Ein brühwarmes Nordmeer, geringe Eisbedeckung der Arktis, ein völlig undifferenziertes Muster der Wassertemperaturen im Nordatlantik und ein arg zerfledderter Polarwirbel sind die Ausgangslage für den beginnenden Winter 2017/18. Diese Konstellation lässt weder in die milde noch die kalte Richtung eindeutige Trends zu, sodass wir dieses Jahr auf eine Prognose über den Gesamtwinter verzichten – es wäre nichts als unnütze Kaffesatzleserei. Ähnlich ergeht es dem Langfristmodell CFS nur schon für den ersten Wintermonat. Täglich werden vier Läufe gerechnet, und in den letzten drei Tagen waren neun völlig verschiedene Varianten zu sehen: Von extrem schneereichen zu trocken-kalten bis nass-milden Wetterlagen wird alles aufgetischt. Und daraus soll man nun eine Monatsprognose basteln?

Was gibt es Schöneres als ein Bad bei Sonnenschein und Schnee? (Haussperlinge im Dezember 2014)
Wenn einen das Langfristmodell im Stich lässt, ist es oft die beste Strategie, von einer Erhaltungsneigung auszugehen. Der November hat uns viele Nordwestlagen und Troglagen über Mitteleuropa gebracht, unterbrochen von kurzen Hochdruck- und Südwestlagen. Hauptverantwortlich für diese Erhaltungsneigung ist das Azorenhoch, das sich mal nach Norden, mal nach Osten verschiebt, aber immer wieder an seinen angestammten Platz zurückkehrt. Wir haben uns daher für einen Lauf entschieden, der uns auch im Dezember ähnliche Wetterlagen beschert. Gerechnet wird eine mässige positive Druckanomalie von den Azoren bis zur Iberischen Halbinsel sowie eine zweite etwas stärkere von Nordskandinavien bis Nordwestrussland. Dazwischen etabliert sich eine Tiefdruckrinne, die sich von Grönland/Island über die Britischen Inseln bis nach Osteuropa erstreckt. Auch diese Anomalie ist nicht besonders stark ausgeprägt, was darauf hinweist, dass diese Lage zwar häufig auftritt, den Monat aber nicht dominiert. Wahrscheinlich ist ein abwechslungsreicher Monat mit den bereits erwähnten Nordwestlagen, Trog Mitteleuropa, aber auch milderen Einschüben aus West bis Südwest und kurzen Hochdrucklagen. Die vom Modell gerechneten extremen Nord- bis Ostlagen sind einzelne Ausreisser und werden von uns daher als sehr unwahrscheinlich taxiert.
Auf die Temperaturverteilung hat dies folgende Auswirkung: Deutlich kälter als im langjährigen Schnitt wird es in Skandinavien, etwas weniger ausgeprägt ist die negative Temperaturanomalie im Alpenraum und im nördlichen bis westlichen Mittelmeerraum. Die tieferen Lagen Mitteleuropas können wahrscheinlich einen durchschnittlich temperierten Dezember erwarten. Deutlich zu mild wird es auf dem europäischen Festland einzig in Südosteuropa sowie in all jenen Gebieten, welche südlich eines Gebirges von häufigem Nordföhn profitieren. Nebst der erneut viel zu warmen Arktis fällt auch das völlige Fehlen negativer Temperaturabweichungen über dem gesamten Nordatlantik auf.
Der häufige Tiefdruckeinfluss bringt einem Streifen von den Britischen Inseln über Mittel- bis Osteuropa überdurchschnittliche Niederschläge, welche in hohen und mittleren Lagen in der Regel als Schnee fallen. Schneearmut ist also in den Alpen und den Mittelgebirgen in diesem Winter wahrscheinlich kein Thema. In den Niederungen fällt – wie in einem durchschnittlichen Dezember üblich – der Niederschlag etwa je hälftig in flüssiger und fester Form, eine dauerhafte Schneedecke wird sich somit unterhalb von etwa 500 m kaum ausbilden können. Auch im westlichen Mittelmeer wird überdurchschnittlicher Niederschlag gezeigt. Dafür reicht bereits eines bis zwei abgetropfte Tiefs in dieser Gegend, wobei das erste zum Monatsbeginn bereits gesichert ist. Skandinavien wird nicht nur einen kalten, sondern auch trockenen Monat erleben. Ursächlich dafür ist häufiger Ostwind nördlich der durch Mitteleuropa ziehenden Tiefdruckgebiete.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Im nördlichen und östlichen Mitteleuropa wurden bereits im November viele nordische Wintergäste beobachtet, was angesichts des garstigen Frühjahrs und Frühsommers in Nordosteuropa nicht erstaunt. Die Nahrungsgrundlage dort ist in diesem Jahr besonders schlecht, da braucht es gar nicht mal einen strengen Winter, um die Vögel nach Südwesten ausweichen zu lassen. Wir dürfen uns also über eine steigende Anzahl nordischer Arten in Mitteleuropa freuen. Damit sie aber auch weiter in die südwestlichen Gebiete ziehen, müsste im nördlichen und östlichen Mitteleuropa ebenfalls eine dauerhafte Schneedecke gebildet werden. Danach sieht es im Dezember noch nicht aus, aber der Winter fängt ja gerade erst an…

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = nasser, blau = trockener als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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