Den Monat mit dem typischen „Aprilwetter“ hätten wir also hinter uns gebracht – schauen wir mal, was der neue „Wonnemonat“ für uns bereit hält. Ja, die gewohnten Termine verschieben sich, und man darf gespannt sein wie lange es dauert, bis althergebrachte Begriffe sich dem neuen Klima anpassen. Zum früheren Wonnemonat gehörten aber auch die Eisheiligen, die werden ziemlich sicher auch in diesem Jahr in der Wundertüte namens April nicht fehlen. Vielleicht sollte man mal beantragen, diese berühmten Namenstage zu verlegen – wie wär’s mit 3. bis 6. April?

Ein echter Star weiss eben, wann, wo und wie man richtig Hochzeit feiert (Muri bei Bern, 11.04.2022)
Immerhin sind sich die Wettermodelle derzeit relativ einig, wie die erste Hälfte der Wundertüte April in Mitteleuropa ablaufen soll: nämlich unterkühlt mit Luftmassen aus Nord bis Ost. Schaut man sich jedoch die Langfristmodelle für den Gesamtmonat an, ist es vorbei mit der Einigkeit. Was nur den Schluss zulässt, dass für die zweite Monatshälfte ziemlich viel Unsicherheit vorhanden ist. Ein leichter Trend zu sonnigem Hochdruckwetter und somit frühsommerlich anmutender letzter Aprilwoche ist zu erkennen (klassisches End April Warming EAW, in den letzten Jahren eher wieder rar geworden), aber wie viel das vier Wochen im voraus in einem Frühlingsmonat wert ist, darüber muss nicht ernsthaft diskutiert werden.
Der aus dem reichhaltigen Menü herausgepickte Lauf nimmt diesen Trend zum EAW auf – etwas Risiko muss sein. Er zeigt eine ausgeprägte Anomalie des Geopotenzials über ganz Nordeuropa, das sich von Ostgrönland bis Westrussland und von Spitzbergen bis nach Süddeutschland erstreckt, das Zentrum liegt über Südnorwegen. Gegenspieler ist eine etwas weniger starke, aber dennoch beachtliche Tiefdruckanomalie mit Zentrum über Tunesien, welche den gesamten Mittelmeerraum beherrscht und sich bis zum Alpenbogen erstreckt. Dominanter Grosswettertyp kann somit nur Ost sein, wobei in den ersten Apriltagen Nordost vorherrscht. Danach wird das blockierende Hoch wahrscheinlich immer wieder seinen Schwerpunkt leicht zwischen West- und Nordeuropa verlagern, sodass sich Nord- bis Ostlagen abwechseln, vielleicht nistet es sich auch für ein paar Tage über Mitteleuropa ein. West- bis Südlagen haben bei dieser Konstellation nur wenig zu melden.
Daraus folgt, dass sich an der Ostflanke des Blockadehochs von Nordosteuropa bis zum zentralen Mittelmeer häufig Luftmassen polarer Herkunft bewegen und für einen unterdurchschnittlich temperierten April sorgen. Unter dem Hoch erwärmt sich die Luft durch Absinken und überdurchschnittlichen Sonnenschein hingegen auf Werte über der langjährigen Norm. Diese warme Zone umfasst das gesamte Nordmeer und die angrenzenden Länder und reicht knapp bis zum Alpenraum. Am Boden ist somit für Mitteleuropa ein Gefälle von Nordwest nach Südost zu erwarten, das nur geringfügige Abweichungen um die Klimanorm 1991-2020 aufweist. Wahrscheinlich ein Plus werden die inneralpinen Lagen aufweisen, die vom Nord(-ost)stau in der ersten Aprilwoche etwas geschützt sind und daher viel Sonnenschein erwarten können. Am Alpennordrand sowie in den Nordstaulagen der Mittelgebirge werden hingegen die Tagesgänge der Temperatur durch mehr Wolken weniger ausgeprägt sein, dafür ist hier das Risiko von empfindlichen Nachtfrösten etwas geringer als in den klaren Alpentälern.
Der ausgewählte Modell-Lauf ist bezüglich Niederschlag von Nord- bis Ostsee extrem trocken, möglicherweise fällt in diesem Bereich macherorts den ganzen Monat kein Tropfen Regen. Eher trocken bleibt es auch im übrigen Mitteleuropa, hier können aber doch gelegentlich vom Mittelmeertief abgeschwemmte Störungen für ein paar trübe und nasse Tage sorgen, allzu ergiebig ist das aber im April in aller Regel nicht, da das Mittelmeer im Frühling die tiefsten Wassertemperaturen im Jahresverlauf aufweist – Süd- bis Südwestlagen wären da weitaus effizienter, vor allem für die Alpensüdseite. Sehr nass wird das Gebiet von Süditalien bis zum Balkan sowie die Kaukasusregion gerechnet. Hierfür sind zu dieser Jahreszeit weniger die für den Herbst berüchtigten Unwetter verantwortlich als vielmehr die hartnäckige Blockadelage mit sehr lang andauerndem Tiefdruckeinfluss.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Der häufige Gegenwind und hartnäckige Schlechtwettergebiete im Mittelmeer werden wahrscheinlich für Verspätungen beim Eintreffen mancher Langstreckenzieher sorgen, insbesondere bei jenen die direkt über Italien ziehen sowie bei den Südostziehern. Südwestzieher sollten weniger Unbill auf ihrem Heimzug antreffen. Angesichts der Tatsache, dass trotz durchschnittlich bis regional zu nassem März die Alpenflüsse recht wenig Wasser führen und keine grosse Schneeschmelze zu erwarten ist, die sich zudem bei gemässigten Temperaturen über längere Zeit gleichmässig verteilt, werden auch die Alpenrandseen unterdurchschnittliche Pegel aufweisen. Dies erschliesst grössere Rast- und Nahrungsgebiete für Limikolen an den Uferzonen und verhindert Brutverluste von Wasservögeln durch Hochwasser – zumindest vorläufig.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe gegenüber der Klimanorm 1991-2020

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1991-2020
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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