Es ist so weit: Ab sofort dürfen wir die Jahreszeit auch offiziell “Frühling” nennen, zumindest wir Meteorologinnen. Gefühlt war der Winter in den Tieflagen ohnehin gar nie richtig da, Minus 6.6 Grad als Tiefstwert in Bern lässt tief blicken – dabei dachten wir vor zwei Jahren, als wir erstmals zwei Winter in Folge nie zweistellig im Minus waren, das wäre extrem gewesen. Nun ja, neue Zeiten sind angebrochen… Ob der März noch einen Nachschlag liefert? Gänzlich ausschliessen kann man es nicht, die Modelle wackeln diesbezüglich noch ziemlich herum.
Märzprognosen sind nie einfach, das liegt in der Natur der Sache. Der Grund liegt darin, dass dieser Monat den Übergang von der Winter- zur Frühlingzirkulation vollzieht, also von überwiegend West zu überwiegend blockierten Lagen. Derzeit sieht es danach aus, als wäre dieser Wechsel bereits vollzogen worden – und zumindest deutet die Mehrheit der Modellläufe darauf hin, als wäre dies nachhaltig geschehen, aber so ganz sicher kann man eben zu diesem Zeitpunkt nicht sein. Nun stellt sich noch die Frage, wo sich der Hochdruckkern positionieren wird. Da eiern die Modelle noch herum, doch genau dies ist aber für uns entscheidend, weil eine nördlichere Position die Tür für Kaltluft aus Nordost bis Ost noch mal – bzw. erstmals in diesem Winterhalbjahr – öffnen könnte. Das amerikanische CFS lässt den Hochdruck mehrheitlich über Mitteleuropa, was uns vor kalter Unbill schützen würde, während das europäische Modell nördlichere Varianten bevorzugt. Ich habe mich folglich mal wieder für einen Kompromiss entschieden.
Der ausgewählte Modelllauf rechnet mit einer ausgeprägten Hochdruckanomalie, die nahezu den gesamten Kontinent umfasst und ihr Zentrum im Raum Nordsee bis Südskandinavien platziert. Die Grösse des Gebiets lässt auf eine wandernde bzw. sich immer wieder regenerierende Hochdruckzelle schliessen. Die entsprechenden Wetterlagen sind überwiegend Ost und Hoch Mitteleuropa, bisweilen auch Nordost- bis Nordlagen. Ob noch mal eine West- bis Südwestlage dazwischen funken kann, bleibt abzuwarten, nachhaltig dürfte sie bei den gezeigten Rechnungen kaum sein. Tiefdruckanomalien befinden sich weit weg von uns südlich von Grönland und über dem kaspischen Meer.
In Nordeuropa ist unter dem permanenten Hochdruckeinfluss und überdurchschnittlicher Sonneneinstrahlung mit einem deutlich zu warmen März zu rechnen. Weitgehend um den Normalbereich herum werden die Temperaturen in weiten Teilen Mittel- und Westeuropas gerechnet, wobei sich hier ein eher kaltes erstes Monatsdrittel und ein eher warmes zweites ausgleichen sollen – folglich müsste das dritte Drittel wieder etwa durchschnittlich ausfallen. Tendenziell zu kühl dürfte der März im Mittelmeerraum werden.
Wo ständig Hochdruck herrscht, kann auch nicht viel Niederschlag fallen, entsprechend zeigt die Karte in weiten Teilen Europas einen deutlich zu trockenen Monat, insbesondere in Mitteleuropa. Überwiegend auflandige Winde verursachen etwas mehr Niederschlag als normal im Osten Spaniens und im Norden Norwegens. Auch soll der Einfluss der atlantischen Tiefs gerade mal knapp bis nach Irland und Schottland reichen.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Die gezeigten Wetterlagen dürften einen weitgehend normalen Frühjahrszug zur Folge haben ohne grossartige Spitzenzugtage, aber auch ohne nennenswerte Zugstaus. Möglicherweise kommt es durch die permanenten Ostwinde zur Verdriftung östlicher Arten in unsere Gefilde, die Suche nach Irrgästen könnte also mitunter erfolgversprechend sein. Die vorerst noch kalten, weil häufig klaren Nächte bremsen die Entwicklung der Vegetation und der Insektenwelt, was den später eintreffenden Langstreckenziehern zugute kommt.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
Finden Sie die Prognosen und Artikel von orniwetter.info nützlich und möchten sie nicht mehr missen? Da die Schaltung von aufdringlicher Werbung nicht nur viele Leser verärgert, sondern bei einer relativ wenig frequentierten Seite auch finanziell kaum etwas bringt, ist orniwetter.info als gemeinnütziges Projekt eines Kleinstunternehmens in einem schwierigen Marktumfeld auf freiwillige Unterstützung dringend angewiesen. Ohne die Entwicklung eigener Prognosekarten, finanziert durch die treue Leserschaft dieser Seite, wäre das Projekt im Frühling 2021 nach dem Verlust der Karten bei meteociel.fr gestorben. Über den PayPal-Spendenbutton können auch Sie unkompliziert die Wertschätzung für diese Arbeit zum Ausdruck bringen und sichern somit den Fortbestand dieses kostenlosen Angebots. Ganz herzlichen Dank!
Falls Sie kein PayPal-Konto besitzen, können Sie direkt auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten einzahlen.