Klima kaputt – nichts Neues. Neu sind die extremen Auswirkungen, die sich jetzt manifestieren und selbst erfahrene Beobachter und Meteorologen am laufenden Band überraschen. Man darf daher gespannt sein, was nach diesem Extremsommer der Herbst auf Lager hat, zumal die Gewässer rund um Europa viel wärmer sind als normal. Erst mal bekommen wir es mit einer festgefahrenen meridionalen Zirkulation mit extrem weit nach Norden verschobener Polarfront zu tun. Die Langfristmodelle waren sich in den letzten Tagen so einig wie selten im sonst unsicheren September. Nun kommen allerdings vermehrt tropische Stürme ins Spiel, welche die Karten auf dem Nordatlantik neu mischen könnten.

Mit einem naturnah gestalteten Garten oder Balkon macht man auch Stieglitzen / Distelfinken eine grosse Freude (orniwetter-Tränke und Futterstelle Muri BE, 23.09.2021)
Besagte tropische Systeme bringen das Szenario des Langfristmodells CFS erst in den allerletzten beiden Läufen ins Wanken. Das ist noch zu wenig, um sich daraus eine fundierte Prognose basteln zu können, also greife ich auf das zurück, was viele Läufe zuvor gezeigt hatten. Zumindest das erste Monatsdrittel scheint mit seinem festgefahrenen Zirkulationsmuster derart sicher zu sein, dass es die Mittelwerte des gesamten Septembers prägen dürfte.
Der ausgewählte Lauf zeigt zwei stark negative Geopotenzial-Anomalien: Eine über dem Ostatlantik mit Zentrum südlich von Irland, und eine über Westrussland. Sie wird unterbrochen durch eine Brücke, welche eine schwach positive Anomalie über dem Mittelmeer mit einer extrem starken Anomalie verbindet, welche sich zonal über den gesamten Hohen Norden erstreckt. Es ist dies eine ausgeprägte negative Nordatlantische Oszillation (NAO-) oder auch High-over-Low-Lage genannt. Dabei befindet sich der Polarfrontjet auf einer extrem nördlichen Achse Nordgrönland-Spitzbergen. Was das Wetter im Alpenraum vor allem prägen wird, ist der ebenfalls extrem nördlich positionierte Subtropenjet. Das erste Monatsdrittel wird geprägt sein von Süd-, Südost- oder Ostlagen, wobei die detaillierte Grosswetterlagen-Klassifikation davon abhängig ist, wo genau das sich ewig im Kreis drehende Tief nahe der Britischen Inseln genau positioniert sein wird. Mit dem Auffüllen oder einer Ostwärtsverlagerung des Tiefs kommt es um den 10. herum wahrscheinlich vorübergehend zu einer Westlage (die durchaus eine südliche sein könnte) und somit der ersten längeren nass-kühlen und windigen Phase seit langem. Die zweite Monatshälfte wird von den Langfristmodellen tendenziell dem Typ Altweibersommer zugerechnet. Inwieweit sich das bestätigt oder einfach eine klassische Langfrist-Statistik im Modell abbildet, wird sich weisen müssen. In die Westdrift aufgenommene Ex-Hurrikane machen die Prognose zu dieser Jahreszeit immer sehr unsicher.
Während der Raum Grönland-Island unter fast permanentem Hochdruckeinfluss einen warmen September zu erwarten hat, wird es in Nordosteuropa schon fast winterlich. Das Britentief schaufelt kühle Luftmassen aus Norden Richtung Portugal, während auf der Vorderseite warme Mittelmeerluft nach Mitteleuropa strömt. Hier ist mit positiven Abweichungen zur neuen Klimanorm 1991-2020 von einem bis zwei Grad zu rechnen, in den Föhngebieten auf der Alpennordseite kann es auch mehr sein. Auf der südstaubedingt weniger sonnigen Alpensüdseite dürfte ein ungefähr durchschnittlich temperierter Monat herauskommen.
Das Tief im ersten Monatsdrittel bringt weiten Teilen Westeuropas überdurchschnittliche Regenmengen, vor allem in den West- und Südalpen. Da werden vermutlich auch noch Reste von tropischen Systemen für Feuchteeintrag sorgen. Nur leicht nasser als normal sieht es in der Nordhälfte Deutschlands aus, was bei weitem nicht für eine Beendigung der dortigen Dürre reicht, aber immerhin eine Entlastung bringen dürfte. Nordeuropa erlebt unter dem Dauerhoch wahrscheinlich einen weitgehend trockenen Monat. Dies gilt ebenso für weite Teile Südeuropas, wobei hier zufällige Gewittertreffer für lokal zu nasse Verhältnisse sorgen können, die kaum genau dort auftreten werden wo es die Karte zeigt.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Da die Trockenheit in weiten Teilen Mitteleuropas, insbesondere in den flachen Regionen, weiterhin anhält, bleiben die seichten Rastgewässer für die Zugvögel unbenutzbar. Sie werden sich wohl oder übel an die flachen Uferzonen grösserer Seen halten müssen, um ihre Reserven aufzufüllen. Die häufig südlichen Winde zwingen den Vogelzug in tiefere Schichten und ist somit gut zu beobachten.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur in ca. 1500 m Höhe gegenüber der Klimanorm 1991-2020

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1991-2020
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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