Pünktlich zum meteorologischen Sommerende werden heute in Mitteleuropa die warmen Luftmassen durch eine massive Kaltfront verdrängt – der Herbst hält Einzug. Derartige Kaltlufteinbrüche zum Monatswechsel August/September sind nicht ungewöhnlich und müssen für den weiteren Verlauf des Septembers auch nichts Schlechtes bedeuten, wie die Jahre 2006, 2012 und zuletzt 2014 bewiesen, nachzusehen in unserem Wetterlagenkalender-Archiv. Im heurigen Jahr besonders interessant ist, dass sich das Anfang Juli begonnene Muster aus sehr warmen und sehr kühlen Phasen ziemlich genau im Wochentakt abwechselnd bis Ende August durchgezogen hat. Aus dem Siebenschläfer ist ein Neunschläfer geworden, und nun stellt sich natürlich die Frage, wann diese Persistenz der sich wiederholenden Wetterlagen gebrochen wird, oder ob wir es gar mit einem Elf- oder Dreizehnschläfer zu tun bekommen.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Ensembles für die erste Septemberhälfte zeigen zwar eine Fortsetzung dieses wechselhaften Charakters des vergangenen Hochsommers, doch scheint sich die Wellenlänge der Phasen ungefähr zu halbieren. Ein ganzer Zyklus warm-kühl, der bisher zwei Wochen gedauert hat, soll nur noch eine Woche umfassen. Dies wäre ein Zeichen dafür, dass sich entgegen der jahreszeitlichen Norm Westlagen allmählich wieder stärker durchsetzen. Schauen wir mal, ob das Langfristmodell CFS diesen Trend bestätigt.
Leider will CFS von einem solchen eindeutigen Trend überhaupt nichts wissen und tischt in den letzten drei Tagen (=12 Läufe) einen reich garnierten gemischten Salat auf. Wir können also wie alle Jahre feststellen: Der September ist auch diesmal eine Wundertüte und lässt sich nicht in die Karten blicken. Die Umstellung vom Sommer in den Herbst geht nicht nur mit sehr unsicheren Abkühlungsprozessen in der Arktis einher, sondern wird auch von Tropenstürmen auf dem Atlantik beeinflusst. Entsprechend rudern die Modelle zu dieser Jahreszeit wild umher. Bei derartigen Voraussetzungen gleicht der Griff nach einem präferierten Modelllauf einer Lotterie. Also ist es nicht die dümmste Idee, auf Persistenz zu setzen, das hat bereits im August ganz gut geklappt.
Am nächsten dem bisherigen Muster kommt der 0z-Lauf vom 30.08.2017 mit einem blockierenden Hoch über Russland und einem leicht verstärkten Azorenhoch, zwischen denen sich über Mitteleuropa hinweg eine Brücke bildet. Diese weist über Westeuropa eine Schwachstelle auf, welche es abtropfenden Tiefs erlaubt, ins westliche bis zentrale Mittelmeer durchzubrechen. Die negative Anomalie des Höhendrucks liegt südlich von Island, ist aber nicht extrem ausgeprägt. Aus dieser Konstellation ergibt sich ein Wechsel aus den Grosswettertypen West (ev. Winkelwest), Südwest und Süd mit gelegentlich sich einnistenden Tiefs oder Trögen über Mitteleuropa wie gleich zu Monatsbeginn, wobei diese jeweils nicht von langer Dauer sind und von der bereits erwähnten Hochdruckbrücke abgelöst werden. Kaum durchsetzen können sich unter diesen Umständen Ostlagen.
Die dazu passende Temperaturkarte zeigt keine deutlichen Abweichungen von der langjährigen Norm in weiten Teilen Europas. Angesichts der Erfahrungen der letzten Monate kann man davon ausgehen, dass die Abweichung leicht höher ausfallen wird als gerechnet, was in Mitteleuropa wohl etwa einem Plus von knapp einem Grad entsprechen dürfte. Deutlich zu warm wird wahrscheinlich Osteuropa, während der Westen und Süden eher auf die kühle Seite kippen.
Die gezeigte Niederschlagskarte ist mit Vorsicht zu geniessen, da der Wetterlagenmix im Detail nicht festeht. Tendenziell ist mit erhöhten Niederschlägen auf der Alpensüdseite und in den Pyrenäen zu rechnen (Südstau bei Südwest- und Südlagen), während der Norden leicht begünstigt sein kann. Die erhöhten Signale in Osteuropa bei gleichzeitiger Wärme deuten in dieser Region auf verstärkte Gewitteraktivität hin, was auf Zufuhr feucht-warmer Luftmassen aus dem Mittelmeerraum zurückzuführen ist.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Nach wie vor wartet man im Osten inklusive südöstliches Mitteleuropa auf dringend benötigte Niederschläge, um die seit Monaten anhaltende schwere Trockenheit, verstärkt durch häufige Hitzewellen, zu beenden. Die Situation an seichten Gewässern für rastende Zugvögel ist in diesen Regionen also weiterhin prekär, während im nördlichen und westlichen Mitteleuropa alles im Lot ist. Der Vogelzug verläuft unter den gegebenen Umständen normal: Warme und trockene Wetterlagen werden rege genutzt, während die Schlechtwetterphasen dazwischen kurze Zugstaus verursachen. Mit Irrgästen aus dem entfernteren Osten ist bei den zu erwartenden Wetterlagen vorerst noch nicht in grösserer Zahl zu rechnen.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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