Nie sind Langfristprognosen so schwierig wie in den Übergangsjahreszeiten. Da fangen die überraschenden Umstürze bereits in der erweiterten Mittelfrist an, wie der September soeben bravourös bewiesen hat. So wird uns bestimmt auch der Oktober die eine oder andere unerwartete Wendung bereit halten. Waren die Langfristmodelle in der letzten Woche noch mehrheitlich auf Kurs kühler Oktober, sind sie nun in den letzten zwei Tagen auf warm umgeschwenkt. Diesen neuen Trend kann man nicht ignorieren und wahrscheinlich spielt da nach der nass-kalten zweiten September auch etwas der Wunschgedanke mit, dass ein ausgefallener Altweibersommer doch bitte einen Goldenen Oktober nach sich ziehen möge.
Zunächst aber macht der Oktober mal da weiter, wo der September aufgehört hat: Das erste Wochenende wird im südlichen Mitteleuropa mittels einer von West nach Ost schleifenden Luftmassengrenze noch mal ordentlich gewässert. Wer anhand dieser zyklonalen Westlage jedoch glaubt, dass das meridionale Muster der vergangenen Wochen gebrochen wäre, sei darauf aufmerksam gemacht, dass im Herbst Westlagen in der Regel eher kurze Gastspiele geben: Im Moment sieht es auch ganz danach aus, dass uns der Oktober einen bunten Strauss bereit hält.
Der ausgewählte Lauf ist der aktuellste und zeigt eine starke Hochdruckanomalie über ganz West-, Mittel- und Südeuropa. Die Gegenspieler sitzen im Raum Grönland-Island mit Austrogungen bis zu den Azoren sowie über Nordosteuropa – ein Muster das uns aus dem diesjährigen Frühling und Sommer bestens bekannt ist. Es würde nicht erstaunen, wenn sich das nach den spätsommerlichen Kapriolen wieder einrenkt, denn die globale Wirkungskette von La Niña ist nach wie vor intakt und begünstigt Hochdruckrücken entweder auf dem östlichen Nordatlantik oder über Westeuropa. Wir in Mitteleuropa liegen dann mal direkt drunter oder mal wieder am kühlen Ostrand unter der Nordwest- bis Nordlage. Kennen wir alles zur Genüge…
Der Unterschied zum Frühling und Sommer liegt allerdings darin, dass die tiefer stehende Sonne die eingeflossene kühle Luftmasse im Hochdruckgebiet nicht innert kürzester Frist mal eben aufzuheizen vermag – in den Niederungen bleibt dann gerne mal ein Kaltluftpolster zurück, je weiter der Oktober fortschreitet. Trotzdem soll es nach den aktuellen Berechnungen in Mitteleuropa verbreitet zu einem Plus von einem Grad oder auch etwas mehr zur neuen Klimanorm reichen. Einzig im nördlichen Alpenvorland wird ein kleines Minus gerechnet, was die Theorie der einleitend erwähnten zunehmenden Inversionslagen stützt. Wer es gerne etwas deutlicher zu kühl mag, muss nach Südosteuropa reisen.
Da weite Teile West- und Südeuropas häufig unter Hochdruckeinfluss stehen, wird der Oktober hier folgerichtig deutlich zu trocken gerechnet. Eine markante Wetterscheide bilden die Alpen, auf der Alpensüdseite sollen mangels Südlagen (für Oktober sehr ungewöhnlich) kaum Niederschläge fallen. Die durchschnittlichen Werte nördlich der Alpen kommen zu einem Grossteil bereits in den ersten drei Tagen des Monats zusammen – stimmt die Monatsprognose, ist danach nicht mehr viel zu erwarten. Einen sehr nassen Monat soll es hingegen in weiten Teilen Osteuropas und an der südlichen Küste Norwegens geben und mit gewissen Einschränkungen noch in Schottland, was perfekt die zu erwartende Lage der feuchten Westwindzone in diesem Monat nachzeichnet.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Ein früher Wintereinbruch in Skandinavien ist anders als in den letzten Jahren derzeit nicht in Sicht, somit entfällt vorderhand noch die Motivation für massenhafte Winterfluchten nordischer Vögel. Der ordentliche Herbstzug dürfte dank der häufigen Hochdrucklagen stetig verlaufen, vielleicht mal kurz unterbrochen von durchbrechenden Tiefdruckgebieten, die bei der berechneten Druckanomalie nicht auszuschliessen sind. Der Ende September in höheren Mittelgebirgslagen gefallene Schnee wird durch den warmen Regen am ersten Wochenende gleich wieder runtergespült, danach ist bei meist höhenwarmen Hochdrucklagen vorerst keine neue Einwinterung im Gebirge in Sicht, sodass kurzzeitig in die Täler ausgewichene Bergvögel wieder in ihre angestammten Lagen zurückkehren können.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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