Nehmen wir also die nächste Wundertüte namens September in Angriff. Kein Monat bereitet für Langfristprognosen derart Kopfzerbrechen wie dieser. Der Grund liegt einerseits am beginnenden herbstlichen Kampf der Luftmassen zwischen der sich abkühlenden Arktis und den immer noch heissen Kontinenten, andererseits an der unberechenbaren Einflussnahme tropischer Stürme auf die atlantische Westwinddrift. Je nachdem, wo die atlantischen Ex-Hurricanes in die Westströmung eingebunden werden und wie viel Energie sie noch enthalten, wirken sie sich auch auf unser Wetter aus. Sie können die Westwinddrift beschleunigen oder auch einbremsen, vorhersehbar ist das in der Regel nicht. Das zeigt ganz aktuell die extreme Spannweite der Prognosen für das erste September-Wochenende, wo die Modelle ja nach Lust und Laune mal einen kräftigen Kaltlufteinbruch, dann wieder die Fortsetzung der Spätsommerhitze für Mitteleuropa berechnen.

Auch im September kann es noch so heiss werden, dass an den Vogeltränken mitunter Dichtestress aufkommt (Bern, 16.09.2015)
Bereits seit einigen Tagen rechnet das Langfristmodell überwiegend ähnliche Szenarien, einzelne Läufe stellen Ausreisserlösungen dar. Das erleichtert die Auswahl für unsere Prognose, schützt jedoch vor Überraschungen im launischen September nicht. Hoffen wir also, dass die Hurricane-Aktivität in diesem Jahr gut vorausberechnet wurde und die vermeintliche Stabilität des Modells nicht in die Irre führt.
In den Höhenkarten werden zwei für Europa wichtige Druckzentren berechnet: Einerseits eine starke negative Druckanomalie über dem Nordatlantik mit Zentrum knapp südlich Islands, die bis nach England reicht. Den Gegenpol stellt eine starke positive Druckanomalie mit Zentrum über Nordosteuropa, das mit einer Brückenbildung zum Azorenhoch auch Mittel- und Südwesteuropa beeinflusst. Eine schwächere negative Druckanomalie wird über Südosteuropa berechnet. Diese Konstellation lässt eine starke Westwindzirkulation auf dem Atlantik erwarten, wo bereits die ersten herbstlichen Sturmtiefs auftreten. Durch die Blockade des osteuropäischen Hochs können die atlantischen Tiefs jedoch nur selten bis auf den Kontinent vordringen, wir verbleiben sehr häufig unter Hochdruckeinfluss und in sehr warmen Südwest- bis Südströmungen. Kälteeinbrüche dürften daher eher spärlich auftreten und nur von kurzer Dauer sein.
Der Hochdruckeinfluss auf dem Kontinent hat auch einen sehr trockenen September in fast ganz Europa zur Folge, insbesondere im Osten. Überdurchschnittlich nass durch die Westwinddrift werden die britischen Inseln, während Gewittersysteme von Spanien über Frankreich bis nach Mitteleuropa für überdurchschnittliche Regenmengen sorgen können, die sich jedoch auf wenige Tage beschränken. Unter häufigem Tiefdruckeinfluss ist mit überdurchschnittlicher Gewittertätigkeit im zentralen und östlichen Mittelmeerraum zu rechnen.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Die berechneten Hochdrucklagen werden von den Vögeln rege auf dem Zug nach Süden genutzt. Bei schwachem Wind und klarem Himmel findet der Vogelzug in grosser Höhe statt, sodass er im Flachland schwierig zu beobachten ist. Hoffen muss man auf die seltenen Schlechtwetterfronten, die einen kurzen Zugstau verursachen können. Rastende Wasservögel konzentrieren sich nach der recht trockenen zweiten Sommerhälfte auf die verbleibenden Gewässer, da einige Tümpel und viele kleinere Flüsse inzwischen Niedrigwasser führen oder gar gänzlich trocken gefallen sind. Mit einem grösseren Einflug östlicher Irrgäste ist eher nicht zu rechnen, da die prognostizierte Lage länger andauernde und grossräumige Ostwinde nahezu ausschliessen lässt. Hingegen begünstigt das stabile und warme Wetter Beobachtungen von Gebirgsvögeln und rastender Mornellregenpfeifer in den Alpen.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur von der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = nasser, blau = trockener als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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