Eigentlich sollte man alle Meteorologen im April beurlauben – der macht ja sowieso was er will ungeachtet dessen, was die Wettermodelle sowohl in der Lang- wie in der Mittelfrist so alles rechnen, und das ist vielfältig. „Welches Schweinderl hätten S‘ denn gern?“ wurde in meiner Jugend im Fernsehen gefragt und genau diese Frage stellt sich mir beim Betrachten der verschiedenen Läufe der aktuell verfügbaren Langfristmodelle. Also wie so oft zu dieser Jahreszeit: Statistik und viel „Bauchgefühl“, gemeinhin auch Erfahrung ist gefragt.

Bereits wieder da: Der Hausrotschwanz gehört nicht nur bei jedem Wetter zu den frühesten Sängern des Tagesanbruchs, sondern ist auch ein früher Rückkehrer – wobei manche in den wintermilderen Regionen gar nicht mehr wegziehen (Muri bei Bern, 5. April 2023)
Dabei hat der April bei all seinen Launen auch seine Gesetzmässigkeiten. Nach dem Milleniumswechsel trat eine neue Singularität auf, die im Jargon gerne End-April-Warming (EAW) genannt wurde. Sie ist, wenn man den Auswertungszeitraum richtig legt, an einem recht steilen Anstieg der täglichen Durchschnittstemperatur im letzten Monatsdrittel zu erkennen und war mit stabilen Hochdrucklagen verbunden. Tempi passati, das „Warming“ hat sich in den letzten Jahren nach vorne verschoben und an seine Stelle ist ein EAC, also End-April-Cooling getreten (besten Dank an Jürgen Höneke von wesersollingwetter.com für die anschauliche Grafik): Heftige Kälterückfälle meist um den 15. April, manchmal fast bis zum Monatsende andauernd mit Nachtfrösten und Schneefällen bis in tiefe Lagen. Sie sind die neuen „Eisheiligen“, denn diese wiederum sind aus der Zeit um Mitte Mai herum fast völlig verschwunden. Derzeit sieht es allerdings nicht danach aus, als ob das 2025er Exemplar irgendetwas davon einhalten möchte: Der Kälteeinbruch kommt relativ gesichert bereits um den 5./6. und danach wird’s wie gewohnt im April bei den Langfristaussichten wild.
Vom lange gezeigten Dauerhochdruck über West-Mitteleuropa sind die neueren Läufe fast alle abgerückt, sie rechnen das Hoch in der ersten Monatshälfte nun deutlich nordwestlicher, was Kaltluftvorstössen aus Norden in Mittel-Osteuropa das Tor weit öffnet. Dem neuesten Lauf mit einer Abweichung von bis zu -3 Grad auf der Alpennordseite zu vertrauen, ging mir dann aber doch zu weit, denn wir wissen ja, dass die Suppe nur in den seltensten Fällen so kalt gegessen wird wie von den Modellen gerechnet. Wann war der letzte Monat deutlich unter dem Mittel 1991-2020? Eben! Und trotzdem liegt etwas in der Luft.
Der Lauf mit der aus meiner Sicht vertrauenswürdigsten Eintreffenswahrscheinlichkeit zeigt eine deutlich positive Anomalie im 500 hPa Geopotenzial von Grönland bis Nordwesteuropa reichend mit einem Kern zwischen Island und Schottland. Sie wird in der Detailbetrachtung bis zum 17. April auf- und danach wieder abgebaut, sodass der Betrag über den Monat gemittelt gar nicht mal so extrem ist – andere Läufe mit persistenterem Hoch sehen eine doppelt so hohe Abweichung. Nach der Monatsmitte soll eine Woche mit Westlage folgen (dies ist aus meiner Sicht der unsicherste Punkt), bevor gegen Monatsende die nächste meridionale Phase, die in einem April ebenfalls nie fehlen darf, folgen soll: Grosswettertyp Süd bis Südost, also Tiefs irgendwo von den Britischen Inseln bis zur Iberischen Halbinsel. Ein April ohne Saharastaub in Mitteleuropa wäre einfach kein moderner April. Daraus resultieren soll für den Gesamtmonat eine deutlich negative Druckanomalie über Nordwestafrika und Südwesteuropa sowie eine schwächere über Osteuropa, die von den Nordlagen in der ersten Monatshälfte verursacht wird. Ein buntes Sammelsurium also, bei dem selbstverständlich auch viel ganz anders kommen kann…
Die mittlere Abweichung von -2 Grad über dem östlichen Mitteleuropa und die Null-Linie an der Nordseeküste ist immer noch mutig, nach dem aktuellen Trend der Modellentwicklung muss man leider damit rechnen. Am Boden dürfte die Sache durch häufige Sonneneinstrahlung allerdings etwas abgemildert werden, ich tippe in der Grossfläche Mitteleuropas auf eine Abweichung zwischen 0 und -1 Grad von West nach Ost. Die negative Abweichung zieht sich von Skandinavien über die Alpen und den zentralen Mittelmeerraum hinweg bis nach Marrokko. Die positiven Anomalien findet man unter den überwiegend von Hochs dominierten Regionen über dem Atlantik und dem Nahen Osten.
Die Niederschlagsabweichungskarte zeigt eine grössere, recht trockene Fläche in Westeuropa, aber auch südlich der Ostalpen bis zum Balkan. Die leicht positiven Abweichungen im östlichen Mitteleuropa hängen stark von der bereits erwähnten unsicheren Westlagen-Phase ab. Auch wie weit die Tiefs im westlichen Mittelmeer ergiebige Niederschläge bis zu den Südalpen bringen, ist fraglich: Eine einzige mehrtägige Süd- oder Südostlage reicht ja in der Regel locker, um das Monatssoll zu erfüllen. Bleibt sie aus, wird der April hier deutlich zu trocken bilanzieren.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Die warme Hochdruck- bzw. Ostlage in der ersten Aprilwoche wird zahlreiche Mittelstreckenzieher zu uns spülen – für sie bleibt zu hoffen, dass der nachfolgende Kälteeinbruch vielleicht doch nicht ganz so heftig wird wie modelliert. Danach wird der Zug wahrscheinlich etwas unterbrochen: Es könnte sich während der Nordlage lohnen, nach rastenden Zugvögeln auf der Alpensüdseite Ausschau zu halten, die auf günstigere Winde für die Alpenquerung warten. Sollte der oben geschilderte Ablauf zeitlich ungefähr stimmen, so könnten Langstreckenzieher auf der Südwestroute etwas verspätet erst Anfang Mai eintreffen, die Südostzieher hätten hingegen leichteres Spiel. Frühlingshochwasser an den Alpenabflüssen ist unter diesen Umständen keins zu erwarten, dafür reichen die gerechneten Niederschläge nicht aus und die Schneelage in den Alpen ist auch eher bescheiden.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe gegenüber der Klimanorm 1991-2020

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1991-2020
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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