Als ob das Wetter unseren Kalender ganz genau kennen würde (für uns Meteorologen fängt am 1. Dezember statistisch der Winter an), stellt sich Anfang Dezember so etwas wie Winterwetter ein. Ein mickriger Kaltluftvorstoss – mehr hält die Arktis derzeit noch nicht bereit – gerät in Mitteleuropa für einige Tage unter Hochdruckeinfluss. Das sorgt erstmals verbreitet für Nachtfröste, die diese Bezeichnung auch verdienen. Doch wie so oft in den letzten Jahren ist dieser erste Wintergruss nur von kurzer Dauer, denn danach tut die Atmosphäre in der Nordhemisphäre das, was sie zu dieser Zeit tun muss: Sie dreht die Westwindzirkulation auf. Die spannende Frage lautet: für wie lange?

So wie’s ausschaut, kann Frau Amsel auch dieses Jahr an Weihnachten noch im Herbstlaub wühlen (Bern, 22.12.2013)
Eigentlich sind die Mittelfristprognosen relativ klar mit der erstarkenden Westwinddrift über dem Nordatlantik, die sich endlich auch in Europa durchsetzen soll. Und doch präsentiert uns das amerikanische Langfristmodell derart viele Variationen für den gesamten Dezemberverlauf, dass Verwirrung aufkommt. Nur etwa ein Viertel der Läufe besteht auf permanenter Westlage (die auch mal auf Nordwest oder Südwest drehen kann), der Rest ist gemischter Salat, reich garniert unter anderem auch mit viel Käse (wo zum Beispiel soll die Kaltluft herkommen, die den Monat in Mitteleuropa auf vier Grad unter die langjährige Norm drücken soll?). Jedenfalls fiel es nicht leicht, sich für ein Szenario zu entscheiden, und die Wahl auf einen Lauf vom 14. November sagt eigentlich alles: Die Glaubwürdigkeit des Modells leidet derzeit stark und ob das Bauchgefühl der Meteorologin besser liegt, ist auch nicht garantiert.
Der herausgepickte Lauf zeigt eine ausgeprägte Tiefdruckanomalie mit Zentrum knapp südlich von Island, welche den gesamten Nordatlantik umfasst und bis nach Schweden reicht. Gegenspieler ist ein leicht zu starkes und etwas nach Osten verschobenes Azorenhoch, dessen Einfluss bis zur Adria hineinragt. Die Alpen bilden genau die Grenze zwischen positiver und negativer Druckabweichung. Folge davon ist eine ausgeprägte Dominanz von Westlagen und seinen Verwandten Nordwest und Südwest, auch zeitweilige Hochdrucklagen (jene in der ersten Dezemberwoche kann man bereits als gesichert ansehen) spielen mit. Die Druckabweichungen sind aber zu wenig stark gerechnet, um die westgeprägte Zirkulationsform bis zum Monatsende aufrecht erhalten zu können. Auf eine Umstellung im letzten Monatsdrittel (welcher Art auch immer) sollte man also gefasst sein.
In weiten Teilen Europas wird der Dezember – welch Überraschung! – also deutlich milder als im langjährigen Schnitt. Zwei Grad muss man aufgrund der Statistik des zu Ende gehenden Jahrzehnts ja schon fast als gegeben annehmen (der letzte Dezember mit negativer Abweichung war 2010). Bei häufigen Westlagen und einigen Tagen höhenmilder Hochdrucklage dürfte es lokal auch locker höher gehen, insbesondere in föhnig beeinflussten Lagen und an inneralpinen Talflanken. Tiefer wird die Abweichung im nördlichen Alpenvorland angenommen, wo einerseits Staulagen und andererseits bei Hochdruckwetter bodennahe Auskühlung und Hochnebel das Mittel etwas nach unten ziehen.
Bei überwiegendem Einfluss vom Atlantik her ist in West-/Nordwesteuropa von überdurchschnittlichen Niederschlägen auszugehen. Je weiter nach Osten und Süden, umso trockener wird es. Dies gilt insbesondere für die Alpensüdseite und den Alpenostrand, die häufig im Lee zu liegen kommen. Ebenfalls weitgehend trocken sieht es im westlichen und zentralen Mittelmeerraum aus. Nordeuropa scheint eher unauffällig mit geringen Abweichungen von der langjährigen Norm.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Was im Oktober für die Freunde nordischer Wintergäste ganz verheissungsvoll aussah, hat sich inzwischen vollständig zerschlagen: Die Temperaturen in Skandinavien und Nordrussland haben sich normalisiert und dürften im Dezember eher in die zu milde Richtung tendieren. Für die nordischen Gäste, die sich wahrscheinlich zu einem grossen Teil immer noch rund um Nord- und Ostsee aufhalten, gibt es zumindest aus meteorologischer Sicht vorerst keinen Grund, weiter nach Süden auszuweichen. Hier ist also Geduld gefragt, denn der Winter ist ja noch lang (wenn auch nur sehr wenig darauf hindeutet, dass wir es in Europa mit einem strengen Winter zu tun bekommen sollen, siehe auch unsere Winterprognose im Partnerblog).

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = trockener, blau = nasser als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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