Betrachtet man den Witterungsverlauf der letzten zwei Wochen und schaut noch etwas weiter in die Langfristmodelle, als wir dies hier in der Monatsprognose tun, so könnte man versucht sein zu sagen: Der Winter 2024/25 fand an einem Wochenende im November statt. Nun, wir werden uns wie alle Jahre wieder überraschen lassen müssen, denn egal wie mild der Gesamtwinter in den Modellen erscheint: Winterliche Phasen sind selbstverständlich jederzeit möglich, auch wenn sie nicht nachhaltig sind und nach wenigen Tagen ein brachiales Tauwetter in den Niederungen selbst Rekordschneedecken gleich wieder dahinrafft. Besonders zuverlässig ist seit einigen Jahren das Weihnachtstauwetter, auch wenn es oft schon ein bis zwei Wochen vor Weihnachten einsetzt. Wiederholungschance 2024: sehr hoch!
Die oben verlinkte Winterprognose beruht auf Modellläufen von Anfang November – so erstaunt es wenig, dass einen Monat später die Details für den ersten Wintermonat etwas überholt sind. Eine winterliche Phase, welche diesen Namen auch verdient, ist derzeit in den Mittelfristmodellen durchaus in Sicht, die Chancen dafür stehen für den 2. Advent und die Tage danach recht gut, die zweite Dezemberwoche dürfte 3-5 Grad unter die Klimanorm zu liegen kommen. Entsprechend ausgleichend viel milde Luft muss der übrige Dezember liefern, soll es mit unserer Prognose am Schluss aufgehen. Die Wintermonate der letzten Jahre haben aber meist sehr eindrücklich bewiesen, wie einfach das geht…
Normal gibt es in den CFS-Läufen der letzten drei Tage nicht: Drei Viertel sind in Mitteleuropa mild bis sehr mild, ein Viertel recht kalt aufgestellt. Diese Ausreisser-Läufe rechnen mit einer etwas nach Norden verschobenen Hochdruckbrücke, womit die Tür für Kaltluft aus Osten weit geöffnet wäre. Die meisten Läufe, zu denen auch der von uns bevorzugte gehört, zeigen jedoch zwei Hochdruckanomalien: Eine sehr starke über Nordosteuropa und eine ebenfalls recht ausgeprägte von den Azoren bis zur Iberischen Halbinsel, dazwischen eine etwas schwächere Hochdruckbrücke über Mitteleuropa hinweg. Eine negative Druckanomalie ist über Island zu finden und eine neutrale Zone über dem östlichen Mittelmeer. Die Hochdruckbrücke Mitteleuropa dürfte somit wie bereits im November die häufigste Wetterlage sein, unterbrochen von (einem?) abtropfenden Tief, das über Mitteleuropa ins zentrale bis östliche Mittelmeer zieht (Grosswettertyp Nordwest bis Nord). Dieses ist in den Mittelfristkarten für den 2. Advent recht prominent vertreten. Danach sieht es nach Grosswetterlagen des Typs West bis Südwest aus – das Weihnachtstauwetter lässt grüssen.
Negative Temperaturabweichungen von der Klimanorm werden in unserem Lauf nur von Grönland bis Island und in kleinerem Ausmass im äussersten Norden Skandinaviens sowie in Nordafrika gerechnet. Dazwischen sehr viel Milde, am ausgeprägtesten von Mittelschweden über das Baltikum hinweg weiter nach Südosten. West- bis Mitteleuropa ist mit einer durchschnittlichen Abweichung von +2 Grad auch ganz gut dabei, wenn es darum geht, den Grundstein für einen weiteren Mildwinter zu legen.
Bei häufigen Hochdrucklagen wird Mitteleuropa eher auf die trockene Seite fallen. Ausnahmen gibt es am ehesten am nördlichen Alpenrand, falls das Tief zum 2. Advent auch genügend Feuchtigkeit im Nordstau ablädt (lokal grosse Schneemengen sind durchaus wieder möglich). Entsprechend geschützt ist die Alpensüdseite, hier und auf der Iberischen Halbinsel werden die grössten Niederschlagsdefizite gerechnet. Nasser als im Schnitt wird es wahrscheinlich von Irland bis zur Westküste Südnorwegens, wo das Westwindband wohl im Schnitt am häufigsten zu liegen kommt. Das abgetropfte Tief gleich jetzt zu Monatsbeginn und ein zweites gegen Monatsmitte sind wohl für die überdurchschnittlichen (bis wieder hin zu katastrophalen?) Niederschläge verantwortlich. Nach jetzigem Stand dürften die Abweichungen vom Modell rund um die Ägäis und an der türkischen Südküste wohl zu niedrig berechnet sein.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Das heftige Auf und Ab bei den Temperaturen wird wohl für kurzzeitige Ausweichbewegungen sowohl in vertikaler wie horizontaler Ausrichtung sorgen. So sind seit einigen Tagen auf dem Bödeli zwischen Thuner- und Brienzersee Alpenkrähen zu beobachten und die Alpenrandseen warten mit etlichen nordischen Gästen auf. Eine grosse, typische Winterflucht aus Nordeuropa ist aber bei den aktuellen Prognosen nicht wirklich absehbar. Kurzstrecken- und Teilzieher, welche die heftigen Schneefälle um den 21. November irgendwie aussitzen konnten, harren aus – der Tisch ist unseren Wäldern und Gärten weiterhin reich gedeckt.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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kurt nadler am 4. Dezember 2024 um 20:08 Uhr
liebe fabienne
ähnelt ja ein bissl der gesamtwinterprognose: https://www.metoffice.gov.uk/research/climate/seasonal-to-decadal/gpc-outlooks/ens-mean.
also vorerst keine nahegelegenen kaltluftreservoirs o-europa oder skandinavien.
für den hobbygärtner ist ein gesamtmilder winter allerdings kein garant gegen kältewellchen und frostschäden. immerhin hatte der überaus milde vergangene winter eine frostintensität im österreichischen pannon mitgebracht wie mindestens 2 oder 3 winter zuvor nicht, so 10-12 minus und ein paar tage dauerfrost. dementsprechend war die eislaufphase am neusiedler see ein wenig länger als zuletzt.