Der Februar also… Wundertüte mit der stärksten Temperaturstreuung bezüglich seiner Möglichkeiten. Tiefster Winter oder Vorfrühling? In den letzten Januar-Tagen haben sich über Europa scharfe Temperaturgegensätze gebildet mit einem sehr kalten Norden und einem sehr milden Süden. Die Grenze verläuft mitten durch Mitteleuropa, und es sieht ganz danach aus, als würde sich diese Pattsituation eine Weile halten können. Mal rückt die Kaltluft etwas nach Süden vor, dann wird sie von Warmluft wieder nach Norden zurückgedrängt. Entlang dieser scharfen Grenze: Tiefs, Tiefs und noch mal Tiefs. Und somit auch viel nass. Mal in fester, dann wieder in flüssiger Form. Was wann wo? Eine Lotterie!

Ist der Schnee mal weg, freuen sich die Pfeifenten über frisch spriessendes Grün (Dreiseenland Westschweiz, Ende Februar 2019)
Der stratosphärische Polarwirbel scheint sich allmählich von seinem zerknautschten Zustand der letzten Wochen zu erholen, was die Chancen auf eine halbwegs normale Westwindzirkulation auf dem Atlantik und in Europa massiv erhöht – wenn auch vorerst auf relativ südlicher Zugbahn. Die Langfristmodelle hatten die Luftmassengrenze und somit auch die Zugbahn der Tiefdruckgebiete in den letzten Tagen recht stabil irgendwo im Bereich Süddeutschland bis Alpenraum drin, der neueste Trend schickt sie aber wieder etwas nach Norden. In solchen Situationen ist es oft sinnvoll, den neuesten Trend in der Prognose zu berücksichtigen, was wir hiermit tun.
Der von uns bevorzugte Modelllauf zeigt eine bananenförmige Tiefdruckanomalie von den Azoren bis nach Mitteleuropa mit der stärksten negativen Abweichung über Irland. Dem gegenüber steht normaler Luftdruck im Mittelmeerraum und eine stark ausgeprägte positive Anomalie über ganz Nordeuropa. Die Polarfront und die durchschnittliche Zugbahn der Tiefs liegt auf einer Linie von Irland über Norddeutschland nach Weissrussland. Die bananenförmige Krümmung des Tiefdruckeinflusses zeigt einerseits ein starkes Gewicht von Westlagen, auf der anderen Seite eine Austrogungstendenz bei den Azoren, was bei uns Südwestlagen zur Folge hat. Etwas seltener sind in dieser Konstellation Nordwestlagen zu erwarten und Tiefs über Mitteleuropa. Hochdrucklagen haben einen schweren Stand, ebenso Nord- und Ostlagen.
Durch den neu gerechneten Einfluss milder Luftmassen aus Südwest wird die Luftmassengrenze allmählich nach Norden verschoben. Im Schnitt sollte die Linie normaler durchschnittlicher Monatstemperaturen zonal durch die Nord- und Ostsee verlaufen. Alles nördlich davon wird einen zu kalten Februar erleben mit den stärksten Abweichungen in Mittelschweden, alles südlich einen zu milden Monat mit den höchsten Abweichungen in Südosteuropa. Trifft diese Variante ein, dürfte der Alpenraum bei etwa +2 Grad Abweichung zur Norm 1981-2010 zu liegen kommen, Norddeutschland bei etwa +0.5 Grad.
Nach dem Januar dürfte auch der Februar in den meisten Regionen Mitteleuropas zu nass werden, noch nasser soll es allerdings in Westeuropa sowie an der Nord- und Ostsee werden. Im Hochgebirge ist mit weiteren massiven Neuschneezuwächsen zu rechnen, in den tiefen Lagen des Alpenvorlands kann sich Schnee jeweils nur kurz halten, weil er bald darauf wieder vom Regen weggespült wird. Der mittlere und nördliche Teil Skandinaviens sowie Island und die Ostküste Grönlands befinden sich meist unter östlicher Anströmung und somit in trockenen Luftmassen.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Häufige Schneefälle rund um Nord- und Ostsee werden wohl eine Winterflucht in Richtung Süden in Gang setzen. Wo nordische Wintergäste also bisher eher dünn gesät waren, lohnt sich im Februar eine Nachsuche. In West- und im südlichen Mitteleuropa sind Ausweichbewegungen ein stetiges Hin und Her im Zuge kälterer und milderer Witterungsphasen. Angesichts der extremen Schneelage in den Hochalpen ist mit vielen Gebirgsvögeln in den Tälern und an besonnten Hanglagen zu rechnen. Wasservögel können an den mittleren und grösseren Seen entspannt bleiben, ein Zufrieren steht nicht mehr zur Diskussion – allenfalls kann ein mehrtägiger Kälteeinbruch noch mal für vereiste Uferpartien und Flachwasserzonen sorgen.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = trockener, blau = nasser als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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Michael am 1. Februar 2021 um 10:18 Uhr
Danke für den Februarüberblick.
