Nachdem der Frühling in der Natur bereits vielerorts angekommen ist, hält er nun mit dem 1. März auch statistisch-meteorologisch Einzug. Eine spannende Zeit, denn bald entscheidet sich, in welche Bahnen das heurige Frühlingswetter gelenkt werden soll. Die Hochsaison der Westlagen endet allmählich und die Zirkulationsform wird träger, sprich: meridionaler. Dabei stellt sich immer die Frage: Kommt Mitteleuropa eher in die kühleren Nordströmungen oder die wärmeren Südströmungen zu liegen? Entscheidend ist diese Frage auch für die Vogelwelt, denn das grossräumige Zirkulationsmuster entscheidet darüber, in welchen Regionen Europas die Zugvögel günstigen Rückenwind oder hinderlichen Gegenwind vorfinden und somit, wann die Heimkehrer bei uns eintreffen.

Bald zilpt und zalpt es wieder aus jedem Baum… doch wahrscheinlich bereits mit mehr verdeckendem Grün (Berner Mittelland, Ende März 2016)
Nach dem rekordverdächtig Westlagen-lastigen Februar scheint es vorerst mal in diesem Trott weiterzugehen, allerdings verläuft die Westströmung nicht mehr ganz so glatt und zügig wie noch während der letzten Wochen. Das hat klimatologische Gründe, und immerhin auf diese kann man sich auch heute noch verlassen: Die Stratosphäre erwärmt sich über der Arktis allmählich und damit wird der Polarwirbel, der den Jetstream und somit auch die Westlagen anfeuert, saisonal bedingt geschwächt. Das für den Frühling typische meridionale Zirkulationsmuster stellt sich ein, und damit beginnt für uns Meteorologen auch wieder die Zeit der Unsicherheiten. Die da wären: Wann endet die Westlage und was folgt danach? Wir versuchen es trotz widersprüchlicher Läufe der Langfristmodelle aufzudröseln.
Wir haben uns aus dem amerikanischen Langfristmodell einen Lauf rausgepickt, der in Sachen Druckverteilung keine extremen Abweichungen im für uns relavanten Gebiet zeigt. Das kann zwei Gründe haben: Entweder kommen die Druckgebiete ungefähr entsprechend der langjährigen Norm zu liegen oder aber das Monatsmittel wird durch völlig unterschiedliche, sich aufhebende Gegensätze verwässert. Wie wir anhand der Temperatur- und Niederschlagskarten sehen werden, liegt in unserem Fall eine Mischung von beidem vor. Doch bleiben wir vorerst noch bei den Druckabweichungen: Unser präferierter Lauf zeigt sowohl zonale wie meridionale Komponenten. Da ist einerseits noch eine leicht negative Druckanomalie über dem europäischen Nordmeer und eine schwache Hochdruckbrücke zwischen dem zentralen Nordatlantik und Osteuropa zu finden; das ist die zonale Komponente, welche die noch dominierenden Westlagen in der ersten Monatshälfte repräsentiert. Andererseits zeigt der Lauf eine mässige negative Druckanomalie östlich der Azoren bis zur Iberischen Halbinsel und eine ebenso gemässigte Hochdruckanomalie über Osteuropa. Das ist die meridionale Komponente, die dafür spricht, dass in der zweiten Märzhälfte ein Trend zu Blockierung und somit Südlagen besteht. Das europäische Modell tendiert auch in diese Richtung, daher haben wir uns in der Vielfalt der zur Auswahl stehenden Möglichkeiten für diese Variante entschieden.
Die Auswirkung dieser Zweiteilung des Monats in Sachen Zirkulationsform wird in der Temperaturkarte deutlich: Im atlantisch geprägten Westeuropa bringen Westlagen nicht mehr ganz so hohe positive Abweichungen wie noch in den Wintermonaten, sehr wohl aber in Osteuropa, wo zu dieser Zeit eigentlich noch viel Schnee liegen müsste – tut er aber nicht. Kommt in der zweiten Märzhälfte noch eine Hochdrucklage über Osteuropa hinzu, erwärmt die bereits recht kräftige Sonne den Boden sehr rasch, was das Temperaturniveau weiter über das übliche Klimamittel hebt: Es würde nicht überraschen, wenn in Osteuropa wie bereits in allen vorhergehenden Monaten die Abweichung höher ausfällt als vom Modell gerechnet. Mitteleuropa liegt irgendwo dazwischen, wir gehen mal grob von zwei Grad über dem langjährigen Mittel aus – nach Osten hin etwas mehr, im Westen etwas weniger.
Auch die Niederschlagsverteilung ist durch die oben geschilderte Zweiteilung des Monats geprägt: Das Westlagen-Muster zeigt sich durch die überdurchschnittlichen Niederschläge in Norwegen, das meridionale Muster durch die Trockenheit in Osteuropa einerseits und einer sehr nassen Iberischen Halbinsel andererseits. Wir rufen es der treuen Leserschaft gerne in Erinnerung und erwähnen es speziell für alle Neulinge: Die Karten gaukeln eine Genauigkeit vor, die so bestimmt nicht eintreffen wird, die Muster sind also eher als grobe Tendenzen zu verstehen. Entsprechend ist auch nicht ganz klar, wie Mitteleuropa schlussendlich bilanzieren wird: Eher unter dem nassen Einfluss aus Westen in der ersten Monatshälfte oder doch eher unter dem trockenen Hochdruckeinfluss in der zweiten Monatshälfte? Vermutlich wird es wie so oft grössere regionale Unterschiede geben.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Aufgrund des sehr milden Winterverlaufs sind viele Kurzstrecken- und Teilzieher bereits wieder bei uns oder waren gar nie richtig weg, es gibt ja bereits einige dokumentierte Bruten z.B. von Amseln in Städten der klimagünstigen tiefen Lagen. In der ersten Märzhälfte kehren vor allem während der milderen Phasen jene Kurzstreckenzieher zurück, die an den Atlantikküsten Westeuropas oder in Südfrankreich und auf der Iberischen Halbinsel überwintert haben. Mittelstreckenzieher aus dem zentralen und östlichen Mittelmeergebiet werden in der zweiten Märzhälfte gute Bedingungen für eine Rückkehr vorfinden, während der häufige Tiefdruckeinfluss über der Iberischen Halbinsel die Südwestzieher wohl noch eine Weile aufhalten wird. Noch ein Wort zu den Rastgebieten: Der sehr nasse Februar hat endlich zumindest oberflächlich für eine Erholung der Feuchtgebiete gesorgt, auch viele Wiesen und Äcker sind vernässt, was gute Beobachtungsbedingungen rastender Zugvögel verspricht. Für Beobachter von rastenden oder heimkehrenden Singvögeln wird dieser Frühling eher schwierig, treiben doch bereits einige Bäume und Büsche aus und werden so sehr früh den sonst zu dieser Jahreszeit freien Blick auf die gefiederten Freunde behindern.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = trockener, blau = nasser als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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