Die Klimaerwärmung hat in Mitteleuropa in den letzten Jahrzehnten alle Jahreszeiten erfasst, mit Ausnahme des Herbstes. Dies bekommen wir auch in diesem Jahr wieder zu spüren. Der Oktober fiel zwar gegenüber dem langjährigen Mittel nur geringfügig kühler aus, im Kontrast zum sommerlichen September war der Bruch aber markant. Die Wehrhaftigkeit des Oktobers und Novembers gegenüber dem allgemeinen Erwärmungstrend ist nicht zufällig, die Ursachen liegen in der immer geringeren Eisbedeckung des Arktischen Ozeans, die sich besonders im Herbst bemerkbar macht. Die Temperaturgegensätze zwischen Arktis und Nordatlantik werden geringer, was die Entwicklung von Sturmtiefs hemmt. Milde Westlagen haben somit im Herbst immer weniger Durchschlagskraft, oft erreichen uns die bereits ausgekühlten kontinentalen Luftmassen aus nördlicher bis östlicher Richtung. Der November 2016 scheint sich nach den aktuellen Unterlagen diesem Trend anschliessen zu wollen.
In den Wintermonaten ziehen wir für die Einschätzung der bevorstehenden Wetterlagen wieder die Bodenkarten zu Rate, da die Temperaturen und Windverhältnisse in Bodennähe oft ein anderes Bild abgeben als die im Sommerhalbjahr nützlicheren Karten der mittleren Troposphäre. In den letzten Tagen sahen die Rechnungen noch eine beinahe völlige Inaktivität des Atlantiks und somit keine Chancen für die Westwindzirkulation in Europa. Doch seit einigen Läufen treten allerlei neue Varianten auf, was darauf hindeutet dass die seit Anfang Oktober blockierte Zirkualation doch allmählich wieder in die Gänge kommen könnte. Die Unsicherheit in den Modellen ist nicht gerade hilfreich für die Erstellung einer Monatsprognose. Oft hilft in solchen Fällen nur, sich auf jene Karten zu stützen, welche viele Optionen offen lassen. Ob die daraus folgende Interpretation des Monatsverlaufs die richtige ist, wird sich weisen müssen…
Der von uns ausgwählte Lauf zeigt zwei Zentren mit positiver Abweichung der Höhendruckfelder: Eines über Skandinavien, das zweite zwischen Island und den Britischen Inseln. Eine negative Abweichung ist über Mitteleuropa zu sehen. Diese Abweichungen sind vom Betrag her nicht sehr extrem, die Zirkulationsform ist über den ganzen Monat gesehen gemischt. Dies bedeutet generell ein Erstarken der Westlagen, jedoch mit zwischenzeitlichen meridionalen Phasen mit Kaltlufteinbrüchen aus Nord bis Nordost wie auch milderen Einschüben aus südlicher Richtung. Im Bodendruckfeld erstreckt sich eine positive Anomalie von Skandinavien bis knapp nördlich der Azoren, wobei die Deutlichkeit der Abweichung nach Südwesten hin abnimmt. Mitteleuropa und der Mittelmeerraum zeigen einen Trend zu häufigerem Tiefdruckeinfluss als üblich.
Die Monatsmitteltemperatur dürfte von Südskandinavien über Mittel- bis Westeuropa unter die langjährige Norm zu liegen kommen. Regionale Abweichungen um 2 Grad gegenüber der Klimanorm 1981-2010 sind durchaus möglich, sollten aber flächig weniger stark ausfallen. Wärmer als normal wird der November im Mittelmeerraum – insbesondere nach Osten hin – gerechnet, und eine extreme Abweichung ist wie schon seit über einem Jahr im Hohen Norden von Island bis Spitzbergen zu erwarten. Interessant für unseren weiteren Winterverlauf dürfte das zu kalt berechnete Grönland sein, doch dazu demnächst mehr in unserer Winterprognose.