Ich weiss nicht ob du dieses Blog hier kennst: https://www.climate.gov/news-features/blogs/enso/sudden-stratospheric-warming-and-polar-vortex-early-2021
Auch wenn der Fokus ENSO ist, gibt es immer mal wieder interessantes zu Lesen auch in Bezug auf Europa.
Fabienne Muriset am 1. Februar 2021 um 12:34 Uhr
Interessant. Besten Dank, Michael!
Kurt Nadler am 2. Februar 2021 um 13:19 Uhr
Liebe Fabienne!
Danke für die “Planungssicherheit” betreffend die Fortsetzung der Überwinterung halbsensibler Kübelpflanzen. (Am 11.1. mussten bei uns dann doch vorsichtshalber die Riesen-Oleander “rein” (allerdings ins Ungeheizte) – im Gegensatz zu manch anderen Besitzern: aus jetziger Sicht glaube ich, die hatten Glück, und man hätte sie (die Oleander) wie letzten Winter draußen lassen können).
Zeitweilig und immer wieder drohten zuletzt die Modelle ja Mitteleuropa mit NO-Luft zu überfluten. Deine Prognose (scheinabr bist Du Monopolhalterin in diesen Agenden; was die ZAMG liefert, gleicht nach wie vor Kaffesudlesen) entschärft nun das Szenario. Wenns doch (zwischendurch) anders kommt, wird Dir niemand bös sein. Du bist ja nicht schuld.
Für botanisch und gärtnerisch Interessierte könnte gerne die kontinentale Kaltluft die nächsten Jahrzehnte dauerhaft hinterm Ural bleiben.
Man muss dabei den Schnee trotzdem nicht ganz missen. Im Pannon hatten wir heuer ein paar wunderschöne Schneetage zur vergangenen Monatsmitte (https://www.freemap.sk/?map=11/48.048175/16.851352&layers=SI&tool=photos&image=287797&gallery-user-id=1290, https://www.freemap.sk/?map=13/48.104317/16.916467&layers=SI&tool=photos&image=287669&gallery-user-id=1290, https://www.freemap.sk/?map=13/48.042715/16.946329&layers=SI&tool=photos&image=287691&gallery-user-id=1290).
Vogelmäßig brachte der Winter bei uns außer mehr Rotmilanen und wirklichen Massen von Zaunkönigen keinerlei Auffälligkeiten, nur ganz wenige Hausrotschwänze wie immer und ganz selten einmal wo kurz eine Singdrossel.
Herzliche Grüße
K
Fabienne Muriset am 2. Februar 2021 um 14:15 Uhr
Servus Kurt
Danke für die Rückmeldung. Für Planungssicherheit ist diese Prognose nicht wirklich gedacht, die Unsicherheiten sind ja gross und eine hin und her pendelnde Luftmassengrenze schliesst ein paar zapfige Frosttage nicht aus. Der Februar ist dafür berüchtigt, in beide Extreme auszuschlagen und am Schluss dennoch ein zartes Plus im Mittel stehen lassen zu können. Seit mehreren Tagen spielt sich ein regelrechter Modellkrimi ab, was die Entwicklung in Wochenfrist angeht. Von Frühling bis tiefster Winter ist alles möglich bzw. beides gleichzeitig innerhalb von einigen 100 km.
Liebe Grüsse
Fabienne
Kurt Nadler am 3. Februar 2021 um 21:53 Uhr
Ja, wetter online versus wxcharts und viele andere wechseln ja schon fast täglich – der krimi spitzt sich nochmals zu. bei wetter-online divergierte heute vormittag noch dazu der 2-wochentrend völlig zum 2-wochen-loop: der eine um +10-grad-tage und mit mehr oder weniger frostfreien februarwochen, der andere mit massivstem kaltluftvorstoß über ganz österreich.
