Das war also nichts mit den Chancen auf Westlagen im Mai, es blieb bei den scheuen Avancen im letzten Aprildrittel. Um eine derart lang anhaltende, blockierte Zirkulation zu finden, muss man weit zurück suchen gehen. So besteht auch wenig Grund zur Annahme, dass sich dies vor der üblichen Hochsommer-Umstellung Ende Juni bis Anfang Juli ändern soll. Die einzig spannende Frage diesbezüglich ist jene nach der Stabilität des Hochschwerpunkts. Über den gesamten Zeitraum seit Anfang April können wir feststellen, dass dieser sich langsam, aber stetig retrograd – also nach Westen – verlagert. Dies hat damit zu tun, dass an der Ostflanke solch beständiger Hochdruckgebiete Nordwind herrscht, an der Westflanke Südwind. Da Warmluftzufuhr in der Höhe das Hoch stützt, Kaltluftzufuhr es hingegen schwächt, muss sich das Hoch stetig etwas nach Westen verschieben. Dies ist eine typische Erscheinung meridionaler Zirkulation, dem völligen Gegenteil also der sonst bei uns üblichen zonalen Zirkulation, bei der die Druckgebiete rasch nach Osten wandern und uns abwechselnd wärmere und kühlere Luftmassen bringen.

Staus an den Planschbecken sind für den Juni 2018 vorprogrammiert. Haussperling und Amseldame an der katzensicheren orniwetter-Tränke.
Die völlig festgefahrene Zirkulation lässt auch den Langristmodellen wenig Spielraum. Kaum ein Modelllauf zeigt eine Umstellung des seit zwei Monaten bestehenden Musters, somit können Westlagen auch für den grössten Teil vom Juni weitgehend ausgeschlossen werden. Allenfalls kann sich gegen Monatsende die fast alljährlich stattfindende Zonalisierung durchsetzen, doch angesichts der heutigen Lage ist auch dies nicht sicher. Unterschiede gibt es naturgemäss bei den Details, wobei die für uns wichtigste Frage jene nach dem geographischen Schwerpunkt des Hochdruckgebietes ist.
Aufgrund der eingangs geschilderten Prozesse retrograder Verlagerung haben wir einen Lauf favorisiert, der den Hochdruckschwerpunkt zunehmend im Bereich Britische Inseln und Nordsee rechnet. Die positive Druckanomalie erstreckt sich allerdings bogenförmig von den Azoren über die Nordsee bis nach Osteuropa, bedeckt also weite Teile des Kontinents. Leicht negative Druckanomalien erstrecken sich nördlich und südlich davon, also von Grönland über das Nordmeer bis Nordrussland sowie über die Südhälfte des Mittelmeerraumes. Die dominierenden Grosswettertypen dieses Monats sind Hoch- und Ostlagen, bei weiterer Westverlagerung des Hochs ist auch mit (meist antizyklonalen) Nord- bis Nordwestlagen zu rechnen.
Weite Teile Europas werden einen deutlich zu warmen Juni verzeichnen. Am ausgeprägtesten ist die Wärme in Nordwest- und Mitteleuropa, wo die positive Abweichung zum langjährigen Mittel 2-3 Grad betragen dürfte, also durchschnittliches Juli-Niveau erreicht. Da die Luftmassen hauptsächlich aus Osten und seltener aus Süden kommen, ist die Abweichung des Monatsmittels weniger auf extreme Hitzewellen als vielmehr auf eine beständige sonnige und warme Lage zurückzuführen. Bei weitem nicht mehr so extrem wie in den Vormonaten ist die Wärme in Nord- und Osteuropa, wo sich die Temperaturen ungefähr der Klimanorm annähern, was aber über weite Strecken des Monats immer noch ordentlichen Sommer verspricht. Kühlere Nord- und Nordwestwinde nehmen hier allerdings zu. Unter der langjährigen Norm wird der Juni nur im südlichen Mittelmeerraum gerechnet, am deutlichsten in Südspanien und Marrokko.
Im Flachland Mitteleuropas wird der Juni wahrscheinlich über weite Strecken trocken verlaufen. Ungefähr normale Niederschlagsmengen sind in Alpennähe und in den Mittelgebirgen aufgrund häufiger Gewitter zu erwarten. Die sehr weit nördlich verlaufende Westwindzone regnet sich am skandinavischen Gebirge aus und abtropfende Tiefs (der Running-Gag seit zwei Monaten) bescheren weiten Teilen Südeuropas einen deutlich zu nassen Monat, was dort immerhin im Gegensatz zu den letzten Jahren nicht bereits vor der grossen Sommerhitze zu Trockenheit führt.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Ausbleibende Kaltlufteinbrüche mit langen Regenperioden sind beste Bedingungen für die Brutsaison 2018 in weiten Teilen Europas. Allerdings wäre Regen in vielen Regionen dringend nötig, damit flache Gewässer und kleinere Fliessgewässer ohne Eintrag von Schmelzwasser aus den Alpen nicht trocken fallen. Die Hochwassergefahr, die man aufgrund der grossen Schneemengen in den Alpen stetig im Auge behalten musste, ist durch „kontrollierte“ Schneeschmelze dank der Wärme und ausbleibenden langen Niederschlagsphasen mittlerweile auch kein Thema mehr. Dies alles schliesst natürlich nicht aus, dass lokale Unwetter hier und da für Unbill sorgen können. Diese Gefahr ist hauptsächlich in den Alpen und südlich davon gegeben, wo wiederkehrender Tiefdruckeinfluss vom Mittelmeer her mit sehr feuchten und warmen Luftmassen auch in den nächsten Wochen nicht abreisst.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = nasser, blau = trockener als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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