So langsam müssen wir uns Sorgen machen um unsere Prognosegüte. Wir haben einen milden Winter vorhergesagt, geworden ist es bisher ein sehr milder, den man eigentlich gar nicht Winter nennen darf. Und Stand heute spricht überhaupt nichts dafür, dass sich das im Februar ändert. Von Eintagsfliegen – man darf kaum von Kaltlufteinbrüchen sprechen – mal abgesehen. Normalerweise sind wir bei der Februarprognose sehr vorsichtig aufgrund des Überraschungspotenzials und der enormen Schwankungsbreite dieses Monats. Man erinnere sich nur an den Februar 2018, der urplötzlich am Ende richtig eisig wurde. Verantwortlich dafür war damals eine rasche Stratosphärenerwärmung mit Zonalwindumkehr bis runter in unsere Luftschichten, doch aktuell ist der Polarwirbel putzmunter und kugelrund und soll dies nach den vorliegenden Karten auch noch eine Weile lang bleiben.

Bereits auf dem Heimweg: Blässgänse im Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel, Februar 2011
So zeigt auch nur ein einziger Lauf von den letzten zwölf des Langfristmodells CFS einen zu kalten Februar in Mitteleuropa, alle andern sind mild, und das zum grossen Teil deutlich. Auch das europäische Langfristmodell stösst seit Wochen ins gleiche Horn, also gibt es auch für uns keinen Anlass, an der Prognosezuverlässigkeit zu zweifeln. Eine rasche Stratosphärenerwärmung kündigt sich zwar immer sehr kurzfristig an und kann daher für die zweite Februarhälfte nicht völlig ausgeschlossen werden, doch selbst dann ist es nicht zwingend, dass dies auch zu den entsprechend kalten Grosswetterlagen Nord bis Ost führt. Kommt hinzu, dass fast ganz Europa schneefrei ist inklusive Südskandinavien, Nord- und Ostsee sind so warm wie noch kaum einmal zu dieser Jahreszeit. Eine von weit her gereiste Kaltluftmasse hätte es also ungleich schwerer als in normalen Wintern, in Mitteleuropa weiter auszukühlen. Und in der zweiten Februarhälfte ist es aufgrund der rasch zunehmenden Tageslänge und Sonneneinstrahlung dann auch bald schwierig mit Inversionslagen und zähem Nebel.
Der von uns favorisierte Modelllauf zeigt ein erstarktes Azorenhoch und eine zweite positive Druckanomalie über dem südlichen Mitteleuropa und dem zentralen Mittelmeer. Die Hochdruckbrücke, welche die beiden Zentren verbindet, ist offenbar nicht stabil, sodass es wohl zu gelegentlichen Austrogungen vor den Westküsten Europas kommt. Von Grönland bis Nordskandinavien wird durchgehend unterdurchschnittlicher Luftdruck berechnet, sodass sich eine deutlich positive Nordatlantische Oszillation (NAO+) einstellt. Die Frontalzone kommt im Schnitt etwa auf der Linie Irland-Dänemark zu liegen. Der Februar wird also überwiegend Westlagen-dominiert sein, wobei das südliche Mitteleuropa wohl häufig unter antizyklonalem Einfluss steht. Denkbar ist aber auch, dass die positive Druckanomalie durch eine mehrtägige Hochdrucklage über Mitteleuropa zustande kommt und sonst häufig die GWL West zyklonal vorherrscht. Durch die Austrogungen westlich von uns ist auch mal mit Südwest- oder kurzen Südlagen zu rechnen. Die Grosswettertypen Nord bis Ost dürften wie schon im bisherigen Winterverlauf marginal bleiben.
Auch bei den Temperaturabweichungen zeigt uns das Modell in diesem “Winter” nichts Neues: Der ganze europäische Kontinent wird zu warm berechnet, am deutlichsten im Osten. Für Mitteleuropa dürfte die durchschnittliche Abweichung zur Klimanorm 1981-2010 zwischen 3 und 4 Grad zu liegen kommen, was einem normalen März sehr nahe kommt.
Durch die Westwinddominanz wird der Niederschlag in Mitteleuropa durchschnittlich bis leicht überdurchschnittlich berechnet. Anders als in der Karte dargestellt, dürfte erfahrungsgemäss der Alpenbogen eine deutlich schärfere Wetterscheide darstellen. Zumindest in den höheren Mittelgebirgslagen der Alpennordseite ist also durchaus mit winterlichen bzw. schneereichen Verhältnissen zu rechnen, im Flachland wird es wohl bei Stundenschnee oder Eintagsfliegen (so nach aktueller Kartenlage am 5./6. Februar) bleiben – falls überhaupt. Reichlich gewässert bzw. eingeschneit wird das skandinavische Gebirge. Angesichts der hohen Temperaturen wird es auch in Schweden und Finnland zumindest in den südlichen Regionen weiterhin schwierig mit einer beständigen Schneedecke.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Die Hoffnung, dass Wintergäste aus dem Norden ins südliche Mitteleuropa ausweichen müssen, zerschlägt sich zusehends. Beispielhaft kann man das an der Ausbreitung der Seidenschwänze sehen, die bisher nur bis ziemlich genau in die Mitte Deutschlands vorgestossen sind. Stattdessen kann man sich bereits am beginnenden Balzverhalten der heimischen Brutvögel erfreuen. Auch sind Beobachtungen von Teilziehern möglich. Star, Mönchsgrasmücke, Zilpzalp und sogar der Kiebitz waren offenbar nie ganz weg, und andere wie Kraniche und Felsenschwalben kehren bereits zurück. Hoffen wir also für sie, dass sich das Wetter auch an die Prognose hält und ein später, nachhaltiger Wintereinbruch ausbleibt.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = trockener, blau = nasser als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
Finden Sie die Prognosen und Artikel von orniwetter.info nützlich und möchten sie nicht mehr missen? Da die Schaltung von aufdringlicher Werbung nicht nur viele Leser verärgert, sondern bei einer relativ wenig frequentierten Seite auch finanziell kaum etwas bringt, ist orniwetter.info als gemeinnütziges Projekt eines Kleinstunternehmens in einem schwierigen Marktumfeld auf freiwillige Unterstützung dringend angewiesen. Über den PayPal-Spendenbutton können Sie unkompliziert die Wertschätzung für diese Arbeit zum Ausdruck bringen und sichern somit den Fortbestand dieses kostenlosen Angebots. Ganz herzlichen Dank!
Falls Sie kein PayPal-Konto besitzen, können Sie direkt auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten einzahlen.