Was macht ein schlecht gelaunter Mai im neuen Klima? Er ahmt den April nach. In den letzten Jahren war wenig zu sehen vom „Wonnemonat“: Entweder war er deutlich zu kühl (2019, 2020, 2021) oder zu nass (2021, 2024), oder viel zu trocken, was wiederum auch nicht gut ist für die Nahrungsgrundlage der brütenden Vögel (2020, 2022, 2023). Der Mai war wegen seiner starken Neigung zu meridionalen Lagen (Nord, Ost, Süd) schon immer eine Wundertüte. Mit den Gegebenheiten der neuen Klimaverhältnisse ist seine Prognostizierbarkeit nicht besser geworden – wir versuchen es trotzdem.

Der Bestand der Mehlschwalbe hat unter den Wetterextremen der letzten Frühjahre und am Herbstzug besonders gelitten – ihr würde ein „normaler“ Mai helfen
In zehn Jahren CFS gucken für die Monatsprognose gab es das noch nie: Um eine für mich einigermassen plausible Modellrechnung zu finden, musste ich alle Läufe bis fünf Tage zurück durchsuchen. Die Auswahl an Szenarien ist riesig, einzig extrem warme Ausreisser in Mitteleuropa sind nicht im Angebot. Das deutet schon mal auf eine extrem schlechte Prognosegüte hin, wie bereits im vergangenen April kann man somit auch diesmal gewaltig auf die Nase fallen. Egal: Mund abwischen, weitermachen! Klar ist einzig: Um wieder so warme Tage wie gleich zu Monatsbeginn zu erleben, müssen wir uns in Geduld üben, denn im EZ-Ensemble wird das Regime atlantischer Rücken (ATR) für die ersten zwei Monatsdrittel dominant gerechnet.
Der herausgepickte Lauf, der zwar auch nicht perfekt erscheint, aber zumindest in die Nähe meiner Vorstellungen kommt, zeigt nur schwache Abweichungen zur langjährigen Norm im Höhendruckfeld. Eine positive Anomalie soll sich von den Britischen Inseln bis nach Skandinavien erstrecken und findet einen Fortsatz über dem Atlantik westlich der Azoren. Negative Abweichungen liegen nordwestlich und südlich dieser Hochdruckbrücke, die für uns relevante hat den Kern über der Iberischen Halbinsel und reicht gerade bis ins südliche Mitteleuropa. Unter diesen Gegebenheiten sind Nord- bis Ostlagen in der Überzahl. Die schwachen Abweichungen deuten aber darauf hin, dass die Hochs und Tiefs nicht für längere Zeit persistent über einem Gebiet verharren, sondern ständig ein bisschen ihre Position ändern. Ein weiterer Grund für das „Verwaschen“ ist die sehr warme Lage zu Beginn des Monats und womöglich wieder eine solche am Monatsende – am Schluss kommt dann eben wieder mal Mittelmass heraus.
Dasselbe gilt auch für die Temperatur: Mehr als ein bis zwei Grad Abweichung in beide Richtungen findet man nirgends in Europa. Der Nordwesten und Norden sind unter etwas mehr Hochdruckeinfluss leicht wärmer als normal, leichte Abweichungen nach unten gibt es in Südwest- und Osteuropa. Mitteleuropa wird mit einem warmen Start und warmen Ende und viel Frische dazwischen ungefähr in der langjährigen Norm landen – wo genau sich am Boden regionale Abweichungen davon finden werden, darüber entscheiden wahrscheinlich eher zufällig verteilte Stau- und Föhneffekte.
Beim Niederschlag werden die lokalen Abweichungen wahrscheinlich zu einem grossen Teil ebenfalls von zufälligen Schauer- und Gewittertreffern abhängig sein – ein gängiges Muster im Sommerhalbjahr insbesondere dann, wenn kaum Wetterlagen aus dem Sektor West zu erwarten sind und sich die meridionalen Grosswettertypen (Nord, Ost, Süd) mehrmals ablösen. Auffällig starke Abweichungen gibt es einzig im westlichen Mittelmeerraum – hier reicht allerdings ein einziges abgetropftes Tief, um in wenigen Tagen die mehrfache Menge eines durchschnittlichen Maimonats liegen zu lassen.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Die nordische Vogelwelt wird sich über das frühe Ende des Winters in der Arktis freuen. In Mitteleuropa scheint einzig die weit unterdurchschnittliche Schneelage in den Zentral- und Ostalpen und somit geringer Schmelzwassereintrag in die Flüsse ein herausragendes Merkmal zu sein, hier ist also zumindest das Risiko für ein zerstörerisches Hochwasser gering. In den südwestlichen Alpen sieht es nach den enormen Schneefällen vom 16./17. April etwas anders aus: Eine neue Starkregenlage könnte hier ein grösseres Hochwasser bringen, ansonsten sollte sich der Abfluss in der Norm bewegen. Prekär ist die Lage nach dem bisher trockenen Frühling vor allem im nordöstlichen Mitteleuropa, wo viele Flachgewässer ausgetrocknet sind und Bodenbrütern wie etwa dem Kranich keinen Schutz vor Prädatoren und Wasservögeln keine Nahrung bieten können. Nach einer Entspannung sieht es in diesen Regionen vorerst nicht aus.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe gegenüber der Klimanorm 1991-2020

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1991-2020
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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