Die gute Nachricht vorweg: Das durch die Hurrikan-Saison verursachte Chaos in der Wetterküche beruhigt sich allmählich. Mit dem Spätherbst zieht eine prognosetechnisch einfachere Zeit auf. Sehr oft stellt sich im November eine starke Erhaltungsneigung ein: Eine sich einmal etablierte Zirkulationsform hält sich recht hartnäckig, sodass in Europa die Wetterlagen auf längere Sicht zementiert sind, bis es ab Ende November allmählich auf Winterzirkulation umstellt (erste mögliche Kälteeinbrüche mit nachfolgendem Hochdruckwetter, später gefolgt von milderen Westwindphasen, dies aber meist erst im Dezember). Die Prognosegüte steigt damit gegenüber den Vormonaten deutlich an.

Es müssen nicht immer Raritäten sein: Auch einheimische, sonst eher heimliche Arten werden durch Zuzug aus Norden auffälliger (Kernbeisser in Bern, Mitte November 2011)
Die in vielen Läufen des Langfristmodells CFS gerechneten Szenarien für die nächsten Wochen sind typisch für den Herbst: Durch das noch sehr warme östliche Mittelmeer wird ein Hochdruckgebiet über Osteuropa gestützt, das wiederum blockierend auf die eigentlich gut in Schwung kommende Westzirkulation auf dem Atlantik wirkt. Eine entsprechende Tiefdruckanomalie wird von der Südspitze Grönlands bis zu den Alpen gerechnet, wobei der Schwerpunkt über Irland zu liegen kommt. Auch das Azorenhoch hilft mit, dass sich eine von Neufundland bis nach Mitteleuropa gerichtete Frontalzone einstellen kann. Hier allerdings fächert die Westströmung durch die Blockierung auf: Sie muss entweder nach Norden oder Süden ausweichen. Mitteleuropa wird somit zur Kampfzone zwischen Hoch- und Tiefdruck.
Daraus folgt, dass die Grosswettertypen West, Südwest und Süd abwechseln, je nachdem, wie stark das Tief über Westeuropa soeben austrogt. Vielleicht dreht es zwischenzeitlich auch mal auf Südost, oder der Trog kämpft sich vor seinem Tod mal so weit nach Osten, dass er sich für ein paar Tage über Mitteleuropa einnisten kann. Echte Nord- und Ostlagen haben hingegen kaum Chancen, sich durchzusetzen. Auf einen ersten ordentlichen Wintereinbruch muss man also noch eine Weile warten. Auch stehen die Chancen für eine stabile Hochdrucklage über Mitteleuropa eher schlecht: Für eine retrograde Verlagerung des osteuropäischen Hochs scheint die atlantische Westwindzone in diesem Herbst zu aktiv zu sein.
Mit vorherrschenden Windrichtungen aus West bis Süd wird der November in weiten Teilen Europas trotz häufig trüber Verhältnisse deutlich milder als im langjährigen Mittel. Dabei sind es weniger die hohen Tageshöchstwerte als vielmehr die milden, da wolkenreichen Nächte, die den Ausschlag geben. Wie die Erfahrung aus den letzten Monaten zeigt, muss man bei der Temperaturkarte einen permanenten Klimawandel-Zuschlag von einem bis zwei Grad draufrechnen, dann verschwinden auf der Anomalie-Karte die blauen Flecken in Mitteleuropa vollständig und es kommt eine flächige positive Abweichung von 1-2 Grad gegenüber der Klimanorm 1981-2010 heraus, im östlichen Mitteleuropa wären das dann schon 2-4 Grad. Die aktuelle Kälte in Nordskandinavien scheint sich halten zu können, wenn auch nicht mehr im extremen Ausmass von Ende Oktober. In Westeuropa sollte der November ungefähr normal temperiert verlaufen.
Viel Niederschlag bringt der Tiefdruckeinfluss vor allem an den Küsten Westeuropas, stellenweise aber auch im Mittelmeerraum. Ob die Verteilung im Alpenraum so wie in der Karte gezeigt (eher Westlagen-dominiert) eintrifft, oder ob doch eher der Süden nasser wird als der Norden (eher Südlagen- bzw. Föhn-dominiert), wird sich zeigen müssen. Jedenfalls ist trotz reichlichem Niederschlag im Alpenraum noch nicht mit Schnee bis in tiefere Lagen zu rechnen, dies bleibt vorerst dem Hochgebirge und den höheren Mittelgebirgslagen vorbehalten.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Bereits im Vormonat haben wir die beginnende Winterflucht aus Nordeuropa erwähnt. Diese hat sich mit den extrem tiefen Temperaturen der letzten Tage (bis -25 Grad in Lappland) und einer frühen Schneedeckenbildung noch verschärft. So wurden zum Beispiel Hakengimpel in aussergewöhnlichen Mengen in Südschweden und Dänemark gesichtet, auch andere nordische Arten dürften aufgrund der garstigen Bedingungen und der schlechten Nahrungslage in ihren Stammgebieten zusehends nach Süden vorrücken. Das sind spannende Aussichten für den kommenden Winter. Vorerst dürften sich diese Wintergäste aber an der milden Nord- und Ostsee noch wohl fühlen, so lange keine Umstellung der Zirkulation erfolgt, die mit Nord- bis Nordostlagen winterliche Verhältnisse nach Mitteleuropa bringt.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = trockener, blau = nasser als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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