Eigentlich haben wir den Mai – zumindest witterungsmässig – bereits hinter uns gelassen. Rollentausch der Monate, wie zuvor Januar und März? Wir hoffen nicht, und man muss dies anhand der aktuellen Unterlagen auch nicht mehr ernsthaft befürchten. Die grossräumige Zirkulation bleibt zwar gestört, so chancenlos wie noch im April ist die Westdrift allerdings in den kommenden Wochen nicht mehr und sie scheint zumindest zeitweise bei uns anklopfen zu wollen. Im Grossen und Ganzen müssen wir aber weiterhin mit Lagen der gemischten und meridionalen Zirkulation rechnen, was – wir wiederholen uns ständig – die Prognosen unsicher macht. Zuversicht schöpfen wir aus der Erhaltungsneigung, wonach sich die Austrogungen der Tiefdruckgebiete auch weiterhin hauptsächlich über West- bis Südeuropa eingraben dürften.
Da der Mai statistisch in Sachen Launenhaftigkeit und Bandbreite der möglichen Witterungstypen dem April in nichts nachsteht, müssen wir auch diesmal vorausschicken, dass die Prognosen mit Vorsicht zu geniessen sind. Die stark gestörte nordhemisphärische Zirkulation (im Frühling zwar nicht ungewöhnlich, aber dieses Jahr besonders ausgeprägt) steigert die Unsicherheit zusätzlich. Und doch wurden wir positiv überrascht, wie stabil sich die vorhergesagten Druckgebilde über Europa im April halten konnten. So stimmt es zuversichtlich, dass sich dieses Muster auch noch eine Weile in den Mai hineinziehen wird. Man darf allerdings nicht erwarten, dass sich diese extreme Situation nun ewig so hält, und der im Vergleich zu den vorangegangenen drei Wochen recht kühle Start in den Mai zeigt uns, dass das System allmählich wankt. Entsprechend sind die Langfrist-Karten nicht wirklich eindeutig.
Der von uns ausgewählte Modelllauf zeigt bei der Druckverteilung eine ausgeprägte positive Anomalie über Nordeuropa sowie ein leicht nach Westen verschobenes Azorenhoch. Die Brücke zwischen diesen beiden Hochdruckgebilden weist vor den Küsten Westeuropas eine Schwachstelle auf. Dort hindurch zwängen sich die abtropfenden atlantischen Tiefdruckgebiete (Maximum der negativen Druckanomalie über der Südspitze Grönlands) auf ihrem Weg in den Mittelmeerraum. Entsprechend wird ein sekundäres Zentrum negativer Druckanomalie über den maghrebinischen Ländern gezeigt. Mit dieser Konstellation überwiegt im nördlichen Mitteleuropa stabiles Hochdruckwetter, während der Alpenraum häufiger in den Grenzbereich zwischen Nordeuropahoch und Mittelmeertief in eine östliche Strömung zu liegen kommt. Die dominierenden Grosswettertypen in Mitteleuropa sind somit Ost, Hoch und Süd, West- bis Südwestlagen können kurze Gastspiele geben. Kaum eine Chance haben bei diesen Voraussetzungen Nordlagen, was die Gefahr von Spätfrosten markant senkt.
Die Temperaturverteilung orientiert sich wie im Sommerhalbjahr üblich stark an den Druckanomalien. Der hochdruckdominierte Norden Europas wird bei einem starken Überschuss an Sonnenstunden gegenüber dem langjährigen Mittel einen sehr warmen Mai erleben, teilweise zieht sich dieser Wärmeüberschuss mit ungefähr +2 Grad gegenüber der Klimanorm bis weit nach Mitteleuropa hinein. In föhnbegünstigten Lagen sind durchaus wieder Abweichungen von 3-4 Grad im Monatsmittel möglich. Deutlich unterkühlt wird der Mai in Südwesteuropa und Nordafrika.
