Mit Beginn des Hochsommers stellt in der Regel die nordhemisphärische Zirkulation um, wodurch die Siebenschläfer-Regel entstanden ist. So auch in diesem Jahr: War der Juni noch geprägt von meridionalen Lagen (zuletzt hauptsächlich Wetterlagen des Typs Süd), findet jetzt pünktlich zum Monatswechsel ein Umbau auf West, später sogar Nordwest statt. In erster Linie bedeutet dies mal, dass das zuletzt enorme Unwetterpotenzial deutlich zurückgefahren wird und es mit gemässigten Temperaturen weitergeht. Bei Hochdruckwetter heizt sich aber auch eine kühle Luftmasse über dem Kontinent rasch auf, daher bedeutet West bis Nordwest keineswegs, dass wir mit einem kühlen Juli rechnen müssen – ausser vielleicht ganz im Norden Mitteleuropas.

Wenn die Amsel auf dem Rücken schwimmt, die Hitze noch kein Ende nimmt (orniwetter-Tränke in Muri bei Bern, Juli 2017)
Das Langfristmodell CFS hat auch diesmal eine recht breite Palette an verschiedenen Lösungen bereit. Es gibt allerdings eine Variante, die häufiger als alle anderen gerechnet wird und auch vom europäischen Modell EZMWF gestützt wird. Die Wahrscheinlichkeit liegt also vermutlich irgendwo zwischen mässig und gut, dass die folgende Prognose einigermassen eintrifft.
Der von uns bevorzugte Lauf zeigt eine umfangreiche positive Druckanomalie über ganz Nord- und Mitteleuropa. Dabei bilden sich drei Pole aus: Einer über Weissrussland, einer über dem äussersten Norden Skandinaviens und einer über der Nordsee, wobei letzterer der stärkste sein soll. Dies deutet darauf hin, dass vom nach etwas nach Nordosten verschobenen Azorenhoch Ausläufer abkalben und sich für ein paar Tage irgendwo zwischen Mittel- und Nordeuropa einnisten. Es gibt die gleichen zwei Schwächezonen im Geopotenzial wie im Juni: Eine über Osteuropa und eine vor den Küsten Westeuropas. Dies ist ein Hinweis, dass gelegentlich Tröge in diesen Regionen durchbrechen und CutOff-Tiefs produzieren können. Jene im Osten würden mit nördlicher Strömung in Mitteleuropa vorübergehend kühlere Phasen bringen (eine davon zeichnet sich um den 5. Juli ab), die anderen im Westen wären für Hitzewellen verantwortlich, die aber vermutlich nicht die Frequenz des Vormonats erreichen werden, möglicherweise aber sehr wohl die Intensität. Zusammengefasst: Wir werden auch in diesem Monat wieder die Vielseitigkeit von Grosswettertypen sehen: West bis Nordwest (im ersten Monatsdrittel), Hoch bzw. Brücke Mitteleuropa (wahrscheinlich im mittleren Drittel) und Süd und/oder Ost (vermutlich im letzten Drittel).
Bei der Temperaturabweichung sind vor allem zwei Zonen auffällig: Die sehr warmen über Südwesteuropa und im Hohen Norden. Die negativen Abweichungen über Südosteuropa und vor allem jene im Bereich Nord- bis Ostsee sind schwach ausgeprägt, wobei ich bei Letzterer meine Zweifel habe, ob sie beim gerechneten Hochdruckeinfluss überhaupt zustande kommt. Für die Abweichung am Boden bedeutet dies zur Referenzperiode 1981-2010 etwa +0.5 Grad im nördlichen und +1.5 Grad im südlichen Mitteleuropa. Abweichungen von +3 Grad und mehr sollen grossflächig im Nordmeer erreicht werden, punktuell sind sie auch in Südwesteuropa möglich.
Vor allem in einem breiten Streifen von Nordfrankreich bis zur Ostsee soll der Juli deutlich zu trocken werden, aber auch weiter südlich bis zu den Alpen rechnen wir mit unterdurchschnittlichen Niederschlägen. Wobei ein grosser Teil davon bereits am 1. Juli fällt, für den Rest des Monats bleibt nach dieser Prognose also nicht viel übrig. Weniger Sorgen um Trockenheit muss man sich wahrscheinlich in den Südalpen machen. Die hohen Abweichungen in Südeuropa können wegen der tiefen Klimanorm (Mittelmeerklima = sommertrocken) durch ein einziges kräftiges Gewitter zustande kommen, die Karte ist also keineswegs so zu interpretieren, dass der Juli dort verregnet wird.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Die Trockenheit setzt sich leider in vielen Flachlandregionen Mitteleuropas fort, einzelne Gewittertreffer helfen da nicht nachhaltig. Das wird für die schon bald aus dem Norden zurückkehrenden Zugvögel ein Problem, die kaum noch flache Gewässer für die Rast vorfinden. Sie werden stattdessen mangels Alternativen an den Ufern grösserer Seen in ungewöhnlicher Zahl auftreten. Ein weiteres Problem ist nach dem schneearmen Winter und dem trockenen Frühling in den Alpen das fehlende Wasser aus der Schneeschmelze. Kommt es in den Alpen nicht regelmässig zu Gewittern, werden auch die Alpenflüsse bald Niedrigwasser führen und die Seepegel unterdurchschnittlich bleiben.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur in ca. 1500 m Höhe gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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