Die Hitzewelle Ende August lässt wohl manchen hoffen oder – je nach persönlicher Präferenz – befürchten, dass der Sommer so lange dauert wie 2018. Doch bereits der Frühling und der Sommer haben uns gelehrt, dass 2018 eben 2018 war und eine Ausnahmeerscheinung, zumindest in dieser Ausprägung. In diesem Jahr hält sich das Wetter präzise an den vom Menschen erfundenen Kalender, der da sagt: Am 1. September beginnt statistisch der Herbst. Vom markanten Temperaturrückgang zum Monatsbeginn wird sich Mitteleuropa so rasch nicht erholen, wenn man von ein paar wenigen Tagen mit Zwischenhocheinfluss absieht. Die Langfristmodelle sind relativ einig auf einen kühlen September getrimmt. Hoffnung für alle Spätsommer-Fans macht nur die Tatsache, dass September-Prognosen erfahrungsgemäss wenig vertrauenswürdig sind und ehemalige Tropenstürme auf dem Atlantik die Karten bzw. die Druckgebiete neu mischen können.

Rastende Limikolen aus dem Norden wie dieser Zwergstrandläufer im Jugendkleid sind im September am besten zu beobachten (Neuenburgersee, September 2014)
Die Mehrheit der Modellläufe sieht ganz im Sinne der langjährigen Statistik einen Trend zunehmend meridionaler Zirkulation, wobei dies im aktuellen Fall bedeutet, dass sich über dem Nordatlantik ein blockierendes, nach Norden verschobenes Azorenhoch einnistet und die Westwindzirkulation über weite Strecken abwürgt. Ein weiteres Hoch soll sich über Russland etablieren, folglich bleibt Europa dazwischen nur Tiefdruckeinfluss. Dessen Zentrum soll sich häufig über dem Nordmeer und der Nordsee aufhalten und zu Austrogungen über Mitteleuropa neigen. Dominierende Wetterlagen werden somit Nordwest bis Nord, Trog Mitteleuropa und möglicherweise sogar Tief Mitteleuropa sein.
Unter solchen Umständen kann ein Monat, vor allem wenn diese Zirkulationsform bereits in der eigentlich wärmeren Monatshälfte beginnt, nur eine negative Abweichung aufweisen. Stellt sich nur noch die Frage des Betrages, abhängig von der Dauer dieser nördlichen Anströmung und ob sich gegen Ende des Monats noch der statistisch ebenfalls häufig auftretende Altweibersommer durchsetzen kann und die Gesamtbilanz etwas abmildert. Wir haben uns mal für einen solchen Lauf entschieden, es muss ja nicht gleich die extremste Rechnung mit Abweichungen von bis zu -5 Grad zur langjährigen Norm eintreffen… Wie man der Karte entnehmen kann, ist die Grenze zur warmen, vom Hochdruck beeinflussten Zone im Osten nicht allzu weit entfernt, doch auch hier gibt es unterschiedliche Rechnungen. Wir haben uns für den Mittelweg entschieden.
Häufiger Tiefdruckeinfluss mit Wind aus nordwestlicher bis nördlicher Richtung soll auch für reichlich Niederschlag sorgen. Für die Vegetation kommt dieser zwar zu spät, doch ausgetrocknete Gewässer und tiefe Grundwasserspiegel zum Auffüllen hat es vor allem im nördlichen und östlichen Mitteleuropa genug. Für Sonnenanbeter bleibt da wenig Hoffnung, denen bleibt nur die Flucht nach Portugal, Südspanien oder Griechenland. Wenn sich die Tiefs nicht gerade direkt über uns einnisten, können die Windfesten unter uns aber auch auf der Alpensüdseite einige sonnige Tage unter Nordföhneinfluss geniessen.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Bisher deutet nichts auf persistente Ostlagen hin, die wie in anderen Jahren östliche Irrgäste in grösserer Zahl zu uns verfrachten können. Allerdings bietet der normale Herbstzug auch so reichliche Gelegenheit zu spannenden Beobachtungen, zumal die häufigen trüben und nassen Tage im Alpenraum für wiederholten, mitunter auch länger andauernden Zugstau sorgen werden. Tage mit Zwischenhocheinfluss werden dann rasch mal zu Spitzenzugtagen, an denen sich die Positionierung auf Alpenpässen lohnen kann – sofern diese nicht bereits eingeschneit werden.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = trockener, blau = nasser als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
Finden Sie die Prognosen und Artikel von orniwetter.info nützlich und möchten sie nicht mehr missen? Da die Schaltung von aufdringlicher Werbung nicht nur viele Leser verärgert, sondern bei einer relativ wenig frequentierten Seite auch finanziell kaum etwas bringt, ist orniwetter.info als gemeinnütziges Projekt eines Kleinstunternehmens in einem schwierigen Marktumfeld auf freiwillige Unterstützung dringend angewiesen. Über den PayPal-Spendenbutton können Sie unkompliziert die Wertschätzung für diese Arbeit zum Ausdruck bringen und sichern somit den Fortbestand dieses kostenlosen Angebots. Ganz herzlichen Dank!
Falls Sie kein PayPal-Konto besitzen, können Sie direkt auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten einzahlen.