Nach der faustdicken Überraschung, dass ein Oktober im Lauf des Monats immer wärmer werden kann, bis zuletzt der wärmste Oktober der mindestens letzten 160 Jahre resultiert, darf man gespannt sein welcher Art die Nachwehen dieses aussergewöhnlichen Jahres im November sein werden. Die fast durchgehend zu warmen Meere auf der Nordhemisphäre – insbesondere rund um Europa – und die unterdurchschnittliche Schnee- und Eisbedeckung lassen nicht viel Spielraum bei den Temperaturabweichungen des nächsten Monats.
Das wilde Rumgehüpfe des amerikanischen Langfristmodells CFS zwischen meridionalen Extremen in den letzten zwei Tagen ist wenig hilfreich, da verlässt man sich doch besser auf die relativ konstante Berechnung des europäischen Modells, wonach die ersten zwei Drittel des Novembers überwiegend eine positive nordatlantische Oszillation NAO+ aufweisen sollen. Immerhin hat CFS zum allerletzten Termin noch eine dazu passende Rechnung geliefert und ist damit zu seiner Linie von bis vor drei Tagen zurückgekehrt. Vom letzten Novemberdrittel müssen wir uns dann wohl oder übel wieder überraschen lassen.
Die Abweichung des Bodendrucks gegenüber der langjährigen Norm zeigt eine zonal ausgerichtete negative Anomalie von der Südspitze Grönlands über Island und das Nordmeer hinweg bis nach Nordwestrussland. Dem gegenüber wird für ganz Mittel- und Südeuropa eine positive Anomalie gerechnet, in dessen Zentrum sich der Alpenbogen befindet. Die Frontalzone soll im Schnitt von Nordirland über Dänemark bis ins Baltikum verlaufen. Die häufigsten Grosswettertypen bei dieser Konstellation sind West und Südwest, oft antizyklonal geprägt bis hin zur Hochdruckbrücke Mitteleuropa, gelegentlich unterbrochen durch eine kurze Troglage (z.B. gleich am 4./5. November).
Negative Temperaturanomalien sucht man wie eingangs angedeutet fast vergebens auf dem europäischen Kontinent. Das kalte Schwarze Meer ist ein Modellartefakt, das uns bereits seit einem Jahr in die Irre zu führen versucht, bleiben also noch ein paar blasse Flecken an den Küsten Westeuropas, wo die über dem warmen Atlantik abgemilderte Polarluft aus Grönland gelegentlich auftreffen soll. Abweichungen von 2-3 Grad über der Norm dürften auch in diesem Monat in Mitteleuropa verbreitet zu finden sein, in Nordosteuropa können es bis zu 6 Grad sein.
Die nördlicher als üblich im November verlaufende Frontalzone bedient hauptsächlich Irland, Schottland und Südnorwegen mit reichlich Niederschlägen, vielleicht bleibt auch etwas davon an unseren Mittelgebirgen oder am Alpennordrand hängen. Ansonsten sieht es eher trocken aus, das gilt insbesondere für die flachen Gebiete östlich der Alpen bis nach Südosteuropa. Abgetropfte Tiefs sorgen im Mittelmeerraum für die im Herbst üblichen Niederschläge, die aufgrund der sehr hohen Wassertemperaturen wohl ergiebiger als normal fallen dürften.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Fluchtbewegungen nordischer Arten in Richtung Mitteleuropa sind bereits seit einigen Wochen auszumachen. Sie sind allerdings nicht das Resultat von Schnee und Kälte, sondern von Nahrungsknappheit bedingt durch die Vegetation, die sich im skandinavischen Sommer offenbar nicht besonders gut entfalten konnte. Insbesondere Seidenschwanz und Kiefernkreuzschnabel haben Norddeutschland bereits in Beschlag genommen. So lange dort keine winterlichen Verhältnisse einziehen, dürfte eine Weiterausbreitung nach Süden allerdings noch auf sich warten lassen. Ein Zufrieren der mitteleuropäischen Rastgewässer – sofern sie überhaupt gefüllt sind – liegt ebenfalls noch in weiter Ferne. Beste Bedingungen also, die noch nicht allzu eiligen Wintergäste zu beaobachten. Und so lange der Frost ausbleibt, ist auch die Verfügbarkeit von Insekten für viele Kurzstreckenzieher ein Grund, noch etwas bei uns auszuharren.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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Microwave am 3. November 2022 um 14:03 Uhr
Danke für die Vorschau. [-]: Ich muss noch länger warten auf meinen geliebten Schnee… [+]: Der Strom reicht noch ein paar Wochen länger (SCNR :) ). Grüsse – Microwave