Der Winter 2021/22 will uns offenbar die nächste Lektion in Sachen Persistenz erteilen. Oder banaler ausgedrückt: Da fangen wir jetzt nix Neues mehr an. Alles deutet darauf hin, dass der Februar genau so weitermacht wie der Januar – allerdings mit zunehmender Tageslänge und kräftigerer Sonneneinstrahlung. Fazit: War im Januar kein Winter, kommt auch keiner mehr dahinter. Ein etwas detaillierterer Blick kann sich aber trotzdem lohnen.

Fühlen sich auch in diesem “Winter” wohl bei uns: Grosse Brachvögel (IBA Grosses Moos, Westschweiz, Ende Februar 2019)
Selten sind sich die Langfristmodelle so einig wie aktuell. Zwar gibt es immer einzelne Exoten-Läufe, die man aber als das behandeln sollte, was sie sind. Richtig interessant ist einzig die Frage, wie gross der Anteil an Hochdruckeinfluss in Mitteleuropa sein wird und somit, wie viel Niederschlag fällt. Der Rest scheint aus aktueller Modellsicht relativ klar zu sein.
Der Modelllauf unserer Wahl zeigt eine zonal ausgerichtete Hochdruckanomalie, die sich von Neufundland über den gesamten mittleren Atlantik bis zum östlichen Mittelmeer erstreckt und auch noch das südliche Mitteleuropa umfasst. Gegenpart spielt eine ausgeprägte Tiefdruckanomalie, die den gesamten Nordatlantik und Nordeuropa umfasst. Die Frontalzone verläuft im Mittel ziemlich gerade über den Atlantik über England und das nördliche Mitteleuropa, um in Osteuropa nach Südosten zum Schwarzen Meer abzubiegen. Die damit verbundenen Wetterlagen sind hauptsächlich West, Nordwest und Hoch Mitteleuropa, viel Platz für Anderes ist da nicht. Gestützt wird dies auch durch einen überaus gesunden stratosphärischen Polarwirbel, der keinerlei Anzeichen für irgendwelche Kapriolen erkennen lässt. Somit kann die in den letzten Jahren vermehrt erst im Spätwinter auftretende zonale Zirkulation zur Höchstform auflaufen.
Die Temperaturabweichung wird in fast ganz Kontinentaleuropa deutlich im Plus gerechnet – je weiter östlich, umso höher. In Mitteleuropa dürfte der Monat etwa drei Grad wärmer im Vergleich zur Erwartungsperiode 1991-2020 ausfallen. Normal bis minim unterdurchschnittlich werden einige Gebiete am Mittelmeer berechnet, etwas deutlichere negative Abweichungen sind von Island bis zum Nordkap zu erwarten.
Mit der durch das nördliche Mitteleuropa verlaufenden Frontalzone sind hier die stärksten positiven Abweichungen beim Niederschlag zu erwarten, ebenso in Schottland sowie im südlichen und mittleren Skandinavien. Die Alpen stellen eine ausgeprägte Wetterscheide dar, wobei die Nordseite ungefähr normale Niederschlagmengen erwarten kann, der Süden hingegen weiterhin fast leer ausgeht. Wie bereits im Januar muss man auch im Februar davon ausgehen, dass der Niederschlag in den Nordalpen in der ersten Woche mit Nordwest- und anschliessend Westlagen fällt und danach unter Hochdruckeinfluss nicht mehr allzu viel nachkommt.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Die ergiebigen Schneefälle zu Monatsbeginn lassen wieder etliche Gebirgsvögel in die Alpentäler absteigen, dies dürfte angesichts der nachfolgend trockenen und zunehmend milden Phase aber nur ein vorübergehendes Phänomen sein. Nicht mehr warten muss man auf grosse Winterfluchten aus Nordeuropa, denn auch dort scheint sich der Winter auf November und Dezember beschränkt zu haben. Im Gegenteil: Milde West- und Hochdrucklagen spülen uns schon bald die ersten Kurzstreckenzieher zurück nach Mitteleuropa und lassen die hier überwinternden Gäste bald nach Norden aufbrechen – denn gefrorene Gewässer und beständige Schneedecken müssen sie in den tieferen Lagen nirgends fürchten.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur 2 m über Boden gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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