Nord- und weite Teile Mitteleuropas werden bei häufigem Hochdruckeinfluss einen deutlich zu trockenen Mai verzeichnen. Die Unsicherheit beginnt im südlichen und östlichen Mitteleuropa bei zeitweiligem Einfluss der Mittelmeertiefs. Hier werden wahrscheinlich häufige Gewitter für lokal erhebliche Niederschlagsmengen sorgen. Die Verteilung ist allerdings sehr ungleichmässig, sodass es auch hier Orte mit fortschreitender Trockenheit geben kann. Eine gewisse Aufmerksamkeit verdienen die immer noch überdurchschnittlichen Schneemengen im Hochgebirge als Erbe des niederschlagsreichen Winters. Wetterlagen mit Starkniederschlägen bei gleichzeitig hoher Schneefallgrenze können in den Alpen-Abflüssen Hochwasser auslösen. Mit einem aussergewöhnlich nassen Mai muss man in weiten Teilen der Mittelmeerregion rechnen.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Diejenigen Zugvögel, welche den beschwerlichen Weg zu uns bereits hinter sich gebracht haben, können sich auf einen weitgehend freundlichen Beginn ihrer Brutsaison freuen, wenn auch lokale Unwetter besonders in den Alpen und in den Mittelgebirgen auftreten können. Noch nicht gänzlich gebannt ist die Gefahr von Hochwasser aufgrund der im Hochgebirge noch lagernden Schneemassen. Da längere nasskalte Phasen nicht zu erwarten sind, wird auch die Brutsaison in den mittleren Höhenlagen gut anlaufen. Die spät ziehenden Vögel auf der östlichen Mittelmeerroute dürften rechtzeitig in den Brutgebieten ankommen. Probleme gibt es nach wie vor auf der Südwestroute über Gibraltar und die Iberische Halbinsel, wo länger anhaltende Phasen kalter und niederschlagsreicher Witterung bei gleichzeitigem Gegenwind den Vogelzug behindern. Man muss also damit rechnen, dass im westlichen Mitteleuropa einige Arten nach wie vor auf sich warten lassen.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
Finden Sie die Prognosen und Artikel von orniwetter.info nützlich und möchten sie nicht mehr missen? Da die Schaltung von aufdringlicher Werbung nicht nur viele Leser verärgert, sondern bei einer relativ wenig frequentierten Seite auch finanziell kaum etwas bringt, ist orniwetter.info als gemeinnütziges Projekt eines Kleinstunternehmens in einem schwierigen Marktumfeld auf freiwillige Unterstützung dringend angewiesen. Über den PayPal-Spendenbutton können Sie unkompliziert die Wertschätzung für diese Arbeit zum Ausdruck bringen und sichern somit den Fortbestand dieses kostenlosen Angebots. Ganz herzlichen Dank!
Falls Sie kein PayPal-Konto besitzen, können Sie direkt auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten einzahlen.
Kurt Nadler am 3. Mai 2018 um 19:05 Uhr
Liebe Fabienne!
Wir Westpannonier blieben den April über fast niederschlagsfrei, aus dem Hochfrühling wurde schnell Hochsommer, und in den Gebäuden begann kurz nach der Heizperiode der Zeitabschnitt, wo man sich gegen die warme Außenluft schützen muss. Tags zumachen und nachts aufmachen, und das im April.
Die Neuntöter sind zuletzt wohlbehalten, aber nicht wirklich verfrüht, angekommen. Ob das schon Mai war, oder evtl. doch noch April, kann ich aber nicht sagen.
Mit den aktuellen 2-Wochenvorhersagekarten könnte man ja auf zu uns ausgreifende mediterrane Niederschläge hoffen, in den letzten Wochen wurde das aber leider fast nichts – bis auf das “Graz-Unwetter” vom 16.4. und gestern in NÖ und Wien, nix bei uns.
Sommerfeeling (mit Steppenklima): http://wetter.orf.at/niederoesterreich/oe3-baddeutschaltenburg/#monat.
Beste Grüße
Kurt
P.S. Danke für Dein neues Thema Vogelzugradar…