Wir haben es in der Juni-Prognose angekündigt, und so ist es auch gekommen: Das festgefahrene Zirkulationsmuster hat sich nur unwesentlich bewegt und das blockierende Hoch verlagerte seinen Schwerpunkt, den es im Mai noch über Skandinavien hatte, zunehmend auf die Nordsee und die Britischen Inseln. Eigentlich müsste jetzt, ungefähr zum Monatswechsel Juni/Juli, die nordhemisphärische Zirkulation auf ein zonaleres Hochsommer-Muster umstellen. Zumindest ist dies in 70-80 % aller Sommer der Fall, worauf auch die Siebenschläfer-Regel beruht. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Seit Mitte Februar ist die Zirkulation extrem beständig meridional. Dies bedeutet, dass Hochdruckgebiete in den gemässigten Breiten die Westwindzirkulation blockieren und bei uns stattdessen häufig Ostlagen (zeitweise auch Nord oder Süd) dominieren. Wann dieses Muster durchbrochen wird, ist völlig offen. Zwar rechnen die Wettermodelle immer wieder eine Normalisierung herbei, eingetroffen ist davon bislang aber nichts.

Glücklich, wer im Sommer 2018 ein ausreichend tiefes Gewässer sein Zuhause nennen darf. Tafelenten in Südmähren, Juli 2008
Trotz der stetig wiederkehrenden Zonalisierungstendenzen in den mittelfristigen Ensembles der Wettermodelle – so aktuell für den Zeitraum ab dem 11. Juli – rechnen die meisten Modellläufe des Langfristmodells CFS weiterhin mit einer blockierten Zirkulation für den Juli. Wie schon im Vormonat gibt es bei den Einzelläufen nur unwesentliche Unterschiede in den Details, hauptsächlich die exakte Position und die Stärke bzw. Ausdauer des Hochs irgendwo im Bereich zwischen Britischen Inseln und Skandinavien betreffend. Uns bleibt nichts anderes übrig, als mangels Erfahrungswerten dieser meteorologisch-klimatischen Ausnahmesituation weiterhin auf Persistenz zu setzen. Wundert euch also nicht, dass die Karten fast gleich aussehen wie im Juni.
Der von uns präferierte Lauf rechnet mit einer deutlich positiven Abweichung des Geopotenzials mit Zentrum über dem europäischen Nordmeer, also zwischen Island, Schottland und Norwegen. Der gesamte Bereich des Hochdrucks erstreckt sich bogenförmig von den Azoren über das Nordmeer bis ins Baltikum und deckt somit auch weite Teile Mitteleuropas ab. Schwache negative Anomalien sind über Portugal und dem östlichen Mittelmeer zu finden, etwas stärkere an der Südspitze Grönlands und über der Barentssee. Die zu erwartenden Grosswettertypen sind hauptsächlich Ost sowie zwischenzeitlich Nord(west)- und Hochdrucklagen, wobei das südliche Mitteleuropa wahrscheinlich die meiste Zeit in der Hochdruckrandlage mit geringen Druckgegensätzen verbleibt.
Die stärkste positive Temperaturanomalie in rund 1500 m Höhe zeigt sich im Bereich des ausgeprägten Hochdrucks über dem Nordmeer und der Nordsee, wobei sich diese Wärme wegen der tiefen Wassertemperaturen über dem Meer nicht bis zum Boden durchsetzen kann (hier bildet sich häufig Seenebel, der zeitweise auch an den Küsten hartnäckig sein kann). Über Land (Britische Inseln, Südskandinavien, Nordwesteuropa) ist hingegen mit einer Monatsabweichung von 2 bis 3 Grad zu rechnen, was die Bezeichnung Hitzesommer in diesen sonst eher kühlen Regionen durchaus zulässt. Zu kühl wird der Juli 2018 in Südwest- und Südosteuropa sowie im äussersten Nordosten. Es ist durchaus denkbar, dass die in der Karte unten gezeigte kühle Brücke südlich der Alpen durchbrochen wird, sollte die Tiefdrucktätigkeit über der Iberischen Halbinsel stärker oder dauerhafter sein als berechnet. Dann könnten nämlich die heissen Luftmassen Nordafrikas häufiger über den zentralen Mittelmeerraum bis nach Mitteleuropa vordringen.
In fast ganz Nordeuropa und der nördlichen Hälfte Mitteleuropas wird sich die Trockenheit weiter fortsetzen. Die abgetropften Tiefs über der Iberischen Halbinsel sorgen immer wieder für feuchte Südwestströmungen in Richtung Frankreich und West- bis Südalpen, wo heftige Gewitter an wenigen Tagen lokal grosse Regenmengen bringen können. Die tiefroten Gebiete auf der Karte werden somit kaum exakt so eintreffen, deuten aber das Unwetterpotenzial mit lokal sehr unterschiedlicher Niederschlagsausbeute an. Interessant ist noch, dass auf der Niederschlagskarte der feuchte Westwindgürtel zu sehen ist: Er endet allerdings bei Island und hat keine Chance, das europäische Festland zu erreichen.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Die verbreitete Trockenheit und der damit verbundene Nahrungsmangel (Insekten, Amphibien) hat bereits im Mai und Juni viele Opfer unter den Jungvögeln in weiten Teilen Mittel- und Nordeuropas gefordert. Leider ist diesbezüglich keine Entspannung während der nächsten Wochen in Sicht. In den Alpen ist es vor allem in den zentralen Teilen ebenfalls trocken, hier konnte aber bisher noch vom Schmelzwasser der grossen Schneemengen des vergangenen Winters gezehrt werden. Wenn sich das Hoch wirklich so weit nach Norden verlagert, wie dies die Karten zeigen, dann ist im Juli vermehrt mit Gewittern zu rechnen. Der Grat zwischen willkommener Bewässerung und des Guten zu viel ist bei solchen Lagen oft ein schmaler, entspricht jedoch der klimatischen Normalität im Alpenraum.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = nasser, blau = trockener als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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