Je nach Region und persönlicher Befindlichkeit kann man zum Schluss kommen, dass sich der Sommer in diesem Jahr mächtig Zeit gelassen hat. Für diese Kundschaft sei gesagt: Aus Erfahrung ist es besser für die Folgemonate, wenn der Sommer sein Pulver nicht bereits im Juni verschiesst. Für die Natur war der vielerorts reichlich gefallene Regen sowieso eine längst willkommene Erlösung, wenngleich sich ein über zwei Jahre angesammeltes Defizit nicht mit einem einzigen nassen Monat ausgleichen lässt. Aber eine Entspannung hat es allemal gebracht, was angesichts des bevorstehenden Hochsommers gar nicht hoch genug geschätzt werden kann. Denn was jetzt fällt, verdunstet am nächsten sonnigen Tag gleich wieder bzw. wird von der Vegetation aufgenommen – Grundwasseranreicherung geschieht fast ausschliesslich im Winterhalbjahr.

Bereits wieder auf dem Rückzug: Bruchwasserläufer an der Grenze FL/AT bei Feldkirch, Mitte Juli 2018
Fast schon lehrbuchhaft rechtzeitig hat die nordhemisphärische Zirkulation Ende Juni vom meridionalen Frühlings- ins zonale Sommermuster gewechselt. Auf dieser Umstellung basiert die alte Siebenschläfer-Bauernregel, die – richtig ausgelegt – eine grobe Einschätzung des Witterungscharakters des bevorstehenden Hochsommers im südlichen Mitteleuropa mit einer etwa 70-prozentigen Zuverlässigkeit zulässt. Wer mehr darüber wissen möchte, dem sei der Blogbeitrag auf der Partnerseite fotometeo.ch empfohlen. Hier allerdings verlassen wir uns einzig auf die Berechnung des Langfristmodells CFS, das die Siebenschläfer-Einschätzung zwar grösstenteils stützt, allerdings zu mehr Hochdrucktendenz neigt.
Die Mehrheit der Läufe der letzten drei Tage zeigt nämlich ein eindeutiges Muster: Mitteleuropa kommt unter eine positive Hochdruckanomalie zu liegen, die sich in west-östlicher Richtung über den Kontinent erstreckt. Diese Anomalie ist allerdings mit einer Abweichung des Bodendrucks zum langjährigen Mittel von 2 hPa in seinem Zentrum über Westeuropa nicht allzu stark ausgeprägt. Gegenspieler ist eine negative Druckanomalie, die sich von der Südspitze Grönlands ebenfalls in West-Ost-Ausrichtung über Island und Skandinavien nach Russland erstreckt. Dieses zonale Muster bewirkt, dass Westlagen dominieren: Aufgrund der leichten Hochdruckanomalie dürfte die Grosswetterlage West antizyklonal die Hauptrolle spielen, oder es findet ein Wechsel zwischen West zyklonal, West antizyklonal und Hochdruckbrücke Mitteleuropa statt. Eine schwache Tiefdruckanomalie über dem zentralen Mittelmeer lässt vermuten, dass die Westlage aber nicht über den ganzen Monat hinweg durchregiert, sondern der Jetstream durchaus auch mal schlingert und sich mittels Trog West- oder Mitteleuropa ein abtropfendes Tief nach Süden schmuggelt, hinter dem sich die Hochdruckbrücke wieder schliesst.
Temperaturmässig resultiert aus dieser Druckkonstellation in Mitteleuropa ein durchschnittlicher Juli, wobei im südlichen Mitteleuropa die Abweichung zur Klimanorm 1981-2010 um etwa ein Grad ins Plus, in Norddeutschland ein Grad ins Minus tendiert. Wer es also gerne etwas wärmer mag, macht in diesem Juli besser Urlaub am Bodensee statt an der Nord- oder Ostsee. Nordeuropa unter dem Westwindgürtel sieht noch etwas deutlicher unterkühlt aus, ebenso der zentrale und östliche Mittelmeerraum, während Portugal ein heisser Tipp sein dürfte.
Die Tendenz zu eher hochdruckbestimmtem Wetter zeigt sich darin, dass für das Flachland Mitteleuropas unterdurchschnittliche Regenmengen gerechnet werden, während sich in den Gebirgen von den Pyrenäen über die Alpen bis zu den Karpaten ein gewitterbedingtes Plus abzeichnet. Für das nördliche Mitteleuropa bedeutet dies oft trockenes, vielfach auch sonniges, aber durch kühlen Wind vom Atlantik her nur mässig warmes Wetter. Längere sehr trockene Hitzewellen wie in den letzten beiden Sommern sind eher nicht zu erwarten. Zu nass wird dieser Juli von Schottland und Island bis Norwegen. Auch am Mittelmeer verläuft der Juli untypisch nass, wobei da ein oder zwei kräftige Gewitter bereits reichen, um das langjährige Mittel um mehr als das Doppelte zu übertreffen.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Ob die Limikolen auf dem Rückzug aus dem Norden geeignete Rastplätze antreffen werden, ist wahrscheinlich von Zufallstreffern durch Gewitter abhängig. Viele seichte Gewässer sind nach dem extrem trockenen Frühling trotz Juniregens immer noch trocken. Für ortskundige Beobachter kann diese Situation auch von Vorteil sein: Nämlich dann wenn man weiss, welche Gewässer gerade noch genug Wasser führen, wo sich die rastenden Vögel konzentrieren können.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = trockener, blau = nasser als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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