Monatsprognose einfach gemacht: Man zähle die im langjährigen Mittel häufigsten sechs Grosswetterlagen des jeweiligen Monats auf, und schon hat man zu über 50 % Trefferwahrscheinlichkeit. Manche machen das auch wirklich so, listen aber über zehn GWL auf, um auf über zwei Drittel Trefferquote zu kommen, und schon ist man ein Langfrist-„Experte“. Im März funktioniert das aber mehr schlecht als recht, weil die Top 6 Grosswetterlagen sehr unterschiedlichen Wettercharakter bringen: Einerseits West zyklonal WZ und südliche Westlage WS, andererseits Trog Mitteleuropa TRM und Hoch Britische Inseln HB (beide Grosswettertyp Nord), und dann noch Hochdruckbrücke Mitteleuropa BM und Hoch Mitteleuropa HM.

Der Frühling ist dann definitiv da, wenn Vögel wieder fleissig Nistmaterial sammeln wie diese Schwanzmeise am 25.03.2024 an der Aare bei Bern
In der Tat findet man in den letzten Jahren viele Märze, die entweder von Westlagen, Nordlagen oder Hochdrucklagen geprägt waren – aber Achtung Problem: Meist von allen drei Grosswettertypen oder mindestens zwei davon, die jeweils längere Blöcke bildeten. Es ist dies die logische Folge des Übergangs von der Winterzirkulation (starke Westlagen) in die Frühlingszirkulation (häufige Blockadelagen mit Hochs entweder über Mitteleuropa oder westlich bis nordwestlich von uns). Die Herausforderung besteht jeweils darin, den Zeitpunkt der Umstellung vorherzusagen und ob diese auf Anhieb nachhaltig ist oder mehrere Anläufe benötigt. Das ist auch in diesem Jahr nicht anders.
Entsprechend tun sich die Langfristmodelle derzeit schwer. Dem Tenor der letzten Tage beider Schwergewichte (CFS und ECMWF) folgend, müsste man einen März auf Aprilniveau in Mitteleuropa vorhersagen mit nahezu Hochdruck ohne Ende, vielleicht dass sich mal gegen Monatsmitte ein abtropfendes Tief bei uns durch die Hochdruckbrücke mogelt. Die aktuellsten Läufe aller namhaften Mittelfristmodelle zeigen jedoch nach der fixen Hochdruckphase des ersten Monatsdrittels neuerdings für den Zeitraum ab dem 10. März Schweinereien, an denen sich um diese Zeit nur Masochisten erfreuen können (zyklonale Südostlage, gefolgt von südlicher Westlage und Nordost zyklonal). Ganz so extrem muss es ja nicht kommen, aber man sollte zumindest darauf gefasst sein. Es war gar nicht so einfach, im Pool von CFS einen Lauf zu finden, der diese Entwicklung ohne Eskalation in einen lupenreinen Märzwinter im Programm hat: Gerechnet wird mit einer positiven Druckanomalie von den Azoren bis Südskandinavien mit Kern über Irland, drumherum Tiefdruckdominanz mit der stärksten negativen Abweichung von Grönland bis zum Nordmeer. Die Frontalzone würde über weite Strecken von Neufundland über Island nach Skandinavien verlaufen, wo sie sich aufsplittet oder verliert, je nach Interpretation. Dies deutet auf Abtropfvorgänge hin, die mal als Kaltlufttropfen aus Nordosten zu uns gelangen können, mal direkt aus Nordwesten über uns CutOff-Tiefs ziehen lässt. Dabei auch immer wieder längere Hochdruckphasen, wobei die Brücke mit grosser Wahrscheinlichkeit meist nördlich der Alpen zu liegen kommt, was diesen und dem Süden einerseits Ostwinde, aber auch häufigen Einfluss von den abgetropften Tiefs über dem Mittelmeer beschert. Die eingangs aufgezählten Grosswetterlagen dürften also fast alle prägend sein – was man hingegen vergeblich sucht, sind länger anhaltende Südwest- bis Südlagen, die nur vereinzelt und meist erst gegen Monatsende, also im extrem unsicheren Bereich, gerechnet werden.
Die Lieferung von Golf-von-Amerexico-Luftpaketen nach Nordeuropa und in weiterer Folge bis weit nach Russland hinein (Parallelen zum aktuellen Politdrama sind natürlich rein zufällig) sorgt für breite Einigkeit in den Langfristmodellen, dass in Nord- und Osteuropa mit einer extremen positiven Temperaturabweichung zu rechnen ist: Das CFS-Mittel der letzten drei Tage (= 12 Läufe) rechnet mit Abweichungen von mehr als +8 Grad in Nordwestrussland. Ebenfalls recht einheitlich unterkühlt wird Südwesteuropa modelliert, also stellt sich nur noch die Frage, wie extrem das Gefälle und schlussendlich das Resultat in Mitteleuropa ausfallen wird. Die unten gezeigte Karte soll da nur eine grobe Richtlinie sein.
Bei der Niederschlagsverteilung gibt es ein paar logische Regionen mit mehr Nass als üblich, die da wären: Von der Südspitze Grönlands bis zur Westküste Islands, die norwegische Küste und mit Abstrichen vielleicht auch noch Schottland, sowie äusserst deutlich der westliche Mittelmeerraum. Die Ausprägung der dazwischen liegenden trockenen Zone hängt naturgemäss stark von der Position und Stärke des Hochs ab, das meist irgendwo zwischen Nordwest- und Mitteleuropa herumfläzt, aber eben durch seine geringfügigen Positionsveränderungen mal hier, mal dort den Zutritt von kleinräumigen Tiefs gestattet.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Am spannendsten für uns wird wohl die Frage, ob das garstige Wetter in Südwesteuropa die Mittelstreckenzieher von dort zu uns vertreibt oder sie aufhält. Kurzstreckenzieher sind ja teilweise bereits bei uns eingetroffen und wären froh, wenn die ungemütlichsten Modellrechnungen nicht zutreffen. Einen massiven Vorteil haben bei dieser Konstellation die Südostzieher, wobei sehr viele davon ja eher Langstreckenzieher sind, die erst im April bis Mai bei uns eintreffen.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur 2 m über Boden gegenüber der Klimanorm 1991-2020

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1991-2020
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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