In den letzten Jahren hat sich der Trend des Oktobers hin zu blockierenden Hochdruckgebieten über Osteuropa und Austrogungen über Westeuropa mit daraus folgenden häufigen Südföhnlagen verstärkt. Der Herbst war zwar schon immer die statistische Spitzenzeit für Südlagen, doch die zunehmende Tendenz für persistente Zirkulationsmuster sorgt dafür, dass solche Lagen nicht nur mehrmals pro Monat für ein paar Tage auftreten, sondern oft wochenlang anhalten können. Je nach Positionierung des Blockadehochs bedeutet das für den Alpenraum entweder goldener Herbst oder häufige Föhnstürme, unterbrochen durch intensive Niederschläge. Die Modelle rechnen für dieses Jahr vornehmlich die zweite Variante.
Bereits die ersten Tage des Monats dürften wegweisend und ein Vorgeschmack sein darauf, was uns im Oktober 2020 mehrheitlich ins Haus steht. Anders als noch im Vormonat werden diesmal die negativen Druckanomalien über West- und Mitteleuropa viel deutlicher gerechnet, die Chancen für längere Hochdruckphasen sind somit eher gering. Auffällig ist dabei, dass nicht nur die Mehrheit der CFS-Läufe (amerikanisches Modell) die folgende Prognose stützen, sondern auch das europäische Langfristmodell, das die Prognose in Wochenabschnitte aufteilt, diese Lage bis zum Ende des Monats konsequent durchzieht.
Das Zentrum der Tiefdruckanomalie wird über dem Ärmelkanal verortet und umfasst ganz West- und Mitteleuropa, streut aber auch Ausläufer nach Süden bis Algerien und nach Osten bis zum Balkan. Kräftige Hochdruckanomalien werden über dem zentralen Nordatlantik (zeitweise nach Norden ausbüxendes Azorenhoch) sowie von Skandinavien bis Nordwestrussland gerechnet. Die am häufigsten zu erwartenden Grosswetterlagen sind: Trog Westeuropa, Tief Britische Inseln, Tief Mitteleuropa, Südost zyklonal, ev. kurzzeitig auch südliche Westlage oder Winkelwest. Also sämtliche Sauereien, die man sich als Liebhaber trüben und nassen Wetters nur wünschen kann.
Auf die Temperaturverteilung wirkt sich das so aus, dass der Hohe Norden deutlich übertemperiert wird, was die Eisbildung in der Arktis verzögert. Schon fast Standardprogramm ist ein deutlich zu warmes Südosteuropa, das häufig Luftmassen aus der Sahara geliefert bekommt. Deutlich zu kühl wird es in nahezu ganz Westeuropa. Das Temperaturgefälle von Ost nach West in Mitteleuropa führt dazu, dass hier eine eindeutige Prognose nahezu verunmöglicht wird, hier streuen die Modelle recht stark – kein Wunder wenn nicht klar ist, wo genau sich die Tiefdruckzentren positionieren werden und wie häufig der Föhn mitspielen wird.
Eindeutiger steht die Sache beim Niederschlag. Nahezu ganz West- und Mitteleuropa wird zu nass gerechnet, wobei die Mengen vor allem in den West- und Südalpen mit teils weit über 500 mm herausstechen (wie viel es genau ist, weiss man nicht: Die Skala des Modells wird gesprengt!). Wie weit sich die Nässe nach Osteuropa wie in der Karte unten gezeigt ausbreitet, bleibt abzuwarten, hier besteht dieselbe Unsicherheit wie bei den Temperaturen für Mitteleuropa abhängig von der genauen Positionierung der Tiefs. Vermutlich basiert diese Rechnung darauf, dass Süd- bis Südwestströmungen sehr feuchte Mittelmeerluft bis weit nach Nordosteuropa hinauftragen und sich über mehrere Tage schleifende Fronten bilden, in die auch Gewitter eingelagert sein können. Ursächlich ist eine aktuelle Temperaturanomalie des Meerwassers im nördlichen Mittelmeer von etwa 2.5 Grad zur langjährigen Norm, da wird also sehr viel Feuchtigkeit und Energie an die Atmosphäre abgegeben.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Häufiger Gegenwind und zahlreiche Niederschlagstage erschweren den Vögeln den Zug nach Süden, der mehrheitlich im Tiefflug absolviert werden muss. Ausgeprägte Zugstaus auf der Alpennordseite und in inneralpinen Tälern sind vorprogrammiert. Ein Eldorado für wetterfeste Vogelbeobachter! Noch unklar ist aufgrund der unsicheren Temperaturverteilung, wie viel Schnee wie weit runter im Gebirge nachhaltig liegen bleibt und somit bereits recht früh Fluchtbewegungen von Gebirgsvögeln in tiefere Lagen auslösen können. Alles in allem eine sehr spannende Situation, allerdings nichts für Schönwetter-Birder.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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Microwave am 1. Oktober 2020 um 13:30 Uhr
“Also sämtliche Sauereien, die man sich als Liebhaber trüben und nassen Wetters nur wünschen kann.”
Jaaaa!! Fiiix, I’m in!! =P
Besser spät als nie :)
Und natürlich wie immer danke für den Beitrag!
Grüsse – Microwave ;)