In den letzten Wochen war es noch kaum vorstellbar, doch just zum meteorologischen Winterbeginn berappelt sich der Jetstream und bringt uns die erste Westlage seit vielen Monaten, die diese Bezeichnung auch verdient. Es wird auch höchste Zeit, dass zumindest ein Teil des aufgelaufenen Niederschlagsdefizits ausgeglichen wird. Positiv an der Sache ist dabei, dass zunächst noch Regen bis recht weit hinauf fällt, sodass endlich die Flüsse wieder mal ordentlich gefüllt werden. Es würde allerdings erstaunen, wenn sich die Westwindzirkulation nach einem aussergewöhnlichen Jahr nun von 0 auf 100 erholt und den Winter dominiert. Entsprechend schwierig gestaltet sich die Rätselei darüber, wie lange die Westwindlage durchhält und was danach folgt. Nicht selten war eine zügige Westwindlage im Dezember der Türöffner für einen ordentlichen Winter.
Das Langfristmodell CFS hüpft seit Tagen (eher seit Wochen) derart wild herum, dass es wirklich schwierig wird, daraus einen seriösen Trend abzuleiten. Wer sich für die Gründe dieser Unsicherheit interessiert, kann sich im Beitrag unseres Partnerblogs etwas vertiefter darüber informieren. Kaum war diese Winterprognose geschrieben, tauchte die erste Überraschung in den Wettermodellen auf, wonach sich zumindest für das erste Dezemberdrittel der Atlantik mit einer kräftigen Westlage durchsetzt. Somit wird schon mal die Aussage über den Haufen geworfen, dass es vorderhand hochdruckbestimmt und trocken weitergeht – eher das Gegenteil ist der Fall. Das kann, muss aber keineswegs nachhaltig sein…
Aus dem vielfältigen Angebot der verschiedenartigen CFS-Läufe wurde einer herausgepickt, der weder auf Westwindlage OpenEnd setzt, noch auf eine extreme Rückkehr ins Blockademuster. Die Westlage des ersten Monatsdrittels zeichnet sich zwar deutlich als Tiefdruckanomalie ab, die sich von Neufundland über den Atlantik bis weit in den europäischen Kontinent hinein erstreckt, diese wird allerdings durch eine Hochdruckbrücke vom nach Osten verschobenen Azorenhoch über Irland nach Island und Grönland unterbrochen. Übersetzt heisst dies: Irgendwann dürfte der Jetstream wieder zusammenbrechen, worauf die Neufundlandtiefs über dem westlichen Nordatlantik austrogen und eine Keilbildung über dem Ostatlantik ermöglichen. Ob sich daraus über Europa eine längere oder nur vorübergehende Nordlage ergibt oder dies in eine Ostlage mit Skandinavienhoch mündet, bleibt offen – die Möglichkeit ist jedenfalls gegeben und somit auch ein winterliches zweites Dezemberdrittel. Dass wir nicht auf einen Lauf mit fixer Blockadelage bis zum Monatsende gesetzt haben, beruht auf den etwa 70% statistischer Wahrscheinlichkeit eines Weihnachtstauwetters, ist aber zugegebenermassen reine Spekulation.
Aus diesem fiktiven Ablauf (Anfang und Ende mild bis sehr mild, dazwischen mal winterlich) ergibt sich für weite Teile West- und Mitteleuropas ein im Schnitt ungefähr 2 Grad über dem langjährigen Mittel temperierter Monat, wobei der Temperaturüberschuss in Osteuropa deutlich abnimmt. Deutlich kühler als normal wird nur der äusserste Nordosten Europas gerechnet. Ein deutliches (wenn auch auf der Karte wahrscheinlich übertriebenes) Muster von kühleren Stauseiten (westlich und nördlich) gegenüber föhnigen Leeseiten (östlich und südlich) wird an den Gebirgen gezeigt.
Vor allem die regenreiche Westlage des ersten Dezemberdrittels sorgt erstmals seit Januar wieder für Niederschläge über der langjährigen Norm in weiten Teilen Europas. Auch hier werden Stau- und Föhneffekte an den Gebirgen gut simuliert. Die östliche Position des Azorenhochs wird durch die trockene Zone in Südwesteuropa deutlich, während über Osteuropa ins östliche Mittelmeer austrogende Tiefs auch weiten Teilen Südosteuropas viel Niederschlag (wahrscheinlich meist als Schnee bis in tiefe Lagen) bringen.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Nördlich der Alpen sorgt ein regenreicher (oft bis in höhere Lagen in flüssiger Form) Dezemberbeginn endlich für eine Entlastung der Trockenheit, wobei man da vor allem noch für den Alpenostrand ein Fragezeichen setzen muss, der ja bei Westlagen häufig in Röhre schaut. Nach einem Auffüllen der Lacken im Seewinkel sieht es also vorerst noch nicht aus. Auch wenn es zur Monatsmitte wahrscheinlich mal winterlich wird: Dort, wo die Winterflüchter derzeit sitzen (nördliches Mitteleuropa), ist eher nicht mit einer höheren und länger anhaltenden Schneedecke zu rechnen, welche die Vögel weiter nach Süden auszuweichen zwingt. Diesbezüglich ist noch etwas Geduld angesagt. Hingegen dürften ergiebigere Schneefälle in den Nord- und Westalpen die Bergvögel zum Ausweichen in die Täler bewegen.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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