jüngst hatte ich noch die “arktiseinbruchssituation” norddeutschland dezember 1975 (glaub ich) studiert und videos angeschaut, und nun braut sich vielleicht was ähnliches zusammen – hoffentlich aber auf höherem temp.-niveau als in der kalten vergangenheit oder lieber gar nicht. meine winterwetterabenteuer hab ich 1985 und 86 zur genüge absolviert – damals noch im oberösterrreichischen mühlviertel mit einem -19 grad-maximumtag bei steifer brise, wolkenlosem und doch milchbedecktem himmel und feinem kristallschneefall. mit dem starkwind so kalt, dass die hände im nu nicht mehr zu gebrauchen waren. damals ein mega-htk genau drüber. bei -27 grad im oberöst. kältepol freistadt frühmorgens auf den nicht kommenden, weil eingefrorenen postbus warten war trotz gottseidank windstille auch ein interessantes erlebnis irgendwann anfang 1985.
also tschüss bis dann einmal, danke ebenfalls für rückmeldung!
Kurt Nadler am 6. Februar 2021 um 14:23 Uhr
Korrektur zu oben: Der “Arktiseinbruch” in N-Deutschland war um die Jahreswende 1978/79, nicht 1975.
Kurt Nadler am 8. Februar 2021 um 20:37 Uhr
alles frostgefährdete ist nun gesichert; wenns sein muss, kann nun kältewelle kommen, dann geht wieder einmal eislaufen am neusiedler see, und die feigenbäume sind eh alle schon so groß, dass man die früchte nicht mehr “daglengt”.
ob sich die modelle nun konsolidieren(z.b. https://www.wetteronline.de/14-tage-wetter)?
leider ist halt wieder einmal eine monatsprognose nicht mehr zu retten, fürcht ich.
Fabienne Muriset am 8. Februar 2021 um 23:27 Uhr
Immer ruhig mit die Pferde :-)
Eins hab ich in den sieben Jahren, in denen ich nun bereits diese Monatsprognosen erstelle, gelernt: Sich nicht verrückt machen lassen von Extremrechnungen um die Monatsmitte. Das gilt umso mehr für die Wundertüten-Monate, bei denen der Februar ganz vorne in der Reihe steht. Gerade bei unsicheren Prognosen ist die Wortwahl nicht zufällig, will heissen: Wenn ich schreibe, dass Hochdruck-, Nord- und Ostlagen einen schweren Stand haben, dann sind diese nicht ausgeschlossen, sondern können sich nicht für längere Zeit behaupten. Und einen mehrtägigen Kälteeinbruch habe ich sogar noch explizit in Erwägung gezogen – also alles noch auf Kurs bisher. Bilanz ziehe ich Anfang März. Gelassen sehe ich das auch deshalb, weil die kältebringenden Skandi-Hochs in den letzten Jahren markant abgenommen haben, und das hat Gründe. Nachzulesen hier: https://www.fotometeo.ch/entwicklung-der-grosswetterlagen-verteilung-im-winter-dez-jan-feb/
Beste Grüsse
Fabienne
Kurt Nadler am 19. Februar 2021 um 10:18 Uhr
ich bin ja gespannt, ob sich die +2°, die für österreich angedacht sind, vielleicht doch noch etablieren können.
die kältewelle war ein kurzer, schwacher hauch, ein klacks im vergleich mit februar 2018, der allerdings von “allen kulturpflanzen” schadlos überstanden wurde – inkl. ausgepflanztem ölbaum.
ad vögel: die luftmassengrenze liegt noch immer “da”, aber halt nicht mehr zwischen n und s, sondern wsw und ono, und vogelmäßig tut sich betreffend winterflucht rein nix um mich rum, vielleicht haben andere leute, die mehr schaun, winterfluchtergebnisse. ganz normal, ein wenig verhalten, trudeln zunehmend stare und kiebitze in ost-ö ein. lerchen sind sowieso auch winters ein bissl da, da fällt der begonnene zug nicht so auf.
mal schaun, ob die kaltluft doch nochmal rüberschwenkt oder aus dem europäischen russland abwandern muss. derzeit ist der eurosibirische kältepfropfen ja enorm. und meine grünen lieblinge müssen derweil drinnen bleiben. die amseln haben gestern hier am land heraußen im östlichsten österreich zu singen begonnen, aber der boden ist unter ein bissl gatsch noch gefroren.
im stadtgebiet von neusiedl konnten wir während der kalten tage zahlreiche empfindliche heraußen stehende kübelpflanzen entdecken: oleander und palmen. da hat sich schon eine diesbezügliche überwinterungskultur herausgebildet. bin gespannt, wie die die frostphase überstehen, ausgepflanzte palmen scheinbar gut.
mit besten grüßen
k