Alles neu macht der Mai. Wäre dies ein Versprechen, würde sich die Natur darüber freuen. Denn es gibt im Frühling nichts Unnützeres als einen trocken-kalten Monat, wie wir ihn soeben hinter uns haben. So gesehen kann es eigentlich nur besser werden. Und tatsächlich machen die Modelle etwas Hoffnung, zumindest was die Niederschläge betrifft. Temperaturmässig müssen wir uns noch etwas gedulden, dieser Frühling will einfach nicht so richtig in die Gänge kommen.

Keine grösseren Probleme auf dem Heimzug dürften die späten Südostzieher haben (Neuntöter im Nordtessin, Ende Mai 2019)
Leider stehen uns die gewohnten Karten mit den Einzelläufen des Langfristmodells CFS immer noch nicht zur Verfügung, sodass wir erneut mit den Ensemble-Mitteln der jüngsten zwölf Läufe arbeiten müssen. Das mindert die Zuverlässigkeit dahingehend, dass wir aus den fehlenden Einzelläufen keinen Trend herauslesen können, z.B. ob es auffällige Ausreisser-Rechnungen gibt, die eine überraschende Entwicklung hin zu einer Extremlösung wie gerade erlebt den aussergewöhnlich kalten April andeuten. Hoffen wir also, dass es bald wieder Karten im gewohnten Umfang gibt, andernfalls müssen wir uns überlegen, ob Prognosen auf dieser Basis überhaupt sinnvoll sind.
Immerhin zeigt die Entwicklung des Ensemble-Mittels seit einiger Zeit eine relativ stabile Entwicklung. Nordhemisphärisch kommt der Polarwirbel wieder besser in Gang als auch schon, dabei nistet sich zwischen Grönland, Skandinavien und Nordwesteuropa eine deutlich negative Geopotenzial-Anomalie ein. Dem gegenüber steht höheres Geopotenzial mit zwei Zentren über Südwest- und Südosteuropa gegenüber. Die Schwäche dazwischen deutet an, dass es gelegentlich Austrogungen über Mitteleuropa geben dürfte, ansonsten überwiegen etwas entgegen der jahreszeitlichen Norm West-, Südwest- und Nordwestlagen den Monat. Demzufolge stellt sich für Mitteleuropa die klassische Verteilung ein, dass der Norden häufiger von Tiefdruckwetter beeinflusst wird als der Süden.
Auch bei den Temperaturen deutet sich ein klares Gefälle von Süden nach Norden an. Die höchsten positiven Abweichungen werden in Südosteuropa erwartet, etwas weniger deutlich in Südwesteuropa. Deutlich unterkühlt wird wird alles nordwestlich der europäischen Küsten sowie Skandinavien gerechnet. Die relativ breite Zone dazwischen kann mit einem durchschnittlich temperierten Mai rechnen, wobei wir anhand der Mittelfristmodelle recht sicher sagen können, dass das erste Monatsdrittel auch hier sehr kühl daherkommt. Um die gezeigte “Normalität” im Monatsdurchschnitt erreichen zu können, müssen also spätestens ab Mitte Monat zumindest leicht überdurchschnittliche Verhältnisse herrschen – oder aber es zieht sich noch weiter zäh und irgendwann reisst eine kürzere, aber heftige sommerliche Phase das Mittel noch nach oben.
Entsprechend der westlastigen Windverhältnisse zieht sich ein breites Band mit überdurchschnittlichen Niederschlägen in WSW-ENE-Richtung zwischen Südskandinavien und den Alpen quer durch Europa. Hingegen wird fast ganz Südeuropa, aber auch das südöstliche Mitteleuropa im Windschatten der Alpen zu trocken gerechnet. Die Alpen stellen also wieder einmal die klassische Wetterscheide dar.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
In weiten Teilen Mitteleuropas soll also der längst überfällige Regen fallen. Leider kommt dieser für einen Grossteil der Vogelwelt zu spät, denn in den seit 2018 trocken gefallenen Feuchtgebieten errichten viele Bodenbrüter gar nicht erst ihre Nester, weil sie so den Prädatoren ungeschützt ausgeliefert sind. So stellen die Beobachter im Nordosten Deutschlands fest, dass nur sehr wenige Kraniche wie schon in den letzten zwei Jahren eine Brut gestartet haben. Der Regen kommt vor allem auch für die Insektenjäger zur Unzeit, die jetzt ihre Brut füttern müssen. Profitieren dürften hingegen die Spätzieher aus dem Südosten, die jetzt auf dem Heimzug freie Bahn haben und ihre Brut dann bei uns beginnen können, wenn die usselige Phase (hoffentlich) vorbei ist.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur in ca. 1500 m Höhe gegenüber der Klimanorm 1984-2009

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1984-2009
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
Finden Sie die Prognosen und Artikel von orniwetter.info nützlich und möchten sie nicht mehr missen? Da die Schaltung von aufdringlicher Werbung nicht nur viele Leser verärgert, sondern bei einer relativ wenig frequentierten Seite auch finanziell kaum etwas bringt, ist orniwetter.info als gemeinnütziges Projekt eines Kleinstunternehmens in einem schwierigen Marktumfeld auf freiwillige Unterstützung dringend angewiesen. Über den PayPal-Spendenbutton können Sie unkompliziert die Wertschätzung für diese Arbeit zum Ausdruck bringen und sichern somit den Fortbestand dieses kostenlosen Angebots. Ganz herzlichen Dank!
Falls Sie kein PayPal-Konto besitzen, können Sie direkt auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten einzahlen.