Mission Hitzesommer 2025 nach verhaltenem Start auf Kurs: Zumindest in der Südhälfte Mitteleuropas ist seit Pfingstmontag der Sommer gekommen, um zu bleiben, und somit sogar eine Woche früher als auf diesem Kanal prognostiziert. Nun hatten auch die jüngsten Hitzesommer ihre Schwächen, selbst der Überflieger 2003 Anfang Juli mit einem Tief Mitteleuropa oder 2015 mit verhältnismässig brutalen, aber kurzen Abstürzen. Wäre es anders, würden Jahrtausendsommer wie 1540 im neuen Klima in den Schatten gestellt – und sind wir ehrlich: Das kann sich niemand wünschen…

Der Juli ist die beste Beobachtungszeit für oft noch wenig scheue, flügge Jungvögel von Langstreckenziehern (Neuntöter, Region Thun, Mitte Juli 2023)
Was tun, wenn sich die Langfristmodelle für den Juli widersprechen oder in sich derart inkonsistent sind, dass schlicht nichts Vernünftiges dabei rauskommen kann? In solchen Fällen bleibt nur der Griff zur guten alten, wenn auch modern ausgelegten Siebenschläfer-Regel. Selbst dann, wenn deren Tauglichkeit wie im aktuellen Fall durch einen synoptischen Unfall in der zweiten Juliwoche (das ist immerhin schon relativ sicher) in Frage gestellt wird: Die Erfahrung zeigt, dass sich das Muster zum Monatswechsel Juni/Juli in etwa drei Viertel der Sommer immer wieder regeneriert. Darauf stützt die folgende Prognose, wenngleich sie im Pool der Läufe keine Mehrheit findet, sondern schon fast als Einzelfall herausgepickt werden muss. Etwas riskant, aber wer nichts wagt, der nichts gewinnt…
Dieser ominöse Lauf rechnet mit einer positiven Abweichung des Geopotenzials in 500 hPa (im Sommer bei uns durchschnittlich 5700 m), die sich als Brücke von Neufundland über die Britischen Inseln und das nördliche Mitteleuropa bis ins südliche Westrussland erstreckt. Der gesamte Bereich nördlich davon bleibt unter Tiefdruckeinfluss, die Frontalzone verläuft somit im Mittel knapp nördlich an Schottland vorbei über Südnorwegen und das nördliche Baltikum. Eine schwach negative Geopotenzial-Anomalie zeichnet sich über den Azoren und dem zentralen Mittelmeer ab. Die dominierenden Grosswetterlagen sind West antizykonal (WA), Hochdruckbrücke (BM) und Hoch Mitteleuropa (HM). Die zweite Juliwoche wird nach aktuellem Stand von einer zyklonalen Nordwestlage (NWZ) geprägt, die mit zur Vergleichsperiode 1991-2020 leicht negativen Abweichung die sehr heisse erste Juliwoche nicht annähernd ausgleichen kann.
Die Temperaturabweichung hält sich ziemlich genau an die Druckabweichung: Wo Hochdruck dominiert, wird die Luftmasse ein bis zwei Grad über der Klimanorm gerechnet, in den tiefdruckbestimmten Regionen meist um ein Grad kühler. Am Boden bedeutet dies in West- und Mitteleuropa mit überdurchschnittlicher Besonnung ein Mittel von etwa zwei Grad über KliNo 1991-2020 und somit potenziell Rang 2 seit Beginn der homogenisierten Messreihe 1864 in den Niederungen der Alpennordseite. Kurzum: Der Juli würde bei uns genau dort weitermachen, wo der Juni aufgehört hat. Diesmal ist aber auch die Nordhälfte Deutschlands mit im Boot, der scharfe Temperaturgradient verscheibt sich auf den Bereich zwischen Dänemark und Südnorwegen. Die Temperatur der Luftmasse über dem Mittelmeer wird wahrscheinlich gewaltig unterschätzt, jedenfalls ist bei den aktuell rekordhohen Wassertemperaturen nicht nachvollziehbar, woher die negative Abweichung kommen soll.
Etwas komplizierter ist es im Sommer naturgemäss bei der Niederschlagsverteilung. Eher am Südrand der Hochdruckbrücke gelegen, werden die Alpen wie auch die Pyrenäen und die Mittelgebirge wahrscheinlich durch häufige Gewitter übernormal gewässert, während sich im Flachland tendenziell die Fortsetzung der Trockenheit abzeichnet. Am ausgeprägtesten wird diese wahrscheinlich in Ostseenähe sein. Der nasse Gürtel der Westwindzone erstreckt sich über Island bis Lappland und kommt daher kaum mal in Mitteleuropa an.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Für den Wasserhaushalt der Alpenrandseen und deren Zuflüsse wie auch für die Speicherseen in den Alpen wären häufige Gewitter in den Bergen höchst willkommen, sind aber oft glückliche Zufallstreffer und kaum homogen verteilt. Frühe Rückkehrer unter den Watvögeln aus dem hohen Norden werden wegen des tiefen Wasserstands ausreichende Schlickflächen vorfinden, was für Beobachter aber auch heisst, dass sich ihre Objekte der Begierde weit verteilen können. Im Flachland im nördlichen Mitteleuropa wäre auch mit einem nassen Juli nichts mehr zu retten, da die Brutzeit vorbei ist. Hier sind die Rastmöglichkeiten für Durchzieher eher rar gesät, weil viele Flachgewässer nahezu ausgetrocknet sind. Leider ist mit vielen Hitzeopfern bei Jungvögeln zu rechnen, die auf der Suche nach etwas Abkühlung aus dem Nest fallen, besonders anfällig dafür sind Gebäudebrüter wie Schwalben und Mauersegler.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe gegenüber der Klimanorm 1991-2020

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1991-2020
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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