Eigentlich interessiert momentan nur noch eine Frage: Wann endet diese blockierte Zirkulation, um den seit gefühlt Anfang April dauernden Sommer zu beenden, und was folgt danach? Klar ist: Irgendwann muss sich die Lage wieder normalisieren. Auf welchem Weg und vor allem zu welchem Zeitpunkt dies geschieht, ist die spannende Frage. Normalerweise kommt Ende des Siebenschläferzeitraums etwa Mitte bis spätestens Ende August eine Umstellung in Gang, wenn aufgrund des sinkenden Sonnenstandes die Kaltluftproduktion in der Arktis wieder beginnt. Doch dieses Jahr ist eben nichts normal. Es gibt keine Erfahrungswerte, Regeln sind ausser Kraft gesetzt. Und da auch die Wettermodelle im Mittelfristbereich nichts besseres wissen als “es muss doch irgendwann normal werden”, davon aber in den letzten Monaten nichts eingetroffen ist, vertrauen wir mal besser dem meteorologischen Spürsinn.
Die Rechnungen der letzten Tage des Langfristmodells CFS zeigen uns im wesentlichen zwei Cluster: Der eine lautet: Alles bleibt, wie es ist. Der zweite: Das blockierende Hoch zieht sich so weit auf den Atlantik zurück (etwa südlich von Island), dass es den Einfluss auf das europäische Festland verliert und sich hier eine dauerhafte Nordlage einstellt. Diese würde allerdings nicht den erhofften ergiebigen Regen, sondern einfach etwas kühlere Luft bringen. Diese retrograde Verlagerung der grossräumigen Druckgebiete ist zwar bei der aktuellen Wellenzahl auf der Nordhemispäre nicht selten, doch gibt es aufgrund der Wassertemperaturen auf dem Atlantik keinen vernünftigen Grund, diesem Szenario zu glauben, und wird daher von uns verworfen.
Wir haben uns also auch in diesem Monat für einen jener Läufe entschieden, die es beim bisherigen grossräumigen Muster belassen. Dabei herrscht übernormaler Druck in weiten Teilen Europas, wobei sich das Zentrum von Irland bis zur Ostsee erstreckt. Deutlich negative Druckanomalien sind nur über Grönland zu finden, eine schwächere und daher kaum signifikante befindet sich im Mittelmeerraum. Die dominierenden Grosswetterlagen sind Hoch über Mitteleuropa oder etwas westlich davon (Nordwest-, im Extremfall für einige Tage auch antizyklonale Nordlagen wie Hoch Britische Inseln), sowie Ostlagen. Kurzum: Der seit Juni vorherrschende trocken-warme bis heisse Witterungstyp bleibt uns auch im August im wesentlichen erhalten.
Entsprechend werden weite Teile Europas im Schnitt deutlich wärmer als für die Jahreszeit üblich gerechnet. Die stärksten positiven Abweichungen erstrecken sich von der Biskaya über das nördliche Mitteleuropa bis nach Nordwestrussland. Die in der Karte gezeigten Anomalien für Höhen von ungefähr 1500 m dürften dabei aufgrund der sehr hohen Anzahl Sonnenstunden am Boden noch übertroffen werden und wohl verbreitet zwischen 2 und 3 Grad zum langjährigen Mittel zu liegen kommen. Immerhin: Extreme Hitze kann zwar wegen der ausgetrockneten Böden bei starker Sonneneinstrahlung vor Ort produziert werden, ist aufgrund der fehlenden Süd- und Südwestlagen aber nur vorübergehender Natur. Etwas kühler als die Klimanorm vorgibt, wird es im zentralen und östlichen Mittelmeerraum sowie in Grönland.
Aufgrund der weiterhin blockierten Westwindzirkulation bleibt es in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas trocken. Linderung in Form von Gewittern (die dann gerne mal auch des Guten zu viel bringen können) gibt es nur lokal. Da der im August üblicherweise über dem Mittelmeer liegende Hochdruckgürtel nördlicher liegt, kann er dort weniger stark wirken und so bilden sich in Südeuropa mehr Gewitter als üblich. Die in der Karte gezeigten roten Gebiete mit überdurchschnittlichem Niederschlag sind aber wohl flächenmässig deutlich übertrieben dargestellt. In einem Monat, in dem normalerweise kaum Niederschlag fällt, reicht ein einziges Gewitter, um das klimatische Mittel um das Doppelte zu übertreffen.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Wer flügge ist, sucht aufgrund der Trockenheit und dem daraus folgenden Nahrungsmangel bereits das Weite. Gut möglich, dass Insekten fressende Langstreckenzieher wie etwa Schwalben den Herbstzug viel früher antreten und sich auf die Suche nach Gebieten machen, welche noch nicht so lange unter der Trockenheit leiden. Diese sind hauptsächlich im Südwesten und Südosten Europas zu finden. Auch aus den sehr trockenen Regionen Nordeuropas dürfte der Vogelzug früher als üblich in Gang kommen. Da bei uns viele seichte Gewässer ausgetrocknet sind, konzentrieren sich die Rastplätze auf die wenigen noch verbliebenen Tümpel. Was für die Vögel Dichtestress bedeutet, sind für Vogelbeobachter paradiesische Zustände. Andererseits können etwa an den Alpenrandseen aufgrund des sehr tiefen Wasserstandes grössere Schlick- und Kiesflächen im Uferbereich, welche sonst im Sommer üblicherweise unter Wasser stehen, als Rast- und Nahrungsplätze für Limikolen dienen.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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