Der September hat es uns soeben gezeigt: Herbstmonate mit reger Hurrikan-Aktivität auf dem Atlantik sind enorm schwierig zu prognostizieren. Hat dieses Chaos mal seinen Anfang genommen, hört es so schnell auch nicht wieder auf. Entsprechend müssen auch die heurigen Oktober-Prognosen mit grosser Vorsicht genossen werden. Die Unsicherheiten beginnen nämlich bereits in der Mittelfrist, also für das erste Oktober-Wochenende. Der aktuell bei den Azoren wütende Hurrikan “Lorenzo” nämlich will sich so gar nicht in die Karten gucken lassen bezüglich seines weiteren Wegs, doch genau dieser ist für das Wetter in Europa in den nächsten Wochen entscheidend. Denn es spielt schon eine erhebliche Rolle, ob die energiereiche Tropikluft, die dieser Sturm mit sich führt, irgendwo im Hohen Norden oder in Mitteleuropa landet und dort womöglich die Bildung eines blockierenden Hochs stützt oder eben ganz woanders. Entsprechend ist alles, was jetzt noch geschrieben wird, mehr Spekulation als Prognose.

Wie viel Zeit bleibt ihm wohl noch, um Wintervorräte anzulegen? Tannenhäher im Aletschwald (Wallis), Mitte Oktober 2008
Wenn das Langfristmodell auch noch einen Tag vor Beginn des neuen Monats in seinen letzten 40 Läufen für grosse Teile Europas eine Übereinstimmung von unter 30 % ausweist, dann sollte man sich gleich mit Grausen abwenden und gar nicht erst versuchen, aus dem wilden Mix an dargebotenen Szenarien eines heraussuchen zu wollen, das einem irgendwie vertrauenswürdig erscheint. Somit könnte man diesen Beitrag an dieser Stelle beenden, denn wenn man ehrlich ist muss man sagen: Keine Ahnung, wie dieser Oktober verlaufen wird. Es gibt nicht mal einen Ansatz von Trend, denn ab Tag 7 beträgt die Streuung z.B. für den Gitterpunkt Bern bereits 12 Grad, und ab Tag 10 bricht das völlige Chaos aus. Von Spätsommer bis Wintereinbruch ist alles enthalten, was die Phantasie eines Wettermodells im Oktober hergeben kann. Und so bleibt einem nichts übrig als sich einen Lauf herauszupicken, der zumindest die relativ sichere erste Woche noch irgendwie im Monatsmittel abbildet.
Die Zirkulationsform ist überwiegend zonal geprägt, in der Höhendruckkarte zeigt sich eine negative Anomalie von Neufundland bis zu den Britischen Inseln und in abgeschwächter Form weiter bis nach Nordwestrussland, während die gesamte Arktis eine Hochdruckanomalie aufweist. Ungstört soll die Westzirkulation allerdings nicht sein, denn auch vom westlichen Mittelmeer bis Tunesien wird unterdurchschnittlicher Druck gerechnet, was auf einige abtropfende Tiefs hinweist. Zwei Hochdruckzonen bilden sich je zwischen Azoren und Portugal sowie in der Schwarzmeerregion ab. Dominierende Grosswetterlagen sind in einem solchen Fall West, Trog Westeuropa (in den Alpen Südföhn verursachend), Trog Mitteleuropa mit Kaltluftausbrüchen in Richtung westliches oder zentrales Mittelmeer sowie die Brücke Mitteleuropa, die sich nach einem Abtropfprozess eines Tiefs im Mittelmeerraum einstellt. Das verspricht einen sehr wechselhaften Oktober mit sowohl deutlich zu warmen wie zu kühlen und vor allem auch nassen Phasen. Wie es da noch Platz haben soll für ein typisch herbstliches und stabiles Hoch, fragt man sich angesichts dieses Potpourris zu Recht.
Wie bereits im September zeigt die Temperaturanomaliekarte viel Kälte, die wahrscheinlich in diesem Ausmass auch diesmal nicht eintreffen wird. Am ehesten gesichert ist der kalte Nordosten, möglicherweise auch ein etwas unterkühltes Westeuropa, aber wohl kaum mit Abweichungen bis -3 Grad wie in der Karte über den Pyrenäen gezeigt. Deutlich zu warm wird nur die hochdruckbestimmte Schwarzmeerregion gerechnet. In Mitteleuropa soll entsprechend wohl ein ziemlich durchschnittlich temperierter Monat rausspringen, wobei es nach Osten tendenziell in die positive, im Westen in Richtung negative Abweichung geht.
Viel Westwind mit starken Temperatursprüngen bringen Mitteleuropa auch reichliche Niederschläge, die sich insbesondere an den Gebirgen ausgeprägt zeigen. Sehr nass wird es auch im Mittelmeerraum mit den abgetropften Tiefs. Ob der Schwerpunkt des Niederschlags dann tatsächlich wie in der Karte gezeigt westlich Italiens liegt oder doch eher in der Adria- und Balkanregion, wird sich zeigen müssen. Auch Schweden soll reichlich nass werden. Der blaue Streifen, der sich auf dem Atlantik westlich der Azoren von Südwest nach Nordost erstreckt, bildet die Spur des eingangs erwähnten Hurrikans “Lorenzo” ab.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Da es wenig sinnvoll ist, angesichts der sehr unsicheren Prognose über das kommende Zug- und Rastverhalten in Mitteleuropa zu spekulieren, richten wir den Blick besser darauf, was wir heute bereits sehen. In Mitteleuropa und speziell im nördlichen Alpenraum sind derzeit die Eichelhäher in auffällig hoher Zahl zu sehen. Offenbar handelt es sich hierbei um eine Invasion aus nördlichen und nordöstlichen Regionen Europas, wo in den letzten Wochen bereits der Winter Einzug gehalten hat. So weisen in Teilen Skandinaviens und Nordrusslands bereits ungewöhnlich viele Regionen eine Schneedecke auf. Offenbar hat hier also bereits eine Winterflucht eingesetzt, vermutlich noch zusätzlich angetrieben von schlechter Nahrungslage, deren Ursprung im deutlich zu kalten Hochsommer zu suchen ist. Die Eichelhäher könnten somit nur die Vorboten einer weiteren massiven Wanderungsbewegung nordischer Arten nach Südwesten sein. Ob die frühe Schneedeckenbildung im Nordosten auch Einfluss auf den Winter in Mitteleuropa haben wird, ist allerdings von den grossräumigen Windströmungen im Winter selbst abhängig, die zum jetzigen Zeitpunkt noch völlig unvorhersehbar sind.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = trockener, blau = nasser als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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