Die Niederschlagsverteilung sieht ein eher unauffälliges Mitteleuropa vor. Die recht deutlichen positiven Abweichungen über Südosteuropa dürften auf Vb-Tiefs mit Zufuhr feucht-milder Mittelmeerluft zurückzuführen sein, die zeitweise auch das östliche Mitteleuropa tangieren können. Bei solchen Lagen im November bilden sich nicht selten Luftmassengrenzen mit regional ergiebigen Schneefällen im erweiterten Alpenraum.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Der bereits vor einem Monat ersichtliche Trend zu einem frühen Wintereinbruch mit Aufbau einer sich haltenden Schneedecke in Nord- und Osteuropa scheint sich zu festigen, was Winterfluchten nordischer Arten erwarten lässt. Massgeblich ist hier die Nahrungsverfügbarkeit für die Vögel. Beerenfresser wie etwa der Seidenschwanz sind weniger von frühen Schneefällen betroffen als Vögel, die ihre Nahrung wie der Bergfink überwiegend am Boden suchen müssen. Eine recht winterliche Phase im ersten Novemberdrittel auch in Mitteleuropa mahnt unsere Kurzstreckenzieher rechtzeitig daran, nicht zu trödeln. An seichten Binnengewässern insbesondere in den nordöstlichen Regionen dürfte es schon bald ziemlich still werden, wenn diese erstmals überfrieren. Die aktuellen Langfristrechnungen lassen an der Nachhaltigkeit dieser Situation zweifeln, ein deutlicherer Trend für den gesamten Winterverlauf wird sich aber wohl erst in den nächsten zwei Wochen abzeichnen.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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Thomas am 31. Oktober 2016 um 22:02 Uhr
Hallo Fabienne
Du schreibst, “Die Wehrhaftigkeit des Oktobers und Novembers gegenüber dem allgemeinen Erwärmungstrend ist nicht zufällig..”.Gerade in den letzten Jahren sind aber eine Reihe von extrem warmen Novembermonaten aufgetreten, etwa 2009, 2015, 2016 und in höheren Lagen auch 2011.
Ich habe deshalb schnell eine kleine Auswertung mit den Monatsdaten von Bern gemacht: Hier gilt, dass sich in den letzten 10 Jahren (2006-2015) im Vergleich zum Mittelwert 1864-2015 nur der April stärker erwärmt hat als der November. Auch der Oktober steht im Vergleich mit den anderen Monaten nicht schlecht da. Ich nehme an, für die Gesamt-Schweiz wird das ähnlich aussehen.
Ich weiss, dass 10 Jahre keine lange Klimaperiode sind, aber müsste man nicht gerade in Zusammenhang mit der abnehmenden Eisbedeckung recht aktuelle Daten nehmen?
Merci für deine Rückmeldung
Grüsse, Thomas
Fabienne Muriset am 31. Oktober 2016 um 23:34 Uhr
Hallo Thomas, danke für den Diskussionsanstoss
Wie alle grösseren Wetterdienste arbeite ich bei Klimavergleichen mit 30-jährigen Perioden. Der von mir angeführte Vergleich basiert auf 1961-90 vs. 1981-2010. Hier zeigt sich im deutschen Flächenmittel (ermittelt durch den DWD), dass sich der September und der Oktober um je 0.2 Grad, der November um 0.4 Grad erwärmt haben, das Jahresmittel hingegen um 0.7 Grad. Ein ähnliches Bild zeigen die Karten von Meteoschweiz beim direkten Vergleich dieser beiden Perioden: http://www.meteoschweiz.admin.ch/home/klima/vergangenheit/klima-normwerte/normwert-karten.html?filters=temp_8110-6190_yy Hier sticht besonders der September heraus, der in den Alpinen Lagen sogar kälter geworden ist.
In der Tat hat sich der Herbst in den letzten 10 Jahren ebenfalls stark erwärmt, allerdings sind 10 Jahre eben keine Klimaperiode. Ein Vergleich mit einer 150-jährigen Klimaperiode ist ebenso wenig sinnvoll. Der Herbst hat z.B. in der Klimanormperiode 1931-1960 gegenüber den Vorperioden deutlich zugelegt und stagniert seither, im Gegensatz zu den übrigen Jahreszeiten. Interessant wird es in fünf Jahren, wenn wir die neue, weltweit gültige Klimanormperiode 1991-2020 kennen und diese ohne Überschneidungen mit 60-90 vergleichen können.
Thomas am 1. November 2016 um 21:59 Uhr
Ok, das kann ich nachvollziehen. Auf den November komme ich trotzdem nochmals zurück, denn die aktuellen Daten scheinen einfach einem starken Zusammenhang zwischen Eisbedeckung des Arktischen Ozeans und Novembertemperaturen zu widersprechen. Die Meereisbedeckung in der Arktis hat doch gerade in den letzten 15-20 Jahren stark abgenommen, während die Novemberemperaturen mindestens in den letzten 10-15 Jahren einen markanten Anstieg zeigen.
manu_pfi am 14. November 2016 um 23:46 Uhr
Guten Abend,ich habe heute, den 14.11.2016 um ca. 22.20 eine seltsame Entdeckung gemacht. Als erstes hörte ich ein Geräusch, das ich schlecht einordnen und lockalisieren konnte.Ich wusste einfach, dass es von oben kommt.Ich wohne im Dorfkern von Allschwil. Doch dann sah ich sie:ca 100 Gänse?,die sich sehr laut während des Flugs unterhielten und in V-Formation tief über die Dächer vor dem grossen Mond in Richtung Oberwil davon flogen. Um diese Zeit??? Was für ein Erlebnis.
Guten Abend
M.P.