Jeder Mildwinter erleidet irgendwann mal eine Schwäche. Diese Binsenwahrheit zeigt sich nun nach dem vielerorts rekordmilden Januar, denn die Westdrift auf dem Atlantik macht eine Pause und so können die kalten Luftmassen, die sich über Nordeuropa in den letzten Wochen allmählich gesammelt haben, mal nach Mittel- und sogar Südeuropa vorstossen. Im Bereich Kanada-Grönland hat sich jedoch bereits das nächste riesige Kältereservoir gebildet, das nur darauf wartet, irgendwann vom Polarwirbel raus auf den milden Atlantik befördert zu werden. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis die Tiefdrucktätigkeit auf dem Nordatlantik wieder auflebt und die milden Westwinde bei uns erneut die Oberhand gewinnen.

Passen gut zu dem, was uns im ersten Februardrittel erwartet: Zwergsäger aus dem Hohen Norden (hier vergesellschaftet mit Lachmöwen), Neue Donau Wien, Februar 2010
Langfristmodelle tendieren oft zur Rechnung von Persistenz, wenn die Lage unsicher ist. So steht uns heute aufgrund des inzwischen relativ sicheren Kälteeinbruchs im ersten Februardrittel eine grosse Auswahl an ausgeprägten Kaltläufen zur Verfügung. Wenn man die Erfahrung (manche nennen es auch Bauchgefühl) mit einfliessen lassen will, muss man die Nadel im (Modell)-Heuhaufen suchen gehen, bis man eine Rechnung findet, die der eigenen Vorstellung am nächsten kommt. Der Wettbewerb Mensch gegen Maschine geht also in diesem Monat in die nächste Runde – mit offenem Ausgang.
Herausgepickt haben wir uns einen bereits vier Tage alten Lauf, der die von uns vermutete Zweiteilung bei der Druckverteilung aufweist: Das erste Monatsdrittel ist geprägt von hohem Luftdruck über Nordosteuropa und einer negativen Druckanomalie über Mittel- und Südeuropa. Will heissen, in dieser Zeit überwiegen bei uns die Grosswettertypen Nord bis Ost. In der Folge soll der Atlantik wieder die Regie übernehmen. Dargestellt wird dies von einem mehr als gesunden Azorenhoch und einer negativen Druckanomalie im Bereich Grönland-Island, wobei diese nicht allzu ausgeprägt gerechnet werden darf, da wir sie ja erst wieder nach dem ersten Februardrittel erwarten. Wie schnell sich die daraus entwickelnde Westlage bei uns durchsetzt und die Kaltluft verdrängt, und ob sie bis zum Monatsende durchhalten wird, sind die spannenden und daher unsicheren Fragen dieses Monats.
Über den gesamten Februar gemittelt dürfte das deutlich zu kalte erste Drittel vom milderen Rest des Monats in Mitteleuropa in etwa ausgeglichen werden, sodass hier ungefähr ein der langjährigen Norm entsprechender Monat resultieren dürfte. Wer genau hinschaut, entdeckt auf der Karte einen kleinen positiven Bereich am Alpensüdrand, der durch häufigen Nordföhn zustande kommen soll. Deutlichere Spuren wird der Kälteeinbruch wahrscheinlich in Südwesteuropa hinterlassen, wo eine negative Bilanz bis zum Ende des Monats bestehen bleiben soll. Ein deutlich zu warmer Monat wird – so paradox das klingen mag – einmal mehr in der Arktis erwartet, ebenfalls im positiven Bereich abschliessen dürfte der Februar im östlichen Mittelmeerraum.
Kalte Luftmassen aus Nord bis Ost enthalten in der Regel nur wenig Feuchtigkeit, sodass die Kältephase mit nur unergiebigen Schneefällen einhergeht. Entsprechend wird der Monat insgesamt leicht zu trocken oder ungefähr mit durchschnittlichen Niederschlagsmengen in den meisten Regionen gerechnet, wobei das meiste davon wahrscheinlich erst ab der Monatsmitte fällt. Über dem warmen Mittelmeer sorgt die einfliessende Kaltluft hingegen für viel Labilität und somit Schauer- und Gewitterbildung, was sich in der Niederschlagskarte mit entsprechend hohen Abweichungen zur Klimanorm bemerkbar macht.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Der Kälteeinbruch kommt gerade zur rechten Zeit, denn die Vegetation hat im sehr milden Januar bereits auf Vorfrühling gestellt. Bevor also mehr als die resistenten Frühblüher erwachen und die heimische Vogelwelt womöglich sogar verfrüht zur Brut schreitet, stoppt der bevorstehende Wintereinbruch solcherlei Ambitionen abrupt. Kleine, seichte Gewässer werden wahrscheinlich zufrieren, die grösseren Seen sind davon allerdings nicht betroffen und bieten dem Wassergeflügel aus dem Norden weiterhin willkommene Zuflucht. Auch wenn die Lage nicht allzu viel Schnee bringen dürfte, so könnte dieser Kälteeinbruch die letzte Chance sein, dass man von den herumstreifenden Polarbirkenzeisigen, Seidenschwänzen und anderen nordischen Arten vielleicht auch in den südwestlichen Regionen Mitteleuropas noch etwas zu sehen bekommt. Nach einer erneuten Milderung ab der Monatsmitte dürfte dieser Zug für diese Saison dann wahrscheinlich endgültig abgefahren sein. Jedenfalls wird das heftige Ab und Auf der Temperaturen auch ein ordentliches Hin und Her bei der Vogelwelt auslösen. Zu beobachten gibt es also genug, vorausgesetzt man ist wetterfest…

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = nasser, blau = trockener als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
Finden Sie die Prognosen und Artikel von orniwetter.info nützlich und möchten sie nicht mehr missen? Da die Schaltung von aufdringlicher Werbung nicht nur viele Leser verärgert, sondern bei einer relativ wenig frequentierten Seite auch finanziell kaum etwas bringt, ist orniwetter.info als gemeinnütziges Projekt eines Kleinstunternehmens in einem schwierigen Marktumfeld auf freiwillige Unterstützung dringend angewiesen. Über den PayPal-Spendenbutton können Sie unkompliziert die Wertschätzung für diese Arbeit zum Ausdruck bringen und sichern somit den Fortbestand dieses kostenlosen Angebots. Ganz herzlichen Dank!
Falls Sie kein PayPal-Konto besitzen, können Sie direkt auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten einzahlen.
Peter Finke am 9. Februar 2018 um 11:05 Uhr
Sehr gut! Solche Einschätzungen von Wetterfachleuten können hilfreich sein. Mehr nicht, aber das ist doch schon viel. Die Beziehungen von Klima, Wetter und Vögeln sind für jeden Orni hochinteressant und wichtig angesichts der vielen Bedrohungen, die uns und die Vögel umgeben (Klimawandel, Insektensterben, Glyphosat, Vogelfang etc.).
Weitermachen!