“Aus Westen nichts Neues”, könnte der Untertitel zur aktuellen Episode der nordhemisphärischen Zirkulation lauten. Immer noch graben sich die atlantischen Tiefs vor den Westküsten Europas ein, können sich allenfalls mal bis knapp zu den Alpen vorankämpfen – doch dann ist angesichts des starken blockierenden Hochs über Osteuropa Schluss mit lustig. Im Spätherbst sind solche Zirkulationsmuster nichts Aussergewöhnliches, weshalb also sollte es ausgerechnet jetzt, nach dem Jahr der extrem blockierten Zirkulation, umstellen? Eben…
Die aktuelle Situation erinnert stark an jene vor vier Jahren. Der November 2014 ging in Mitteleuropa mit permanenten Südlagen als wärmster der modernen Wetteraufzeichnungen ein. Unsere damalige Prognose war alles andere als souverän – diesmal wollen wir es besser machen!
Das Langfristmodell CFS hat seit Tagen eigentlich nur zwei wesentliche Varianten auf Lager: Entweder Hoch Mitteleuropa oder Südlage. Da die Wahrheit auch in der Mitte liegen könnte, ist es selten schlau, auf die Extrempositionen zu setzen. Wir haben uns daher für einen Modelllauf entschieden, der zwar die Dominanz der Südlagen zeigt, aber auch starken Hochdruckeinfluss in Mitteleuropa. Die gerechnete negative Druckanomalie hat ihr Zentrum über dem Nordatlantik südlich von Island bzw. westlich von Irland, und die positive Druckanomalie über fast dem gesamten Kontinent mit stärkster Abweichung über Westrussland mit der Tendenz, gegen Skandinavien vorzustossen. Somit sind in diesem Monat fast ausschliesslich die Grosswetterlagen Süd über Südost bis Ost zu erwarten, vielleicht stellt sich vorübergehend auch mal Hoch Mitteleuropa ein. Sollte der Jetstream über dem Atlantik wider Erwarten doch schon erstarken, dürfte dies allenfalls in eine Winkelwest-Lage münden.
Entsprechend werden auch die Temperaturen in weiten Teilen Europas deutlich über der Norm gerechnet. Läge jetzt bereits eine Schneedecke über Osteuropa, würde permanentes Hochdruckwetter dort eine Kälteanomalie erzeugen, doch einzig im Bereich des Schwarzen Meeres kann auf der Südseite des Hochs kältere Luft aus Nordosten einfliessen. Die andere gewichtige Zone mit negativer Temperaturabweichung erstreckt sich auf der Rückseite des erwarteten Tiefdruckschwerpunkts von der Westküste Grönlands auf den zentralen Nordatlantik, wo diese Kaltluftausbrüche immer wieder Austrogungen der Tiefs vor den Küsten Europas provozieren. Als Folge davon wird das Monatmittel der Temperatur in Westeuropa normal bis leicht unterkühlt berechnet.
Da die Tiefdruckgebiete vor dem blockierenden Hoch über Osteuropa entweder in den Mittelmeerraum ziehen oder von dort wieder nach Norden gelenkt werden, sind weite Teile Osteuropas deutlich zu trocken berechnet. Auch im Flachland Mitteleuropas ist mit einem weiteren trockenen Monat zu rechnen. Etwas Feuchte aus Süden regnet sich an den Alpen und an den Mittelgebirgen aus, Fronten streifen wahrscheinlich nur den Westen. Wann dieses Muster ein Ende findet, ist derzeit nicht abzusehen.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Die Trockenheit in weiten Teilen Mittel- und Osteuropas bleibt bestehen. Seichte Gewässer sind vielerorts ausgetrocknet und die Flüsse führen Niedrigwasser, da wird auch der Abfluss der starken Niederschläge in den Alpen von Ende Oktober nicht nachhaltig wirken können. Einzig die Alpenrandseen auf der Südseite haben wieder normales Niveau erreicht, nachdem noch vor zwei Wochen teilweise Tiefststände verzeichnet wurden. Der in grossen Mengen gefallene Schnee in den Hochlagen der Alpen wird sich wohl halten können, in den mittleren Lagen ist allerdings angesichts der höhenwarmen Witterung mit einer raschen Ausaperung vor allem an den besonnten Hängen zu rechnen. Die in den letzten Oktobertagen in die Tallagen geflüchteten Alpenvögel dürften sich daher bald wieder in ihre angestammten Gebiete zurückziehen, und auch die Kurzstreckenzieher halten es noch eine Weile bei uns aus. Bei Südlagen ziehen Kraniche gerne im Windschatten der Alpen auf deren Nordseite mit dem bodennahen Ostwind (bei Nebel knapp oberhalb der Nebelgrenze), um nach Südfrankreich oder Spanien zu gelangen – das Jahr 2014 hat uns diesbezüglich Rekordsichtungen beschert.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
Finden Sie die Prognosen und Artikel von orniwetter.info nützlich und möchten sie nicht mehr missen? Da die Schaltung von aufdringlicher Werbung nicht nur viele Leser verärgert, sondern bei einer relativ wenig frequentierten Seite auch finanziell kaum etwas bringt, ist orniwetter.info als gemeinnütziges Projekt eines Kleinstunternehmens in einem schwierigen Marktumfeld auf freiwillige Unterstützung dringend angewiesen. Über den PayPal-Spendenbutton können Sie unkompliziert die Wertschätzung für diese Arbeit zum Ausdruck bringen und sichern somit den Fortbestand dieses kostenlosen Angebots. Ganz herzlichen Dank!
Falls Sie kein PayPal-Konto besitzen, können Sie direkt auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten einzahlen.