Wird höchste Zeit, dass das Wetter in Mitteleuropa mal zur Ruhe kommt nach den vielerorts rekordnassen vergangenen 12 Monaten. Dafür eignet sich kein Monat so gut wie der November, bekannt für seine blockierenden Wetterlagen. Wobei dies eher ein neueres Phänomen ist, war doch früher der November für seine Herbststürme berüchtigt. Extrem ruhige bzw. trockene November gab es zwar immer wieder mal, sie haben sich jedoch in den letzten Jahren gehäuft. Extrembeispiel war 2011, wo mancherorts in Mitteleuropa den ganzen Monat kein Tropfen fiel. Nach einigen Modellläufen schickt sich der 2024er an, ihm nachzueifern – ob es ihm gelingt, darüber werden wir allerdings erst in 30 Tagen Gewissheit haben.
Dankbar ist die Meteorologin, wenn das blockierende Hoch vor Monatsbeginn bereits da ist und bis zum 10. mehr oder weniger von allen Modellen weitergerechnet wird, dann gibt es immerhin über das erste Monatsdrittel nicht viel zu spekulieren. Wobei bereits geringfügige Verlagerungen des Hochdruckzentrums starke Auswirkungen haben können, denn ob das Hoch westlich, genau über uns, östlich oder gar nördlich liegt, entscheidet darüber, aus welchen Breitengraden Luftmassen zu uns gelangen können. Und genau damit wie auch mit der Persistenz des Hochs haben die Lang- und Mittelfristmodelle so ihre Probleme, womit die langweilige und einfach zu prognostierende Betonhochlage ins Reich der Legenden gehört. Den richtigen der sich im Detail unterscheidenden Läufe herauszupicken, wird zur Lotterie. Man kann höchstens die Ausreisser aussieben und sich anhand der Mehrheit der Modellläufe überlegen, dass z.B. ein extremes Aufsteilen des Hochdruckkeils bis nach Skandinavien über längere Zeit eher unwahrscheinlich ist, wenn ECMWF Extended ab der Monatsmitte wieder einen starken Trend zur positiven nordatlantischen Oszillation rechnet, die den Block ablösen soll:
Von den CFS-Läufen den jüngsten herauszupicken, der auch vom europäischen Modell gestützt wird, war schon häufig eine gute Strategie, also verfolgen wir diese auch heute wieder. Er rechnet mit einer starken, aber nicht extremen Hochdruckanomalie über ganz Mittel- und Südeuropa, wobei die neutrale Grenze in einem weiten Bogen von den Azoren über Irland und Südskandinavien zum Baltikum verläuft. Nördlich davon werden negative Druckanomalien gerechnet mit Zentrum rund um Island und einer mässigen Austrogung bis nördlich der Azoren. Interpretiert werden muss das so, dass die Hoch Mitteleuropa-Lage (kann auch mal ein paar Tage Süd antizyklonal sein) in etwa ab dem 11. November von Südwest- und Westlagen abgelöst wird, wobei sich nach aktuellem Stand um den 20. herum noch mal eine weniger stark blockierende Lage einstellen kann. Nebst Hoch, West, Südwest und ein wenig Süd haben also nicht viele Grosswettertypen Platz in diesem November, womit sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Träume so mancher „Langfristexperten“ zerschlagen werden, dass in diesem November ein früher Wintereinbruch stattfinden wird (jährlich grüsst das Murmeltier…).
Anders als in den letzten beiden Jahren wird kein kaltes Skandinavien gerechnet, ganz im Gegenteil: Hier sollen die höchsten positiven Abweichungen von bis zu fünf Grad zur Klimanorm auftreten – kein Wunder bei fast permanenter Zufuhr atlantischer Luftmassen, verstärkt durch Föhneffekte östlich des Skandi-Gebirges. Stattdessen ein kaltes Grönland, wobei mir die Rechnung von CFS deutlich übertrieben scheint. Jedenfalls wird diese Konstellation wahrscheinlich einen anderen Winterverlauf als den letzten verursachen: Mehr dazu dann in unserer Winterprognose im fotometeo-Blog, die üblicherweise um den 20. November herum erscheint. Im oft hochdruckbestimmten und somit von Inversionen geprägten Mitteleuropa werden immer noch positive Abweichungen um zwei Grad herum gerechnet, in den Höhenlagen kann es aber auch deutlich mehr sein, in nebelanfälligen Gebieten weniger. Die negativen Anomalien in Südosteuropa sind dem Kaltluftausbruch geschuldet, der zu Monatsbeginn östlich um unser Blockadehoch herumgeführt wird und dann auch Nordafrika erreichen soll – die dargestellten Abweichungsbeträge dürften aber wie so oft übertrieben sein, CFS kann einfach keinen Klimawandel.
Komplett trocken wie 2011 bleibt der Alpenraum nach dieser Rechnung nicht, einzelne Rechnungen in diese Richtung sind aber im Modellpool durchaus vorhanden. Entlang von Nord- und Ostsee können die West- bis Südwestlagen ab der Monatsmitte durchaus leicht überdurchschnittliche Mengen bringen, sowieso an allen Westküsten Europas, insbesondere Norwegen. Dem Südosten Spaniens würde man wünschen, die Sintflut bald überstanden zu haben. Leider bleibt der Mittelmeerraum aufgrund der bereits erwähnten, ums Mitteleuropahoch herumgeführten Höhenkaltluft anfällig für kräftige Schauer und Gewitter, was sich aufgrund der viel zu hohen Wassertemperaturen insbesondere in der Westhälfte so schnell nicht ändern wird.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Auf frühe Winterfluchten nordischer Arten braucht man vorerst noch nicht zu spekulieren, es sei denn im Norden herrscht irgend ein artspezifischer Futtermangel. Dasselbe gilt für Einflüge von Bergvögeln in die Alpentäler: Niederschlag fällt bis zur Monatsmitte kaum, und auch danach dürfte sich die Schneefallgrenze eher deutlich über den jahreszeitlichen Erwartungen bewegen. Das trockene Wetter sorgt dafür, dass die Alpenabflüsse gering bleiben und sich die Wasserpegel der Alpenrandseen nach den Rekordniederschlägen des Frühherbstes normalisieren können. Spannend wird sein, wie sich die weiten, überschwemmten Flächen in Spanien auf die Überwinterung der Südwestzieher auswirken wird. Für Vogelbeobachter könnten sich dort durchaus neue Möglichkeiten eröffnen, man bedenke aber, dass die (Verkehrs-)Infrastruktur vielerorts zerstört ist.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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kurt nadler am 1. November 2024 um 23:09 Uhr
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