag darauf, bevorzugt nach einem Kaltfrontdurchgang, ist der Himmel dann in der Regel wie leergefegt.
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Uschi Brehm am 2. August 2017 um 08:36 Uhr
Vielen Dank für die Erläuterungen zum diesjährigen sehr frühen Wegzug der Mauersegler! Ich habe am Montag noch eine Gruppe von 8 beobachtet, gestern waren die letzten 2 am Morgen da, jetzt ist der Himmmel wirklich leergefegt – schade. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Mauersegler bei uns schon mal im Juli fast weg waren, “normal” ist die Zeit um den 10. August.
Ort: Köln-Ehrenfeld