Der April 2017 hat uns wieder mal gezeigt, zu was Frühlingsmonate imstande sind, wenn es ganz dumm läuft. Bezüglich dumm laufen steht der Mai in der Regel dem April in nichts nach, insbesondere dann, wenn der April bereits entsprechend vorgespurt hat. In der Meteorologie nennen wir das „Erhaltungsneigung“. Diese ist dann gegeben, wenn die planetarischen Wellen auf der Nordhalbkugel – also die Verteilung der grossen Hoch- und Tiefdruckgebiete in den gemässigten Breiten – in nur geringer Anzahl vorhanden sind (derzeit drei bis vier). Dann nämlich bewegen sich die Druckgebilde kaum von der Stelle. Anders wenn sich fünf bis sieben solcher Wellen um die Nordhemisphäre spannen, dann verlagern sie sich rasch ostwärts und bescheren uns einen stetigen Wechsel von warmen und kühlen Luftmassen. Von einer solchen „normalen“ Westwindzirkulation sind wir momentan meilenweit entfernt, was allerdings für den Frühling keineswegs ein aussergewöhnlicher Zustand ist.
Das Langfristmodell CFS ist sich in seinen aktuellen Läufen insofern einig, dass die derzeitige Druckverteilung mit einerseits Tiefdruckanomalien über den Azoren und Nordosteuropa und andererseits Hochdruckanomalien im Bereich Grönland-Island sowie Südosteuropa im Mai über weite Strecken bestehen bleibt. Mitteleuropa befindet sich dabei im Sattelpunkt dieses sogenannten Viererdruckfeldes. Unterschiede gibt es allerdings von Lauf zu Lauf bezüglich Ausprägung und genauer Position dieser Druckgebilde. Und genau diese Unterschiede sind es, welche auf die Witterung in Mitteleuropa starken Einfluss ausüben. Mal wird eine Hochdruckbrücke zwischen Nordwest und Südost über Mitteleuropa hinweg gezeigt, mal ist es die Tiefdruckrinne zwischen Südwest und Nordost, welche dominanter auftritt. Oder eines der Druckgebilde – entweder das Hoch über der Nordsee oder das Tief über Nordosteuropa – wird derart stark gerechnet, dass es das Regime übernimmt. Da die Auswahl des vermeintlich richtig liegenden Laufs einer Lotterie gleicht, haben wir uns diesmal entschieden, jenen Lauf zu zeigen, welcher keines der Druckgebilde bevorzugt, sondern eine Pattsituation darstellt. An diesem Beispiel lässt sich die Problematik der Prognose für den Mai 2017 am deutlichsten aufzeigen.
Die eingangs geschilderte Konstellation des Viererdruckfeldes lässt für Mitteleuropa eine Dominanz von Nord- und Ostlagen erwarten. Wird das Nordmeerhoch stärker, erreichen uns kalt-feuchte Luftmassen aus nordwestlicher bis nördlicher Richtung. Ein Erstarken und gleichzeitige Südverlagerung des Russlandtiefs bedeutet Zufuhr kalter, eher trockener Luftmassen aus Nord bis Nordost. Dabei besteht auch immer die Möglichkeit, dass Kaltlufttropfen über Mitteleuropa für unbeständiges Schauerwetter mit Schneefällen bis in tiefe Lagen sorgen. Sollte sich das Südosteuropahoch durchsetzen und die Tiefdruckrinne zwischen Azoren und Russland nach Nordwesten verdrängen, sind auch warme Süd- und Südwestlagen möglich. Und dann wären da noch die CutOff-Tiefs, die sich vom zentralen Atlantik in Richtung Mitteleuropa aufmachen und für sehr feuchte Verhältnisse sorgen (so gleich in der ersten Maiwoche). Welches Schweinderl hätten’s denn gern? Am besten von allem etwas. Auch der Mai darf machen, was er will…
Die Temperaturkarte spiegelt die Druckverhältnisse wider. Überdurchschnittlich warm wird der Mai unter dem beständigen Hoch im Raum Grönland-Island sowie in Südosteuropa. Deutlich unterkühlt wird der Norden und Nordosten Europas sowie etwas weniger ausgeprägt das Atlantikgebiet rund um die Azoren. Wir sehen, dass sich Mitteleuropa im Schnittpunkt der unterschiedlichen Einflüsse befindet und somit ein durchschnittlich temperierter Mai zu erwarten ist. Die Frage, wie häufig und wie weit die Kaltluftausbrüche nach Süden und Westen vorankommen, lässt sich kaum beantworten. Die Gefahr scharfer Nachtfröste ist somit leider auch in den nächsten Wochen noch nicht gebannt.
Die Aussage der Niederschlagskarte ist mit grosser Vorsicht zu geniessen, insbesondere was die regionale Verteilung in Mitteleuropa betrifft. Tendenziell dürfte der Mai durchschnittliche Niederschlagsmengen bringen. Die Akzentuierung grösserer Niederschlagsmengen auf die Gebirgsregionen deutet darauf hin, dass Kaltlufttropfen und CutOff-Tiefs konvektive Niederschläge (Schauer und Gewitter) über dem Relief fördern und das Flachland mangels flächiger Frontniederschläge eher etwas trockener bleibt.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Verspätete Südostzieher finden nun am Bosporus und in Südosteuropa gute Zugbedingungen vor und sollten in den nächsten Tagen zahlreich bei uns eintreffen, womit der Frühjahrszug dann bald einmal abgeschlossen wäre. Den einheimischen Vögeln, welche aufgrund der aussergewöhnlich warmen Witterung im März und in der ersten Aprilhälfte bereits gebrütet und ihren Nachwuchs wegen des Winterrückfalls verloren haben, wäre nun ein warmer und nicht allzu nasser Mai für das Nachgelege zu wünschen. Leider sieht es diesbezüglich nicht sehr stabil aus, sind doch weitere Kälteeinbrüche wahrscheinlich. Schwierig ist auch die Situation der Gebirgsvögel: Auf den späten und massiven Neuschneezuwachs von Ende April dürften weitere Schneefälle bis in Mittelgebirgslagen folgen und die Brutsaison noch weiter hinauszögern. Bei der bestehenden Konstellation ist auch damit zu rechnen, dass intensive Niederschläge mit hoher Schneefallgrenze ein markantes Hochwasser auslösen können.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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