Nach der für Mitteleuropa völlig vergeigten Prognose für den Januar 2017 (die möglicherweise genau deswegen heute noch viel häufiger gelesen wird als die neueren Monatsprognosen – Schadenfreude ist offenbar die schönste Freude…) getraut man sich ja fast nicht mehr an diese Monate mit Überraschungspotenzial heran. Es sei deshalb vorausgeschickt, dass wir es nach wie vor mit einem ziemlich gebeutelten Polarwirbel zu tun haben, was generell viel schwierigere Prognosen bedeutet als in den Westlagen-Wintern 2014 bis 2016. Die seit bereits länger als ein Jahr vorherrschende gemischte Zirkulation lässt nur kurze Westwindphasen in Europa zu – die aktuelle ist die nachhaltigste seit längerer Zeit und vielleicht gerade deshalb trügerisch. Dennoch spricht nicht sehr viel für einen länger anhaltenden Kälteeinbruch in Europa in absehbarer Zeit.

Wenn der Winter so weitermacht wie bisher, können die nordischen Wintergäste wie diese Kornweihe auch weiterhin über schneefreien Feldern jagen (Nordburgenland, Januar 2011)
Um die nachfolgende Prognose besser verstehen zu können, ist ein Blick auf die aktuelle Ausgangslage unerlässlich. Folgende Karte zeigt die aktuellen globalen Temperaturverhältnisse, wobei es sich dabei nicht um die absoluten Werte handelt, sondern um die Abweichungen zum langjährigen Mittel 1981-2010, auf dem ja auch unsere Prognosen beruhen:
Wir konzentrieren uns auf die Nordhalbkugel und hier auf die für Europa massgeblichen Gegensätze zwischen dem sehr kalten Bereich Nordamerika-Grönland und dem aussergewöhnlich milden Russland. Dieser Blick macht deutlich, dass selbst wenn sich die Zirkulation in nächster Zeit auf Ostlagen umstellen würde, kaum kontinentale Kaltluft bereitsteht, die uns einen berüchtigten “sibirischen” Winter bringen könnte. Zwar ist es wahrscheinlich, dass die eurasische Kontinentalmasse unter Hochdruckeinfluss bodennah auskühlen wird, doch das benötigt bei der aussergewöhnlich geringen Schneedeckenausbreitung seine Zeit und auch selbst dann würden diese Luftmassen allenfalls für mässige Fröste in Mitteleuropa sorgen. Der Kaltluftkörper Nordamerikas wiederum kurbelt – sobald er auf den warmen Atlantik ausbricht – die Tiefdruckproduktion und somit die Westwindzirkulation an. Winterbringer für Europa können allenfalls von Grönland angezapfte polare Luftmassen sein, welche jedoch – wir haben es im Dezember erlebt – nach ihrem weiten Weg über den nach wie vor viel zu warmen Nordatlantik maximal nasskalte Witterung bringt, die in den tiefen Lagen nicht für eine beständige Schneedecke sorgen kann. Erst nach der Entleerung des nordamerikanischen Kältepools und der Abkühlung Eurasiens kann sich die nordhemisphärische Zirkulation grundlegend umstellen, wahrscheinlich wird dies aber kaum vor dem letzten Januardrittel der Fall sein.
Ausgehend von diesen Überlegungen haben wir uns für einen der vielen Modellläufe entschieden, welche eine rege Tiefdrucktätigkeit über dem Nordatlantik und folglich dort eine massive negative Druckanomalie zeigen. Sie hat ihren Kern über den Britischen Inseln und erstreckt sich von der Südspitze Grönlands bis nach Südosteuropa. Gegenspieler sind ein leicht bis mässig stärkeres Azorenhoch sowie ein russisches Kontinentalhoch. Diese Konstellation lässt auf die Dominanz des Grosswettertyps West schliessen, flankiert von gelegentlichen Nordwest- und Südwestlagen, Trog West- bis Mitteleuropa sowie (abhängig von der Stärke des Russlandhochs) Winkelwest oder Südostlage.
Die bis über die Monatsmitte hinaus wahrscheinliche Zufuhr milder Luftmassen aus hauptsächlich West bis Süd verursacht eine den fast gesamten europäischen Kontinent umfassende positive Temperaturanomalie, und zwar je weiter östlich, umso extremer. Einzig von Grönland über den mittleren Nordatlantik und Schottland bis Norwegen kann ein leicht negatives Temperaturmittel resultieren. Wie die letzten Monate gezeigt haben, sollte man auf die auf der Karte gezeigten Abweichungen in Mitteleuropa noch ungefähr ein Grad draufschlagen. Eine Abweichung von 3-5 Grad auf die Klimanorm 1981-2010 ist also durchaus in Reichweite. Dies bedeutet allerdings nicht, dass kältere Phasen völlig ausbleiben, sie sind aber in der ersten Monatshälfte jeweils Eintagsfliegen und erst gegen Monatsende nimmt ihre Wahrscheinlichkeit zu.
Wenig überraschen wird uns die Niederschlagsverteilung: Unter dem stetigen Tiefdruckeinfluss wird es vor allem in Westeuropa wieder deutlich zu nass, nach Osten hin sind normale bis leicht unterdurchschnittliche Niederschlagswerte zu erwarten. Dass der Alpenraum gleichmässig nass berechnet wird, ist ein weiteres Anzeichen für die Westlagendominanz. In den Tieflagen halten sich allfällig gebildete Schneedecken kaum länger als ein bis zwei Tage (Überraschungen zum Monatsende vorbehalten). Für die Hochlagen der Alpen zeichnen sich rekordverdächtige Schneemengen ab, während man in mittleren Lagen immer wieder mit zwischenzeitlichem Tauwetter rechnen muss.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Zufrierende Gewässer sind in absehbarer Zeit kein Thema, die in Mitteleuropa rastenden Wasservögel dürfen es sich also noch eine Weile bei uns gutgehen lassen. Mit der nach wie vor auf sich warten lassenden nachhaltigen Einwinterung der Gebiete nördlich und östlich von uns ist allerdings auch die Chance gering, dass sich die dort aufhaltenden nordischen Wintergäste weiter nach Südwesten verlagern werden. Die Nahrungsgrundlage ist allerdings in Europa aufgrund der Spätfröste im letzten April verbreitet nicht optimal, die Hoffnung auf herumziehende Schwärme bleibt somit erhalten. Bei der anhaltend milden Witterung würde es nicht erstaunen, wenn im Verlauf des Monats erste Kurzstreckenzieher eine Rückkehr nach Mitteleuropa wagen würden. Kraniche sind dabei beliebte Studienobjekte. Einige hartgesottene Arten wie der Rotmilan und der Kiebitz haben sich ja ohnehin auch vom nasskalten Dezemberwetter nicht grossartig beeindrucken lassen und verweilen immer noch in den klimabegünstigten Regionen Mitteleuropas mit ihren nach dem sehr nassen zweiten Halbjahr 2017 vernässten Äckern.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = nasser, blau = trockener als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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