Vor einem Monat haben wir an dieser Stelle gefragt, was dieser Winter eigentlich will. Heute müssen wir feststellen: Er weiss es immer noch nicht. Vor allem deshalb, weil er sich in jeder Region mit einem völlig anderen Gesicht zeigt. In Norddeutschland fragt man sich zurecht, ob überhaupt schon mal Winter war, noch wird, oder ob der Herbst schon bald vom Frühling abgelöst wird. In den Nordalpen hat man hingegen Winter in fester Form bis Oberkante Unterlippe, und auf der Alpensüdseite hat man bisher kahle Berghänge bestaunt, aber das dürfte sich nun rasch ändern. Die wild herumspringenden Wettermodelle sind nach wie vor keine grosse Hilfe, wenn es darum geht, den längerfristigen Trend einzuschätzen, lassen wir uns also überraschen…
Momentan stellt sich uns immer noch das Problem, dass ausgehend von der Konstellation über dem Nordatlantik eigentlich ein Westlagenwinter herrschen müsste. Demgegenüber steht ein von einer Stratosphären-Erwärmung (siehe Monatsprognose Januar) geschwächter Polarwirbel, der den Jetstream nicht ausreichend in Gang hält, um die atlantischen Tiefdruckgebiete rasch genug nach Europa ziehen zu lassen. Hier herrscht eine Blockadesituation, sodass die Tiefdruckgebiete stets auf halbem Weg irgendwo über West- oder Mitteleuropa verkümmern oder nach Süden zum Mittelmeer abtropfen. Wie viel Feuchtigkeit und vor allem Wärme vom Atlantik wie weit in den Kontinent vordringen kann, ist bei jedem Anlauf eher zufällig und kaum vorherzusagen. Nicht selten versagt daher die Prognose bereits im Bereich von 4-5 Tagen.
Bis einschliesslich 26. Januar hatte das Langfristmodell CFS für den Februar vor allem ein fixes Szenario auf dem Schirm, nämlich eine Fortsetzung dieser Blockadesituation. Seither wird mit jedem Lauf – es gibt deren vier pro Tag – ein neues Menü aufgetischt. Das kann bedeuten, dass sich in der Nordhemisphäre demnächst eine grundlegende Umstellung abzeichnet, die Modelle aber noch nicht wissen, wie das Resultat aussehen wird. Oder aber, die alte Situation wird nach einer Periode der Unsicherheit bald wieder aufgenommen, was nicht selten vorkommt. Genau auf dieses – zugegebenermassen riskante Szenario – müssen wir uns derzeit verlassen, denn aufgrund der aktuellen Berechnungen eine Prognose zu erstellen, wäre ein reines Raten ins Blaue – oder derzeit eher Graue – hinein.
Der von uns präferierte Lauf zeigt entsprechend eine starke positive Druckanomalie über den gesamten Norden hinweg, wobei ein Rücken von Grönland bis zum Azorenhoch den Atlantik abriegelt. Die Tiefdruckproduktion findet überwiegend auf dem Ostatlantik statt und zeigt sich in einer starken negativen Druckanomalie über ganz West-, Mittel- und Südeuropa. Daraus kann eine Vielfalt an Grosswetterlagen resultieren: Tröge sowohl über West- wie auch Mitteleuropa, wobei sich Mitteleuropa mal auf der feucht-warmen Vorderseite, mal mittendrin in kühler bis kalter Polarluft aus Nordwest bis Nord befindet, Tiefs über Mitteleuropa, Tiefs über dem Mittelmeer mit kalten Ost- bis Nordostwinden in Mitteleuropa, Hochdruckbrücken über Mitteleuropa mit ruhigem, bodennah der Jahreszeit entsprechend kalten Verhältnissen und Nebelanfälligkeit. Für Abwechslung sollte also gesorgt sein. Hoffnungen oder Befürchtungen – je nach persönlichem Gusto – braucht man sich bezüglich eines verfrühten Frühlingseinbruchs allerdings nicht zu machen.
Die daraus berechneten Temperaturabweichungen zeigen einen kalten Februar in Nordeuropa, aber auch in weiten Teilen Westeuropas bis runter auf die Iberische Halbinsel. Mitteleuropa befindet sich in der sogenannten “Kampfzone” mit ungefähr einem dem langjährigen Mittel entsprechenden Verlauf, während in Südosteuropa mit vorwiegend südlichen Winden ein deutlich zu warmer Monat resultieren dürfte. Es versteht sich von selbst, dass man sich bei solch unsicheren Verhältnissen nicht allzu sehr auf den Verlauf der Null-Isotherme auf der Karte verlassen sollte. Ebenso ist aufgrund der oben aufgezählten möglichen Grosswetterlagen damit zu rechnen, dass diese “Normalität” auch durch die Mittelung aus Extremen beider Richtungen entstehen kann.
Bei der Niederschlagsverteilung zeigt sich der Alpenbogen als Wetterscheide. Auf der Alpensüdseite wird wohl das ganze Niederschlagsdefizit der letzten beiden Monate kompensiert werden, während man auf der Alpennordseite mit trockeneren Verhältnissen einerseits aufgrund von Südföhnlagen und andererseits durch wenig Feuchtigkeit bei kalten Ostlagen rechnen kann. Auch in Skandinavien zeigt sich der Effekt von dominierenden Ostlagen deutlich: Während an der norwegischen Küste aufgrund fehlender Westlagen und durch Föhneffekte aus Osten kaum Niederschlag fällt, zeigt sich ein sogenannter Lake-Effect: Die kalte Luft nimmt Feuchtigkeit über der für die Jahreszeit noch relativ warmen Ostsee auf und lädt diese in Form von Schneefällen in Schweden wieder ab. Dasselbe kann man an der Nordsee und Englands Ostküste erkennen, und es wäre erstaunlich, wenn an der Ostseeküste Deutschlands und Dänemarks nicht ähnliche Effekte auftreten sollten, was die schlecht aufgelöste Karte allerdings nicht darzustellen vermag.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Nordische Überwinterungsgäste haben wenig Grund, Mitteleuropa bereits im Februar in Richtung Heimat zu verlassen. Dazu weht einfach zu häufig ein kalter Gegenwind. Es ist allerdings möglich, dass es aufgrund zwischenzeitlicher Südlagen einige Pendelbewegungen geben wird. In Mitteleuropa sind mindestens drei riesige Bergfinken-Schwärme unterwegs. Einer hält sich in Slowenien auf, die beiden anderen im Raum Süddeutschland-Nordschweiz-Ostfrankreich. Die Schlafplätze haben seit längerer Zeit Bestand, doch die Suchflüge tagsüber sind sehr weiträumig, weil sich aufgrund regionaler Trockenschäden im letzten Sommer nur lokal begrenzte Nahrungsvorräte bilden konnten. Dort, wo es z.B. aufgrund häufiger Gewitter genügend Niederschlag gab, herrschte lokal ein Buchenmastjahr. Die riesigen Vogelschwärme können sich somit jeweils nur für einige Tage die Bäuche vollschlagen, bevor sie weiterziehen müssen. Entsprechend können mittelgrosse bis grössere Bergfinkentrupps auch in den nächsten Wochen vielerorts nach dem Zufallsprinizip auftauchen.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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