Vor einem Monat haben wir festgestellt, dass der Sommer 2020 sich Zeit lässt – gut Ding will schliesslich Weile haben. Nun ist er also da – und es scheint, als wolle er noch ein bisschen bleiben. Das ist auch gut so, denn so manche Brut ging im nasskalten Juni durch Futtermangel oder Hochwasser verloren und wurde spät nachgeholt. Diese Jungvögel brauchen nun einen „gesitteten“ August, um beizeiten kräftig genug für den Wegzug ins Winterquartier zu werden.
Ein Sommer wie im Lehrbuch nach „Old Climate“ war es bisher, wechselhaft mit vielen Kälterückfällen besonders im nördlichen Mitteleuropa, während er sich im Süden recht passabel und für die meisten angenehm temperiert gezeigt hat. Nun setzt sich die Lehrbuchvariante fort mit pünktlichen Hundstagen, die ihrem Namen alle Ehre machen. Hält er sich auch weiter ans Lehrbuch, dann setzt sich die Serie heisser Tage noch fort, bis irgendwann ungefähr Mitte August der Hochsommer beendet wird und dem Spätsommer Platz macht. Ob das mit Krach und Getöse und einem empfindlichen Absturz oder eher gemässigt vonstatten geht, darüber sind sich die Langfristmodelle nicht einig. Wir haben uns für Variante 2 entschieden.
Der von uns favorisierte Modelllauf zeigt eine deutliche, aber nicht extreme Hochdruckanomalie über Mitteleuropa, während sich die Tiefdruckanomalie auf den zentralen Atlantik zurückzieht. Die Abweichungen sind vom Betrag her nicht extrem, sodass davon ausgegangen werden kann, dass in der ersten Monatshälfte Hochdrucklagen in Europa dominieren werden, während die zweite Monatshälfte wahrscheinlich ungefähr im klimatologischen Mittel verläuft – also eher wieder wechselhaft mit verschiedenen Grosswetterlagen, wobei Westlagen und ihre nahen Verwandten wohl das Sagen haben werden. Erfahrungen aus ähnlich verlaufenden Augustmonaten in der Vergangenheit zeigen, dass dazu meist auch ein erster (vorübergehender) Kälteeinbruch gegen Ende des Monats dazugehört, bei dem die Schneefallgrenze erstmals etwas unter 2000 m fallen kann. Muss nicht sein, sollte man aber darauf gefasst sein.
Durch den permanenten Tiefdruck auf dem Nordatlantik und Hochdruck über Mittel- und Osteuropa wird vor allem in der ersten Monatshälfte häufig heisse Luft aus Südwest bis Süd in Richtung West- und Mitteleuropa geführt, was dort den Schnitt der Monatsabweichung auf ungefähr zwei Grad über das langjährige Mittel hebt. Wenn man von der einleitend erklärten Konstellation einer Zweiteilung des Monats ausgeht, so dürfte die Abweichung der ersten Monatshälfte bei etwa vier Grad liegen, während die zweite Hälfte im langjährigen Mittel 1981-2010 landet. Im Gegenzug zeigt sich eine deutlich negative Temperaturanomalie über dem zentralen Nordatlantik. Ob sich da bereits wieder das Muster für den kommenden Winter einstellt…?
Im Flachland Mitteleuropas dürfte auch der August vielerorts zu trocken ausfallen – zumindest in der ersten Monatshälfte ist da nicht mit nennenswerten Niederschlagsmengen zu rechnen. Ein Überschuss zeichnet sich im Bergland und insbesondere am Alpenhauptkamm sowie südlich davon ab – das Resultat von Gewittern bei südwestlicher bis südlicher Anströmung. Auch die Überschüsse in Nordspanien und Frankreich dürften hauptsächlich auf wenige, aber heftige Gewitterereignisse zurückzuführen sein. Das nasse Band in der Karte von den Azoren über die Britischen Inseln bis Norwegen zeichnet die wohl dominierende Südwestströmung und die häufigste Position der Polarfront in diesem Monat nach.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Die Hypothek des extrem trockenen Frühlings und auch wieder Julis in weiten Teilen Mitteleuropas werden wir in diesem Sommer nicht mehr los. Seichte Gewässer sind vielerorts ausgetrocknet und bieten nur wenige Rastplätze für ziehende Limikolen, die sich daher wohl auf die Ufer von grösseren Seen konzentrieren. Für die Gebirgsvögel zeichnet sich ein optimaler Verlauf der zweiten Sommerhälfte ab mit regelmässigen Niederschlägen in Form von Gewittern, aber keiner dauerhaften Regenlage und wohl auch ausbleibenden Kälteeinbrüchen.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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